Der Kinofilm von »Downton Abbey« (kurz: DA) wirkt schleppender, langsamer als die Serie, was Ereignisse angeht, und schneller oder (und genauer:) oberflächlicher mit Blick auf den Tiefgang der Handlungsstränge und den mit ihnen verbundenen Figuren. Die DA-Serie ist schneller, was Ereignisse betrifft, jedoch langsamer bzw. intensiver mit Blick auf den Tiefgang besagter Komponenten.
Hier wird also eine vermeintliche Paradoxie offenbar: Gilt ein Film im Allgemeinen (aus Beobachtung des Autors dieses Blogeintrags ist diese Sicht durchaus verbreitet) doch (und das sei bereits hier vorweggenommen:) vorschnell als einmalig und vom Wandel bestimmt, gar als Kunstform; die Serie (ebenfalls also generell) hingegen als trivial und, was ihre Substanz angeht, als stumpfsinnig redundant bzw. als wenig nachhaltig, weil auf der Stelle tretend.
Bevor wir diese Paradoxie erklären und diese althergebrachte Annahmen entkräften: Im Folgenden handelt es sich um eine eher emphatisch zu bezeichnende Beschreibung der DA-Medien — nicht um eine dezidierte, sich etwa mit Analysen der Szenen von DA und deren Längen in Minuten explizit auseinandersetzende Untersuchung. Achtung: Spoiler sowohl die Serie DA als auch den Film zu DA betreffend!
Das Verhältnis von Zeit und Konvention
Die mit der eingehende These verbundene Überraschung relativiert sich mit einem genauen Blick auf die Narrative (also Serie und Einzelwerk) und die damit (meist) verbundenen Medien (Fernsehen und Film) eindrücklich — fangen wir mit etwas Offensichtlichem an: Im Film steht der Erzählung im Verhältnis zur (/zu einer) Serie (-Form) weit weniger Zeit zur Verfügung, nämlich meist ca. 90—120 Min., ausnahmsweise bisweilen (bei (Superhelden-)Blockbustern) auch ca. drei Stunden. Das ist natürlich weit weniger denn die mehr als sechs Stunden der ersten Staffel von DA. Ein Film (auch dieser zu DA) muss also häufig Abkürzung nehmen.
Solche Abkürzungen sind zum Beispiel durch das Aufgreifen von Konventionen zu erreichen. Erwartungen können also bedient werden (oder mit ihnen kann gebrochen werden: Es entwickelt sich anders denn gedacht oder »meist«…). Ein derartiger Einsatz kann bisweilen im Klischee münden, welches bekanntlich negativ auslegbar sein kann — etwa als unreflektierter Stereotyp. Oder — wie angedeutet und eben mal nicht das Schlimmste annehmend — vermag ein zur Konvention gewordenes Element der Beschleunigung des Verständnisses des Werks durch die Zuschauer im Angesicht begrenzt zur Verfügung stehender Zeit dienen; es kann den Autoren erlauben, die so gewonnene Zeit anderweitig zu nutzen. So können Sie sich bestimmt sofort etwas unter diesen Figuren vorstellen: Der »Mentor«, der »gebrochene Held« usw. … ohne, dass viel zu diesen zu schreiben (oder zu zeigen) ist.
Serialität als Konvention — Teil von Film und Serie, Teil des Lebens
Dieser seriell zu deutende Umstand — also die serielle Nutzung serieller (immer wieder trainierter Konventionen oder) Muster — ist ein Indikator dafür, dass Serialität nicht der Gegensatz von Film — als Ausdruck eines singulären oder begrenzten Narratives — sein muss. Denn ohne diese wie auch immer zu bewertenden »Serien« von verinnerlichten bzw. erlernten Konventionen funktioniert ein Film, funktionieren zumindest viele seiner Komponenten nicht: So muss das »Lesen« eines Bildes bzw. die Leinwand oder den Fernseher als einen Rahmen zu verstehen, welcher Blicke in eine oder mehrere (fiktive) Welt erlaubt, erst einmal durch jeden Menschen verinnerlicht werden. Hier haben wir es also mit einer weniger materiellen Form des Seriellen zu tun, als dass hier ein serielle Progression (besagter Wandel als Form des Lernens) zu beobachten ist, die sich nicht in konkreten Werken manifestiert, welche wir gemeinhin als »Medien« bezeichnen: also nicht ein bestimmtes Buch, ein bestimmte TV-Serie … Vielmehr findet diese Serialität in aufeinander aufbauenden Erfahrungen Ausdruck. Und ist damit wohl so alt wie die Welt selbst. Dass wir solch ein Lernen (oder einen Erfahrungsgewinn) meist nicht aktiv oder bewusst betreiben, liegt daran, dass grundlegende Fähigkeiten diesbezüglicher Interpretation bereits von klein auf trainiert werden — oft also ganz nebenbei. Schließlich sind bewegtbildmediale Formen in unserer Welt allgegenwärtig.
