Mediensucht? Eine fragwürdige Studie der DAK fordert wichtigerweise Medienkompetenz, zeigt aber, wie wenig die Urheber davon haben: Ein Kommentar auch dazu, wie man als Privatperson und JournalistIn mit »Studien« umgehen sollte.

19. Aug. 2020

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Es geht um Sucht: Die Medien sind mal wie­der schult. Das mag ver­traut vor­kom­men — bis­wei­len sogar sehr: »Heavy Metal macht aggres­siv!«, »Fern­se­hen ver­dummt!« usw. — das haben heu­tige Mitt­drei­ßi­ger in ihrer Jugend gehört. Im 19. Jahr­hun­dert wollte man bestimmte For­men von Fort­set­zungs­ro­ma­nen ver­bie­ten las­sen, weil sie angeb­lich süch­tig machen. Medien? Das sind im Fall die­ser Stu­die ins­be­son­dere die Sozia­len Medien und Games. Wir wol­len hier, in die­sem Kom­men­tar, keine Bewer­tung erfol­gen las­sen — also, ob Sucht durch Medien mög­lich ist oder nicht. Der Autor ist über­zeugt, ein Zuviel kann — wie in bei­nahe allen Ange­le­gen­hei­ten — bis­wei­len schlimme Fol­gen haben, es muss aber nicht so kom­men. Er ist der Mei­nung — das muss hier vor­weg­ge­nom­men wer­den —, dass Medien­kompetenz über ein dro­hen­des Krank­heits­bild ein­zu­for­dern sel­bige nicht wirk­lich begüns­ti­gen, son­dern die­sem wich­ti­gen Feld letzt­lich scha­den wird; dass die Ablei­tun­gen aus der Stu­die über­zeich­net sind; und die Medi­en­wahl — die potentiellen/angeblichen Sucht­ver­ur­sa­cher — selek­tiv ist.

In die­sem Kom­men­tar ste­hen sowohl die Methode der Stu­die als auch die dar­aus resul­tie­ren­den Ablei­tun­gen durch die Initia­to­ren selbst sowie durch wei­tere (jour­na­lis­ti­sche) Kom­men­ta­to­ren aus einer medi­en­wis­sen­schaft­li­chen Per­spek­tive her­aus, gleich­sam im Sinne eines Kom­men­tars des Autors die­ses Blog auf dem Prüf­stand. Und gleich­sam auch der Umgang mit sol­chen Stu­dien — also, wie man im Sinne von Medien­kompetenz mit der Viel­zahl jeden Tag erschei­nen­der und als (ver­meint­li­che) Belege fun­gie­ren­der Stu­dien umge­hen sollte, um sich ggf. nicht durch cha­ris­ma­ti­sche Über­schrif­ten und Stu­dien über­rum­peln zu lassen.

Die Stu­die jeden­falls lässt das, was in die­ser kur­zen Ein­füh­rung eben­falls, weil all­täg­lich, schon ein­fach so vor­aus­ge­setzt wurde, offen: Was sind »Medien«? »Medien« ist mitt­ler­weile ein schon recht alter und eta­blier­ter Begriff. Man könnte auch sagen, das dif­fuse Ver­ständ­nis des Begriffs gehört schon lange zu unse­rem All­tag. Und offen­bar auch zu der vor­lie­gen­den Stu­die. Aber — wie so oft bei etwas nebu­lö­sen Begriffe — lohnt es sich, über den übli­chen Gebrauch hin­weg, hin­ter die Kulis­sen zu schauen. Im Falle einer wis­sen­schaft­li­chen Stu­die ist das nach Mei­nung des pro­mo­vier­ten Autors auch Pflicht. 