Wie »grundsätzlich« bereits suggeriert, ist es mit solchen Fähigkeiten jedoch nicht immer weit her, insbesondere angesichts sich rasch entwickelnder, und zwar neuer Bewegtbildformen, die uns vor ebenso neue Herausforderung im »Lese-Akt« stellen. Aus Erfahrung des Autors dieses Blogs besteht also Schulungsbedarf das (bewegte) Bild betreffend — über das Kleinkindzeitalter hinaus. Denn ähnlich der unbestreitbaren Relevanz des Deutschunterrichtes — zum Verständnis von Sprache oder dem, was »zw. den Zeilen steht« etc. — zeigt sich populär-exemplarisch an den diversen, bisweilen fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen oder diesbezüglichen Disputen zw. den vor Ort agierenden Referees und ihrer videografischen Assistenten: Die Interpretation von Bildern ist nicht einfach und scheint ihnen im konkreten Fall, trotz professionellen Wissens um die Regeln im Fußball, schwer zu fallen.
Jedenfalls: Gleiches — also eine partielle Notwendigkeit von Konventionen — betrifft natürlich auch Serien und damit auch jene des Fernsehens. Zum einen, da beide Medien naturgemäß verwandt sind: das bewegte Bild. Zum anderen gilt das Fernsehen schließlich (wenig historisch korrekt übrigens, dennoch sind entsprechende Aussagen vom Autor dieses Blogs immer wieder beobachtet worden) als der Repräsentant des Seriellen. (Aber (/Denn): Serialität — in Form medialer Werke — ist schon in den Kopierbestrebungen etwaiger Skulpturen in der Antike, in Romanen und Zeitungen, also weit vor dem Bewegtbild, zu beobachten. Sogar die bewegtbildmediale Serialität wird zuerst im Kino realisiert.) Fernsehserien (insbesondere jene um den Pol 1 — dazu später mehr) benötigen in Teilen, das Mehr an Zeit in ihrer Gesamtheit gegenüber dem Film hin oder, ähnliche Konventionen, um verstanden zu werden. Bevor aber nun das einleitend genannte Klischee vermeintlich Bestätigung findet: Bestimmte Serien hingegen — zu denen eben auch DA gehört — schaffen ein Netz von Ereignissen, welches dem entspricht, was eigentlich dem Film zugeschrieben wird: Sie kreieren einen Wandel, eine Progression (≈ Pol 2 im Spektrum des seriellen Erzählens).
Was bedeutet, dass hier kein Plädoyer gegen den Film und in sich geschlossene Erzählweisen gehalten wird — es geht hier um die Beschreibung grundlegender Eigenschaften von Film und (TV-)Serie und damit auch um Gemeinsamkeiten, nicht jedoch um vereinfachende Kategorie wie »gut« und »schlecht«. Das heißt also bereits an dieser Stelle: Weder der singulär daherkommende Film ist meist so ganz für sich stehend, noch muss, wie wir gleich vertiefen werden, die Serie von stätiger Wiederholung geprägt sein.
Der DA-Film zw. Serie und Film
Kommen wir (somit) auf DA und den Kinofilm zurück: Dieser ist natürlich gar kein wirkliches insulares Werk (wie gesagt, ob es so etwas überhaupt gibt, ist ohnehin zu bezweifeln). Es ist nur teilweise ein für sich stehender Spielfilm, sondern natürlich die Fortsetzung der Serie und damit (abseits des oben Beschriebenen, des Seriellen der Konvention) ein offensichtlich serielles Werk. Sehr wahrscheinlich ist der Film daher für alle jene, die die Serie nicht gesehen haben, nicht nur wenig attraktiv (wirklich? — unten dazu mehr), sondern auch nicht in jeder Nuance verständlich. (Übrigens ist auch dieser Umstand — also hier nur vermuten zu können, wie es ohne eine bestimmte Erfahrung ist — Resultat einer Form von Serialität. Im Sinne einer progressiven Kette können von Menschen nur sehr bedingt vorherige Erfahrungen ausgeblendet werden — ein Komplex, mit dem sich u. a. Künstler seit Jahrhunderten beschäftigen: Einige woll(t)en eine von Erfahrungen und kulturellen Einflüssen mitbestimmte Weitsicht überwinden, um eine »unverstellte« Welt betrachten zu können.)
Dann aber ist es natürlich so, dass der DA-Film in Teilen der oben angedeuteten filmischen Definition folgt und daher eine eben teilweise für sich stehende Handlung aufweist, die es selbst jenen ermöglicht, ihr zu folgen, die nicht mit den Hintergründen aller Figuren vertraut sind. Ähnlich wie die Gesamtserie beginnt daher der Film mit einer eintreffenden Nachricht, die die Ereignisse des Films im Wesentlichen bestimmt — was natürlich wiederrum ein serielles Element ist. In Grunde zitiert sich die Serie in ihrem Kinofilm also selbst. Dabei wird eine Brücke zum Ausgangpunkt der gesamten Serie geschlagen, gar ein gewisse Rekapitulation vorgenommen: Denn obschon besagter, zu Beginn des Films eintreffenden Nachricht (zum Besuch des Königs und der Königin auf Downton Abbey), bleibt die Tragweite der ersten Nachricht, also zu Beginn der Serie, nach wie vor der zentrale Auslöser im Handlungskomplex — nämlich die problematische Erbfolge und weitergedacht die ungewisse Zukunft des Hauses, seiner Familie und Angestellten.
Gleichsam gestaltet dieser Auftakt (neben Vertrautheit für den »treuen« Zuschauer) den Film für sich stehend, weil mit dem »Problem« eben auch eine Lösung (im Rahmen der Laufzeit des Kinofilms ≈ Konvention) verbunden oder zumindest suggeriert wird.
Basics: Der serielle Typus von DA
Grundsätzlich lässt sich DA als Serie des Typus IV, eine progressive Serie, die sich am Pol 2 im Spektrum des seriellen Erzählens befindet, beschreiben. In diesem Sinne ist die bzw. eine ihrer Folge »nur« eine Produktionseinheit, die basierend auf einem Drehbuch entsteht — nicht aber eine definitive Handlungseinheit. Gemeinsam mit den Schauspielern wird dem Schriftstück zu Leben verholfen, mit Hilfe eines Teams (Regie, Kamera etc.) im Rahmen eines verbindlichen audiovisuellen Stils, einer Autorenbibel (also Vorgaben zu den Figuren, zum erzählerischen Duktus) und unter Koordination eines als (auch den Regisseuren übergeordneter) künstlerischer Leiter fungierenden Executive Producers (Wie fast durchgehend in der Serie ist auch im Film Julian Fellows verantwortlich).
Die Handlungsstränge der einzelnen Figuren erstrecken sich entsprechend dieses seriellen Typus nahezu permanent über einzelnen Folgen hinaus, bisweilen gar weit über die Grenzen der Staffeln hinweg — in der DA-Serie ausgehende von besagter, zu Beginn eintrudelnden Nachricht über sechs Staffeln (+ einige mehr oder minder zur den Staffeln zählende Specials und schließlich besagter Kinofilm).
Die Serie beginnt mit einer beinahe die ersten zehn Minuten des Pilotfilms einnehmenden Vorstellung des Settings, seiner Figuren bzw. deren Grundcharakteristika sowie der grundsätzlichen Problematik: das ländliche, noch sehr von adeligen Großgrundbesitzern geprägte England des Jahres 1912, der Haushalt vom »einfachen« Personal bis hin zur »Herrschaft« — alles mehr oder minder vom Problem um den Erhalt des Besitzes im Angesicht neuer Herausforderungen der Zeit und unklarer Erbverhältnisse geprägt. Insofern wird sich im Pilotfilm der Serie (und in deren weiteren Verlauf) sehr viel Zeit gelassen, den Alltag zu zeigen und gleichsam wird dem Zuschauer sehr viel in kurzer Zeit angedeutet — oft ohne, dass es ausgesprochen wird. Das Verhalten aller untereinander, manchmal nur ein Blick deuten Sehnsüchte oder Konflikte an …: »You’re late when I say you’re late.« (DA S1F1)
Dieses, trotz besagter Tiefe, als Tempo zu Interpretierende erklärt sich auch aus den Umständen der Veröffentlichung der Serie bzw. dem originären Distributor: Die Serie wurde im privaten, werbefinanzierten Sender iTV ausgestrahlt und daher mit Werbepausen versehen. Diese verlangen mal mehr, mal weniger nach entsprechenden, zu den Unterbrechungen passenden Akten und Cliffhangern (genauer: Binnencliffhanger). Das meint, am Ende eines jeden Aktes innerhalb einer Folge wird (im Drehbuch, bzw. ggf. auch im Schnitt) eine Situation kreiert, die das Wiedereinschalten, besser noch das Dranbleiben über die (den Sender und (abseits von anderen Vermarktungswegen) teilweise die Sendung finanzierende) Werbung hinweg begünstigen soll.