Das lässt sich — wie eben­falls so oft, wenn man etwas erklä­ren will — über einen kur­zen Umweg ver­an­schau­li­chen: Ein aktu­el­les Wort, wel­ches ähn­lich auf­ge­la­den ist wie »Medien«, ist der Begriff »digi­tal«. Digi­tal ist heute eigent­lich alles — gut oder schlecht. Jeman­den auf einem Video sehen, ist digi­tal, obschon es Video­über­tra­gun­gen schon vor der Zer­le­gung in Ein­sen und Nul­len gab. Oder sagen Sie auch: »Wol­len wir mal digi­tal tele­fo­nie­ren?« Obschon viele Tele­fon­an­bie­ter ana­loge Ver­fah­ren been­det und Digi­ta­les der tat­säch­li­che Hin­ter­grund des Gan­zen ist, gilt das Fest­netz­te­le­fon nicht wirk­lich als digital. 

Das meint ins­ge­samt, Tele-Kom­mu­ni­ka­tion wird heute dem Digi­ta­len zuge­ord­net. Oder auch das, was man, idea­ler, weil weni­ger auf eine tech­ni­sche Dimen­sion bezo­gen, als »vir­tu­ell« beschrei­ben könnte: Sub­jek­tive, inter­per­so­nale, nicht-so-ganz reale Sphä­ren, Räume, Gedan­ken, Abläufe sind damit gemeint. Tele­fo­niert man mit jeman­den, befin­den wir uns gemein­sam mit ihm in einer Art Raum — sogar in vie­len: Gemein­sam erin­nern Sie und ihr Bekann­ter sich an ein Ereig­nis in der gemein­sa­men Schul­zeit … Der vir­tu­elle Raum hat in einem Mul­ti­play­er­spiel bis­wei­len eine gra­fi­sche Aus­for­mung etc. Als Über­zeu­gung oder Glau­ben kann es einen vir­tu­el­len, wenn auch abs­trak­ten Raum geben usw.

Digi­tal — im Sinne einer neuen Eigen­schaft — wird es aber erst abseits ggf. bes­se­rer (oder auch schlech­te­rer) Über­tra­gungs­wege und ‑qua­li­tä­ten. Wenn auch wirk­lich neue Poten­tiale genutzt wer­den: Das heißt, in einer Video­kon­fe­renz wer­den Daten aus­ge­tauscht, gemein­sam an Cloud-Doku­men­ten gear­bei­tet etc. Bis dahin bleibt es bei ein­fa­cher Tele­ar­beit oder einer klas­sich-rea­len Arbeit im Zuge vir­tu­el­ler Abspra­chen. Und diese Arbeit — ein­fach oder digi­tal — ist übri­gens »bloß« eine Alter­na­tive zum Kon­fe­renz­raum: ähn­lich, aber nicht gleich. Zwar wird im Raum und auch via Über­tra­gung mit meh­re­ren Per­so­nen gespro­chen, sie wer­den gese­hen, sie sehen die ande­ren, gemein­sam erar­bei­ten sie ggf. etwas im Dia­log oder hal­ten etwas in die Kamera oder ein­fach hoch. Ander­seits ver­än­dert sich die Arbeit — von Medium »Kon­fe­renz­raum« zum Medium »Video­kon­fe­renz« zum Medium »digi­tale Videokonferenz«. 

Andere Eigen­ar­ten, andere Mög­lich­kei­ten: Im gemein­sa­men, rea­len Raum kann man über Ges­tik und Mimik hin­aus die Kör­per­hal­tung ande­rer Men­schen oft bes­ser erken­nen, zum Bei­spiel Design Thin­king gemein­sam, in einem Raum betrei­ben; in einer Video­kon­fe­renz fällt das teil­weise weg, es kommt auf den Bild­aus­schnitt und die Über­tra­gungs­qua­li­tät an. Aber große Ent­fer­nun­gen kön­nen über­brückt (oder wie jetzt ein Abstand gehal­ten) wer­den. In einer eher als digi­tal zu beschrei­ben Kon­fe­renz wird die­ses vir­tu­elle, tele-artige Poten­tial um ein gemein­sa­mes — par­al­le­les — Arbei­ten an kon­kre­ten, digi­ta­len Wer­ken erwei­tert: Gemein­sam greift man auf das­selbe Doku­ment zu usw. Sie sehen, so ein­fach ist es mit einem ein­fach erschei­nen­den Wort oft nicht.