Dieser Umstand zeigt übrigens, wie fließend künstlerische und kommerzielle Interessen ineinander übergehen können — auch zwei vermeintliche Gegensätze und Schubladen also. Diese Stereotypen in der Beschreibung stehen Permeabilitäten gegenüber, die nicht immer pauschal schlecht als »Unterwanderung« etwa interpretiert werden müssen. In diesem Fall begünstigen sie eine dem vielschichtigen Ensemble der Serie und damit eine den vielen durchaus auch mal sozialkritischen Implikationen Genüge tragende Dynamik (der Erzählung). Und abseits der konkreten Serie ist diese Verbindung eine wesentliche Triebfeder für das jüngste »Goldene Zeitalter« des Fernsehens: Unter dem mehr als nur ein Label verkörpernden Begriff »Quality TV«/»Qualitätsfernsehen« (kurz: QTV) werden Serien verstanden, die nicht nur als Gesellschaftsromane zu bewerben sind, sondern auf Grund ihrer künstlerisch-kritischen Eigenarten von Kritikern als audiovisuelle Entsprechung verstanden werden. Die DA-Serie kann also durchaus im Sinne dieser Definition bewertet werden.
Warum der DA-Film eher »flacher« ist …
Im Kino ist Werbung, abseits dem Film vorgeschalteter Spots und Trailer, nun nicht gegeben. Und damit, so wirkt es, entfallen aus die zahlreiche Wendungen (bzw. die Notwendigkeit zu diesen). Es wird in der Film-Fortsetzung also eher eine Umkehr im Verhängnis zum Serie-Klischee vollzogen: So wird zwar in der geringen Zeit (ca. 90 Min.) viel behandelt, aber diese Ereignisse betreffend wenig Tempo gemacht bzw. sie werden mit wenig Tiefe versehen: Viele der Figuren der Serie finden wir zwar in ihrer Beschäftigung, nur wenig später nach dem Ende der Serie, vor. Viel Neues erfahren wir dabei aber nicht: Die Probleme sind Unzufriedenheit im Ruhestand, Unklarheit, ob aus einer Verlobung mehr wird, Unsicherheiten im Job, usw. Insofern sind im Film die Tragweiten, Längen und Tiefe der Handlungsstränge eher übersichtlich. So ist etwa in jenem Strang in Bezug auf die angebliche Überprüfung Toms (seine antimonarchische, republikanisch-irische Gesinnung betreffend) recht schnell ersichtlich, dass der angebliche Ermittler der britischen Krone gar keiner ist, sondern ein angehender Attentäter. Schließlich ist es Tom, der das Attentat verhindert. Zudem kann der regelmäßig die Serie verfolgende Zuschauer sich wohl kaum vorstellen, dass Tom nach »all dem« (innerhalb der Serie) jetzt aus dem Ruder läuft.
Dieser Umstand — also die Kürze der Handlungsstränge, aber auch die Vorahnung, dass hier kein großer Bruch im Verhalten der Figuren zu erwarten ist — ist folgendermaßen zu erklären: Trotz jahrelanger Konflikte und Intrigen endet die Serie sehr harmonisch und sollte wohl in filmischer Form ähnlich versöhnlich fortgesetzt werden. Daher sind beinahe alle Probleme nur bedingt »heftig« wie in der Serie, stattdessen schnell lösbar und führen — in der Tradition des Feel-Good-Films — zu einem entsprechenden Ende auch des DA-Films. Der Intensivzuschauer wird ein ähnliches Schema aus den Weihnachtsspecials der Serie gewohnt sein. Auch diese weisen eine Verkürzung der Handlung auf, sodass die Specials eher einer Episode entsprechen.