Ist das Thema oder Untersuchungsobjekt der Studie in der Studie schlüssig definiert worden?

Für die mit der Stu­die ver­bun­dene Begriffe »Inter­net« und »Medien« gel­ten durch­aus ähn­li­che Befunde, wie sie aktu­ell für den Begriff »Digi­ta­li­sie­rung« (siehe vor­her) ver­mehrt zu beob­ach­ten sind: Auch diese Begriffe wer­den zw. Schre­cken und Zukunft ein­ge­ord­net, ohne genau zu wis­sen, was gemeint ist. Sie wir­ken der­art all­täg­lich, dass man sich ver­lei­tet fühlt, nicht nach­zu­fra­gen, was es mit ihnen auf sich hat. Und das scheint auch im Fall die­ser Stu­die so zu sein. 

Von einer kla­ren und all­ge­mein bekann­ten Defi­ni­tion lässt sich aber ganz grund­sätz­lich und von Stu­die unab­hän­gig kaum spre­chen: Das Inter­net kann zwar als Medium gel­ten, weil es sicher­lich als Über­griff oder Raum für viele kon­krete Räume gilt: eine Open World in einem Spiel, eine soge­nannte »soziale Platt­form«, als Chat­raum, als eine Inter­net­prä­senz unter vie­len … Zudem gilt, wie jeder mit Mar­ke­ting- oder Kom­mu­ni­ka­ti­ons­hin­ter­grund weiß, »ein Kind braucht einen Namen«. 

Das Netz ist aber nur schwer­lich als ein Medium im Ver­hält­nis zum Buch und zum Film defi­nier­bar. Nicht, weil es min­der­wer­tig ist, wohl­ge­merkt! Denn im Netz wird gele­sen, gehört, geschaut — Videos oder Bil­der, es erfolgt Inter­ak­tio­nen via Schrift, Ton, Video, in Games, in vir­tu­el­len Rea­li­tä­ten gra­fi­scher Form usw. Es sind also viele Medien in einem bzw. im Inter­net zu finden. 

Inso­fern ist selbst ein Buch nicht immer eine ein­fa­che Schub­lade: Lesen und schauen (Cover, Typo­gra­fie und ihre Qua­li­tät, Bil­der­buch, illus­trier­ter Band) gleich­zei­tig, um in die vir­tu­el­len Räume einer Geschichte ein­zu­tau­chen. Und sogar das mag ange­sichts des Tenors der hier im Fokus ste­hen­den Stu­die deren Urhe­bende und in Tei­len viel­leicht die Leser die­ses Kom­men­tars über­ra­schen: Das Buch wäre als ein Medium unter vie­len dann gewiss auch — wenn andere Medien laut Stu­die ja süch­tig machen — poten­ti­ell süchtigmachend. 

His­to­risch sicher­lich nicht ganz von der Hand zu wei­sen, sind Bücher sehr bedeu­tend für die west­li­che Welt. Aber sie sind auch ein habi­tu­ell über­be­wer­te­tes Medium. Es gehört zum Selbst­ver­ständ­nis vie­ler Men­schen, die gebil­det gel­ten wol­len, zu lesen oder zumin­dest anzu­ge­ben, sie würde das tun. Obschon natür­lich sehr wahr­schein­lich nicht mehr gute Bücher erschei­nen als Filme oder Fern­seh­se­rien. Inso­fern ist der Umstand, dem Buch einen Son­der­sta­tus zukom­men zu las­sen, sehr selek­tiv. Das wird in der hier behan­del­ten Stu­die zwar auch nicht behaup­tet oder direkt voll­zo­gen, aber impli­zit scheint die Hal­tung dann doch durch: weil die bei­den unter­such­ten media­len Kan­di­da­ten sicher­lich viel­fach vor­be­las­tet, also in öffent­li­chen oder von besag­tem Habi­tus gepräg­ten Dis­kur­sen (zurecht oder aus Vor­be­hal­ten her­aus) als schlecht gelten.