Zwar mag der Feel-Good-Gedanke dem Kanon der Qualitätsserien widersprechen — wollen diese (trotz kommerzieller Interessen) doch auch Kritik üben. Und tatsächlich werden derartige Erwartungen (nach intrigen-reicher Vorgeschichte (innerhalb der Serie)) im Film nicht erfüllt, aber der Film schließt dabei wie gesagt ganz an das Finale der Serie an. Man mag darüber diskutieren wollen, ob das alles nun realistisch ist (≈ QTV) oder nicht und die Serie in Filmform diesem kritischen Ansinnen also eher eine Absage erteilt. Aber es soll hier ja nicht um simple Kategorien wie »gut« und »schlecht« gehen: Insofern ist auch eine solch eskapistisch zu betitelnde Anwandlung zu verzeihen. Gar, weil, so könnte man vermuten, sich das britische Publikum insbesondere nach derartiger Harmonie im Angesicht gegenwertiger Probleme sehnt.
Damit aber könnte man durchaus, zumindest in Teilen, die oben ausgerufene, und zwar mangelnde Attraktivität des Films für »Nicht-die-DA-Serie-Schauende« relativieren: Als Feel-Good-Film-Serie könnte DA neue Zuschauer gewinnen, die dem ewigen Zwist nichts (oder nichts mehr) abgewinnen können. Umgekehrt bleibt es im DA-Film bei durchaus sanft-kritischen Tönen, etwa zum diskriminierenden Umgang mit Homosexualität damals wie heute — im filmischen Handlungsstrang um Thomas.
Trotz Feel-Good-Tendenz: Im Finale der Serie sowie auch jetzt im Kinofilm wird der zentrale Konflikt — der Fortbestand des Hauses — nie vollends ausgeräumt oder besser, es wird nie behauptet, dass »alles für alle Zeit sicher ist«. Zwar scheint nach dem Finale der Serie und nochmals nach dem Kinofilm die Zukunft positiv — Lady Mary hat ihre Rolle als künftiges Familienoberhaupt angenommen, es gibt eine gewisse Akzeptanz für die Herausforderung der neuen Zeiten und ein partiell anderes, weniger Grundherren-artiges Denken … Aber natürlich weiß keiner (der Protagonisten), was noch kommt. So bleibt die Tür für Fortsetzungen, seien sie im Kino oder Fernsehen zu finden, offen …
Ein kleiner Exkurs zur Serialität und DAs Neupositionierung

Der soeben gefallene Begriff »Episode« ist übrigens ein Terminus, der sich einer bestimmten seriellen Narrationsform zuzuordnen lässt, die eher dem 1. Pol im Spektrum des seriellen Erzählens nahe steht. Denken Sie an die »Simpsons«, an »Bonanza« oder die Original-»Star Trek«-Serie: Jede Woche ein anderes Abenteuer, am Ende einer Folge ist das Problem gelöst und der Ursprungszustand wiederhergestellt. Die Figuren in der Serie vergessen das Geschehene, sie treten quasi auf der Stelle und erinnern sich immer nur an das Ursprüngliche. Jede Folge kann die erste sein, weil nichts aufeinander aufbaut. Solche Serien sind oft in der Summe ihrer Episoden umfangreicher (gegenüber Pol-2-Serien wie DA), da die Produktion der zahlreichen Drehbücher durch mehrere, in Teilen selbstständig arbeitende Autoren erfolgen kann (Wenn gleich damit natürlich Autorenbibel und ein Executive Producer genauso relevant sind).
Serien des 1. Pols sind aber (oder daher) in Bezug auf die Länge ihrer Handlungsstränge arg begrenzt. Wie ein Film benötigen sie daher sehr regelmäßig Abkürzungen — wie oben impliziert (siehe Unterstreichung) steht daher im Falle des 1. Pols des seriellen Erzählens sogar in Relation zum Film weniger Zeit pro Erzählung zur Verfügung (≈ 42—60 Min.). Hingegen progressive Formate (Pol 2) oft von einem Team von Autoren konzentriert betreut werden. Es obliegt ihnen, die vielen kontinuierlich (über Stunden) fortzuschreibenden Handlungsstränge voranzutreiben oder viel genereller, sie überhaupt zu koordinieren. Folglich ist der »Output« dieses aufwendigen Teamprozesses begrenzt.