Über­dies es geht in Bezug auf die Defi­ni­tion oder schwie­rige Defi­ni­tion von Medien noch wei­ter: Ein Film besteht aus Medien wie Audio, Video und bis­wei­len aus Text usw. Keine Kom­mu­ni­ka­tion geht ohne Medium — Luft, um Töne zu über­tra­gen, der Kör­per des Gegen­übers sen­det in Mimik und Ges­tik Bot­schaf­ten, Spra­che ist ein Medium, frü­her — vor Erfin­dung der Schrift — war der Mensch das Medium schlecht­hin: als Erzäh­ler und zur Wei­ter­gabe wich­ti­ger Dinge.

Das alles muss einen nicht ver­zwei­feln las­sen. Die genann­ten Aspekte kön­nen zum Bei­spiel durch­aus in ver­schie­dene Ebe­nen etc. ein­ge­teilt wer­den. Ins­ge­samt muss man sich aber von der Schub­lade tren­nen, die da sagt, dass Medien nur bestimmte Dinge sind wie Film, Video­spiele und »Soziale Medien«. Medien sind all­ge­gen­wer­tig, Medien sind eben auch gedruckte Dinge und reale Räume — der The­men­park, der Arbeits­platz, die Welt­li­te­ra­tur, die Gebrauchs­an­lei­tung etc. Und Medien sind nicht nur jene Dinge, die man als Erwach­se­ner gegen­über Jugend­li­chen als kri­tisch betrach­tet. Eine offene Her­an­ge­hens­weise, ein offe­ner Geist hilft, Medien, gar Kom­mu­ni­ka­tion — soziale, psy­cho­lo­gi­sche, wirt­schaft­li­che, künst­le­ri­sche Aspekte Jung und Alt betref­fend — bes­ser und umfas­sen­der zu begrei­fen, mehr Kom­pe­tenz dahin­ge­hend zu entwickeln.

Schub­la­den ord­nen nur sehr begrenzt die Welt, sie sind meist nur grobe, manch­mal auch frag­wür­dige Ori­en­tie­rungs­grö­ßen. Das sieht man auch im kon­kre­ten Fall: »Medi­en­sucht« — ist das dann die Sucht nach Luft oder Ton? Klar, soweit wird dann doch defi­niert — es geht in besag­ter Stu­die um »Soziale Medien« und »digi­ta­les Spielen«. 

Hier haben wir es aber wie­der: das unkri­tisch genutzte Schlag­wort »digi­tal« — wohl modern und gleich­sam als Schreck­ge­spenst gedacht. Was ist denn daran genau digi­tal? Der Emp­fang, die Ver­ar­bei­tung, ok … Es scheint in der Stu­die um Distanz zu gehen, Medien, bei deren Nut­zung man sich nicht im glei­chen rea­len Raum befin­det. Aber: Viele Kon­so­len-Spiele kann man zum Bei­spiel zu zweit spie­len — im glei­chen Raum sogar, man kann auch klas­si­sche Brett­spiel auf ihnen gemein­sam nut­zen. Was ist das dann? 

Oder ein ande­res Bei­spiel: Ist Goe­the auf dem Tablett anders als in Print­form? Die Ant­wort: Jein, denn das Werk bleibt inhalt­lich und ggf. in For­ma­tie­rung gleich. Im digi­ta­len Doc kön­nen diverse Infos ein­ge­blen­det, Links ein­ge­bracht und es kann bes­ser gesucht wer­den. Auf Papier gibt es eine (viel­leicht roman­ti­sche) Patina, das Ganze funk­tio­niert ohne Strom. Goe­thes Werk bleibt also je nach Medium gleich und par­ti­ell ver­än­dert es sich. Nutzt man aber das Tablett wie ein Buch als bloße Trans­por­teure ändert sich nur wenig. Übri­gens des­we­gen brin­gen Tabletts in Schu­len auch nicht auto­ma­tisch echte Digi­ta­li­sie­rung … Dazu müs­sen digi­tale Poten­tiale über einen ent­spre­chen­den Trans­port hin­aus zur Anwen­dung gebracht und geschult werden.

Sol­che digi­tal-ana­lo­gen Spiele jeden­falls schei­nen schon ein­mal in der Stu­die nicht gemeint zu sein … Und auch das scheint nicht gemeint zu sein: Das Tele­fon zum Bei­spiel wird sel­ten als digi­tal bezeich­net, ist es aber heute recht häu­fig. Mit Pro­fil­fo­tos ver­se­hen sind Face­time bis Whats­app par­ti­ell eine Fort­set­zung des Tele­fons. Dabei wer­den sie teil­weise zu soge­nann­ten »sozia­len For­men« von Medien. Obschon — das sei in Bezug auf den eben­falls pro­ble­ma­ti­schen Begriff »Soziale Medien« gesagt — Medien fast immer eine mehr oder min­der direkte soziale Kom­po­nente besit­zen: das Mit­fie­bern mit (fik­ti­ven) Figu­ren, die indi­rekte Kom­mu­ni­ka­tion mit den Machern eines Film (durch das Schauen des Films, durch Feed­back), die Pos­tings für Freunde/»die Welt« oder das Haben-Wol­len einer Action-Figur »wie der Max eine hat« etc.

Mögen also — ggf. defi­ni­to­risch ver­stan­dene — Schub­la­den im vor­lie­gen­den Fall in mehr­fa­cher Hin­sicht schwie­rig sein (»die Medien«), braucht es natür­lich eine unge­fähre Beschrei­bung und Ein­gren­zung des Unter­su­chungs­fel­des. Das bleibt lei­der in der Stu­die über eine kurze Bemer­kung hin­weg aus — Fra­gen wie die oben gestell­ten hät­ten näm­lich geklärt wer­den müs­sen. Woran ist das geschei­tert? An der Medien­kompetenz der Ver­ant­wort­li­chen? Oder weil damit die angeb­li­chen Erkennt­nisse der Stu­die stark an Sub­stanz ver­lie­ren würde?

Es bleibt in der Stu­die jeden­falls bei Schlag­wor­ten. Und das ist nicht nur in Bezug auf die hand­werk­li­che Qua­li­tät die­ser Stu­die frag­wür­dig, son­dern auch durch das, was damit bewirkt wird: Bekannte Ängste und Kon­flikte wie der zw. den Gene­ra­tio­nen wer­den fort­ge­führt oder ange­heizt: Was »die jun­gen Leute« bewegt, was sie ver­stärkt machen, wird nicht so recht ver­stan­den, »das hat es frü­her nicht gege­ben«. Die regel­mä­ßige Reak­tion auf das Nicht-Ver­stan­dene ist bekannt­lich Angst oder es zur Gefahr zu erklären.

Mitt­drei­ßi­ger ken­nen das in Bezug auf Fern­se­hen, Com­pu­ter­spiele; deren Eltern in Bezug auf Fern­se­hen oder Comics. Pla­ton fürch­tete vor mehr als 2000 Jah­ren die Ver­dum­mung durch die Schrift — weil man sich nicht mehr so viel mer­ken müsste, son­dern alles auf­schrei­ben könnte. Klar, Medien ver­än­dern ihre Nut­zer, aber wir sind ihnen auch nicht per se aus­ge­lie­fert: Das Vier­tel prägt uns und wir das Vier­tel (≈ weit­ge­fass­ter Medienbegriff) …