Die Serien des Pols 1 können angesichts dieser Episoden-Konstruktion oft theoretisch größere Publika erreichen, denn sich müssen nicht kontinuierlich durch ihre Zuschauerschaft verfolgt werden. Es muss also nicht jede Folge gesehen werden, denn — wie gesagt — die Handlung überschreiten meist nicht die Grenzen einer Episode. Insofern ist der DA-Film statt einer Serien-Folge (≈ Pol 2) mit weitgehend offenem Ausgang tendenziell einer Episode ähnlich. DA scheint also partiell ihre Erzählweise (ansatzweise bereits mit den Specials, nun aber definitiv mit dem (ersten?) Kinofilm) verändert zu haben.
Dennoch: Angesichts dieser Eigenarten könnte man vermuten, dass das Klischee — Fernsehserien seien pauschal oberflächlich — auf die Episodenserie zurückzuführen ist. Weil in ihnen natürlich ein Schema immer und immer wieder genutzt wird — denken Sie an die Ermittlungsarbeit Columbos in der gleichnamigen Serie. Diese Vorstellung ist allerdings ebenfalls oberflächlich, denn nicht Teil einer Gesamthandlung zu sein, macht in einzelnen Episoden vielschichtige Experimente möglich: Eine Musical-Folge etc. ist in DA nicht wirklich vorstellbar: Wie sollte sie in die Gesamthandlung integriert werden? Tatsächlich findet die Abwertung der Fernsehserie wohl (auch oder vor allem) in der Soap ihren Ursprung. Wobei dabei wiederum anhaltend übersehen wird, dass die durchaus komplexe Zopfdramaturige der Soap Vorbild für hochwertige Formate wie auch DA und andere Serien um den Pol 2 wurde.
Sicherlich gibt es zw. Soap und einer Dramaserie (auf Grund ihrer Verwandtschaft zur Soap auch »Prime Time Soap«) wie DA dennoch oder zumindest kleine Differenzen: Soaps haben meist keinen distinkten Ausgangspunkt oder zentrale Prämisse (über ein Setting hinaus) — wie die Erbschaftsfrage in DA. Allerdings: Telenovelas schon. In jedem Fall gibt es in Soap und Telenovela diverse Figurenentwicklungen und Handlungsstränge, die die Grenzen der Folgen bei weitem überschreiten — ebenfalls wie in DA, einer QTV-Serie. Allerdings ist angesichts der Folgenvolumina einer Daily-Soap zum Beispiel kaum zu erwarten, dass die Zuschauer als Folgen rezipieren. Um einen Wiedereinstieg in die Serie oder, da sie Jahre bis Jahreszehnte laufen kann, stets eine Erstzugang zu gewährleisten, wird in Daily Soaps wahnsinnig viel verbal erklärt und rekapituliert. (Was auch aus den Radio-Ursprüngen des Formates, aus der ursprünglich nur bedingt guten Bildqualität des Fernsehens (die für visuelles Erzählen nur begrenzt taugte) sowie aus der Konzeption der Soap als Werbefläche für Produkte, die sich an die Hausfrau während ihrer Arbeit (in den 50er Jahren) richteten, sie also nebenbei erreichen sollten, resultiert.)
Wie eben bereits angedeutet wird gerade im Pilotfilm der DA-Serie anders verfahren, vieles visuell statt verbal vermittelt — das visuelle Erzählen ist durchaus auch im Sinne des QTV-Begriffs zu deuten. Interessanterweise verfährt der Film zu DA in Teilen anders, »soapiger« — und, so der Eindruck, erklärt viel verbal, um eben offen für nicht ganz so gewissenhaft die Serie Verfolgende zu sein. Auch das meint wiederum nicht, Filme seien (quasi als Umkehr der Schelte von TV-Serien) pauschal oberflächlicher. Es meint hingegen, dass die einführend vorgestellte Annahmen zu den Erzählweisen und den mit ihnen verbundenen Medien Vereinfachungen sind, die mit Blick auf konkrete Fälle oft nicht standhalten.
Mehr zum seriellen Erzählen erfahren Sie hier.