Medien sind weder gut noch schlecht, immer grau­stu­fig. Natür­lich kann ein Medium oder ein Zuviel Gefah­ren brin­gen. Kon­kret meint dies zum Bespiel: Soziale Medien ver­bin­den nicht nur, ermög­li­chen nicht nur die Teil­habe von Indi­vi­duen, sie kön­nen nicht nur Zen­sur umschif­fen, Soziale Medien kön­nen auch Orte des Has­ses, von Fehl­in­for­ma­tio­nen sein, der Selbst­dar­stel­lun­gen die­nen. Das liegt an den Platt­for­men (z. B. im Zuge von Anony­mi­tät), aber eben nicht nur: Mob­bing gab es auch auf dem ana­lo­gen Schul­hof, jetzt hat es neue, zwei­fel­los schreck­li­che Qua­li­tä­ten im Netz gefunden. 

Ein real-räum­li­che­res Bei­spiel: In der Regel ist kein im Super­markt der­zeit erhält­li­ches Lebens­mit­tel so wirk­lich gesund­heits­schäd­lich, obschon in einer dem Tenor der Stu­die ähn­li­chen Weise gerne aller­seits etwas ande­res behaup­tet wird. Schäd­lich ist das Volu­men. Darum — um die Volu­men­frage — geht es zwar auch in der hier im Fokus ste­hen­den Stu­die: Zu Ihrer Bestim­mung hätte es aber schon der Defi­ni­tion des Unter­su­chungs­felds bedurft. 

Der Autor die­ses Blogs setzt sich über seine beruf­li­che Arbeit hin­aus dafür ein, dass sich aller­seits mehr mit Medien beschäf­tigt wird. Und das for­dert auch diese Stu­die. Inso­fern könnte sie dem Autor gele­gen kom­men. Dem ist nicht so. Denn die Stu­die erweist sach­li­chen Anlie­gen einen Bären­dienst, weil sie über die Furcht vor einer Sucht argu­men­tiert. Dabei wer­den Kli­schees letzt­lich nur gefes­tigt, statt die Dinge bes­ser zu ver­ste­hen und ein voll­stän­di­ge­res Bild zu betrach­ten. Angst ein­zu­set­zen, mag ein Trend sein — zum Auf­rüt­teln ähn­lich der Sze­na­rien von Umwelt­be­we­gun­gen: Dies kann erfolg­reich sein — man erzeugt Auf­merk­sam­keit für etwas wenig Beachtetes.

Aber es ist nicht immer erfolg­reich: Es führt näm­lich regel­mä­ßig dazu, dass ein­an­der gegen­über­ste­hen­der Posi­tio­nen noch mehr auf­ge­la­den wer­den, nicht aber zu sinn­vol­len und not­wen­di­gen Kom­pro­mis­sen ange­hal­ten wer­den. Im kon­kre­ten Fall meint das, es wäre bes­ser, Medien nicht krank­heits­be­zo­gen zu ver­teu­feln, damit ihre eben auch vor­han­de­nen Vor­teile (Nicht-)Jugendlichen gegen­über ersicht­lich und in einem refle­xi­ven Maße genutzt wer­den. Vom Tenor und von den schlag­wort­ar­ti­gen Aus­sa­gen der Stu­die inspi­riert aber wer­den sich viele sagen: »Warum sich mit etwas beschäf­ti­gen, was eigent­lich schlecht ist?«

Ein sach­li­che­rer Blick in der Aus­wer­tung der Stu­die und ein sach­li­che­res For­mu­lie­ren der State­ments vor der Presse hätte dann zum Bei­spiel — weni­ger sen­sa­tio­nell aller­dings —dazu geführt, fest­zu­stel­len, dass im Rah­men der Corona-Krise Soziale Medien oder andere Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wege über das Netz in Tei­len als ein Aus­gleich oder Ersatz (auch, wenn das nur teil­weise mög­lich ist, die Medi­en­un­ter­schiede sind oben genannt wor­den) genutzt wur­den, um Weg­ge­bro­che­nes zu kom­pen­sie­ren. Das jeden­falls geben die Befrag­ten in der vor­lie­gen­den Stu­die sogar selbst an. Soll­ten sie auf ihre Kon­takte ver­zich­ten? Wäre es bes­ser gewe­sen, über das Tele­fon zu kom­mu­ni­zie­ren, weil die­ses schein­bar aus dem Feld ver­däch­ti­ger Medien herausfällt?