Ästhetische Nähe zw. Film und Serie und den DA-Werken
Wird also, was das Verbale angeht, im DA-Film anders verfahren als in der Serie, bleibt der Film der Serie ästhetisch weitgehend treu: Es dominieren »weite« Einstellungsgrößen, eine eher statische Kameraarbeit, die die Gediegenheit des Hauses einfangen soll und uns zu respektvollen, wenig auf »die Pelle« rückenden Beobachter der DA-Welt machen. Oft wird sich bemüht, quasi gemälde-artige oder besser an die damalige Fotografie erinnernde Bilder zu kreieren. Unterstützung findet dies durch die oft kräftigen Farben, eine leichte Vignettierung des Bildes sowie eine partiell eingesetzte (oft in der Postproduktion durch Masken ergänzte/verstärkte) Tiefenunschärfe. Der melancholisch-romantische Tenor der Serie wird zudem mit film-noir-artiger Beleuchtung Ausdruck verliehen — tiefstehender Sonne und langen Schatten. Weiterhin bleibt es auch im Kino-Film über die Kinematographie hinaus bei einer im Bühnebau nachvollzogenen Differenz zw. »oben« und »unten«. Der Küchentrakt bleibt weiterhin eher farb- und zierde-los.
Ohnehin — und damit wieder zur Überschrift zurückkehrend — sind natürlich Film und Serie in der heutigen Zeit technologisch, ästhetisch wie auch künstlerisch einander ebenbürtig. Serialität wird aber oft mit dem Fernsehen assoziiert, was — das sei noch einmal gesagt — übersieht, dass Filmserien schon historisch keine Seltenheit sind (und nicht nur in unserer Gegenwart von Marvel’s Cinematic Universe zum Standard wurden). Umgekehrt sind das klassische Free-TV-Fernsehen insbesondere hierzulande und international das moderne Fernsehen (≈ Video-on-Demand-Anbieter) sehr regelmäßig Produzenten singulärer Werke (wie gesagt, soweit es sowas gibt).
Die ab und an immer noch Verbreitung findende Aussage, das Fernsehen und die damit meist verbundene Serialität seien dem Film nachzuordnen, ist auf Grund der besagten, historisch nachvollziehbaren, nämlich als gegenseitig zu beschreibender Beeinflussung der Medien — auch über das Narrative hinaus, also auf ihre Ästhetik bezogen — nicht korrekt: Das 4:3‑Seitenverhältnis gilt vielen als Zeichen des Fernsehens. Es kommt aber aus dem Kino, nun sind Breitbilder ein Standard im Fernsehen geworden. Vielmehr werden die Seitenformate nun häufig(er) (als früher) völlig unabhängig von ihrer Distribution im Kino oder TV im Sinne der Erzählung gewählt — manchmal sogar innerhalb eines Werkes: In »Grand Budapest Hotel« zum Beispiel passt sich das Seitenverhältnis dem Handlungsverlauf an, in der Serie »Homecoming« werden durch differente Seitenverhältnisse zwei Zeitebenen unterschieden.
Im vorliegenden Fall ist der Übergang daher moderat: Zwar wird ähnlich etwa dem Übergang von »Star Trek« zu »Star Trek: The Movie« oder von »Star Trek: The Next Generation« zu »Star Trek: Generations« quasi »nur« der Industriestandard gewechselt. Im Falle von DA wird aber »nur« von einem Breitbild (1.77:1) auf ein anderes (2.39:1) umgesattelt. Mit dem noch breiteren Bild sollen wahrscheinlich die sonnigen, feel-good-angehauchten oder melancholisch-romantischen Szenen des Films intensiviert und epischer gestaltet werden.
Also — so widersprüchlich es auch
wirkt — der Film zu DA ist beides: ein Zeichen dafür, dass sich die beiden mit
den jeweiligen Medien vorschnell assoziierten Narrative (Film ≈ singuläre
Narration, Serie ≈ serielles Erzählen) und Ästhetiken sehr angenähert haben,
sie bzw. ihre Erzählweisen von Fall zu Fall austauschbar sein können. Man kann
also durchaus sagen, eine komplexe, hochwertig fotografierte Serie ist eine Art
»Megamovie«. Wenn auch ihre Taktung meist anders und in besagten Aspekten schneller
sein kann. Und damit ist — anderseits (/die Blockbuster-Aussage teilweise
relativierend) — DA ein Beispiel dafür, dass die beiden Medien wenn auch nicht gravierende,
aber doch weiterhin vorhandene Differenzen aufweisen.