Nein, der Begriff »Medien« ist, die kon­kre­ten Fel­der »digi­tale Spiele« und »Soziale Medien« sind in der Stu­die im Grunde nicht defi­niert wor­den. Da stellt sich die Frage, ist man sich über eine wesent­li­che Kom­po­nente die­ser Stu­die über­haupt im Kla­ren? Denn es wird sich vor­nehm­lich auf jene Medien kon­zen­triert, die gemein­hin — gerade bei Älte­ren und/oder wenig medi­en­kom­pe­ten­ten Men­schen — bereits als schlecht gel­ten. Das alles bestä­tigt schwarz-weiße Welt­mo­delle, läuft aber/damit Gefahr, die Pro­bleme — das Nicht-Vor­han­den­sein von Medien­kompetenz — eigent­lich nur zu ver­stel­len.

Schon nach die­sem ers­ten Ein­stieg bleibt keine Wahl — die Begriffe »Medien«, »Sucht« oder die Zusam­men­set­zung »Medi­en­sucht« muss in Ver­bin­dung mit der DAK-Stu­die in Anfüh­rungs­zei­chen gesetzt wer­den, da grund­le­gende — wis­sen­schaft­li­che — Arbeits­schritt im Report fehlen.

Was wurde gemacht? Und wie wurde es gemacht? Wie ist es um die Quellen und deren Qualität bestellt?

Die Stu­die fußt — neben inter­na­tio­na­len Quel­len und State­ments von ein­zel­nen Exper­ten — auf einer Umfrage. In zwei Pha­sen wur­den via Fra­ge­bö­gen Nut­zungs­zei­ten und Ver­hal­tens­weise besagte »Medien« (Soziale + »digi­ta­les« Spie­len) betref­fend abge­fragt — die Kin­der bzw. Fami­lien wur­den »reprä­sen­ta­tiv« aus­ge­wählt: Etwas über 1200 nah­men in der ers­ten, 800 Kin­der in der zwei­ten Phase teil. Die Teil­neh­men­den der zwei­ten Phase nah­men auch an Phase 1 teil, wur­den also erneut befragt. 

Reprä­sen­ta­tiv sollte hei­ßen, das ver­schie­dene Eigen­schaf­ten berück­sich­tigt wur­den, um die Kin­der und ihre Eigen­ar­ten sowie Lebens­um­stände in der Bevöl­ke­rung abzu­bil­den. Es han­delt sich ins­ge­samt um ein stich­pro­ben­ar­ti­ges Ver­fah­ren — d. h., die Reprä­sen­ta­ti­vi­tät der Ergeb­nisse, also das Hoch­rech­nen von der befrag­ten Gruppe auf die Gesamt­lage, kann — nach gän­gi­gem Ver­ständ­nis und Faust­re­geln — ange­sichts des Ver­fah­rens und der Anzahl Betei­lig­ter als recht hoch ange­nom­men wer­den. »Kann« ist in Bezug auf sta­tis­ti­sche Werte zu ver­ste­hen — dazu gleich mehr. 

Aus­ge­führt wurde die Umfrage von dem dar­auf spe­zia­li­sier­ten, all­ge­mein recht bekann­ten Unter­neh­men forsa. In der Regel erfolgt die Teil­nahme an dor­ti­gen Umfra­gen infolge einer (besag­ter »reprä­sen­ta­ti­ver«) Aus­wahl — anhand eines initia­ti­ven Tele­fon­kon­tak­tes zum Bei­spiel sei­tens des befra­gen­den Unter­neh­mens. Die Teil­nahme ist frei­wil­lig. Übri­gens: Bei dem im Juli 2020 vor­lie­gen­den Report han­delt es sich um die Ver­öf­fent­li­chung von Tei­ler­kennt­nis­sen — erst in ca. einem Jahr wird eine wei­tere Erhe­bung vor­ge­nom­men bzw. eine sol­che ist ent­spre­chend geplant.

Die Stu­die ist, wie Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wis­sen­schaft­lern etc. bekannt sein dürfte, in meh­re­ren Punk­ten in einer frag­wür­di­gen Weise gestal­tet — wenn dies auch weit ver­brei­tet und üblich ist: Wobei man nahe­lie­gende Feh­ler ten­den­zi­ell ver­mie­den hat — die Anzahl der Mul­ti­ple-Choice-Fel­der ist in den meis­ten Fäl­len hier gerade. Unge­rade Aus­füh­run­gen ver­lei­ten dazu, dass oft die Mitte gewählt wird — aus einem unbe­wuss­ten Har­mo­nie­be­dürf­nis her­aus oder weil man sich nicht ent­schei­den möchte/kann.

Die begrenzte Anzahl an Fra­gen hin­sicht­lich einer even­tu­elle Stö­rung wirkt auf den Autor die­ses Kom­men­tars, selbst mit wis­sen­schaft­li­chen Hin­ter­grund und Dok­tor­ar­beit, ins­ge­samt aber kras­ser als die angeb­li­che Erkennt­nis der gesam­ten Stu­die: Anhand der vor­ge­ge­be­nen Ant­wor­ten zu nur 13, auf einem For­mu­lar plat­zier­ten Fra­gen — jeweils aus per­sön­li­cher Sicht aus­ge­füllt — konnte angeb­lich in einer spä­te­ren Phase der Befra­gung ein even­tu­el­les Pro­blem bei den Jugend­li­chen und Kin­dern als »indi­ziert« (oder eben auch nicht) betrach­tet wer­den. Das muss gelinde gesagt als gewagt betrach­tet wer­den — selbst bei einer Aus­wer­tung durch einen Fach­arzt. Über­ra­schend auch, dass die­ser knappe Kata­log wei­ter­hin genutzt wer­den soll.

Denn wie jeder Mei­nungs­for­schende weiß: Selbst­aus­künfte oder die Aus­sa­gen direkt Betei­lig­ter (über eine nahe­ste­hende Per­son) sind oft vor allem eins — vor­be­las­tet. Sich selbst ein­zu­schät­zen, gelingt übri­gens auch den meis­ten Erwach­se­nen nicht. Das Gedächt­nis ist kein Com­pu­ter­spei­cher — Erin­ne­run­gen und Zusam­men­hänge ver­än­dern sich — je nach Situa­tion. Hier zeigt sich ein sehr kau­sa­les Den­ken der Stu­di­en­ma­cher, wel­ches bei Medi­en­for­schen­den oder Sozio­lo­gen als pro­ble­ma­tisch gilt: Zwar funk­tio­niert Kau­sa­li­tät auf klei­ner Ebene — »Schal­ter an, Licht an« —, umso mehr Fak­to­ren eine Rolle spie­len, umso schwie­ri­ger wird die Vor­stel­lung einer Kette aus lau­ter »Weils« und »Dahers«. Was das kon­kret meint, wir kom­men jetzt gleich dar­auf zurück.

Zudem sind im vor­lie­gen­den Fall die Erwach­se­nen schon der Aus­gangs­lage hal­ber vor­be­las­tet, womög­lich gar ver­ängs­tigst (»Wir neh­men an einer Suchtstu­die teil …«, »… sogar noch ein­mal!«): Es ist vor­stell­bar, dass jedes aus ihrer Sicht erkannte Zuviel dann sehr schnell als poten­ti­elle Sucht­in­di­ka­tion inter­pre­tiert wird. Womög­lich wer­den — unter­be­wusst —über­mä­ßige Werte für das Kind ein­ge­tra­gen. Ande­rer­seits wer­den jene Eltern (und je nach Alter auch Jugend­li­che), die das Thema für Unsinn hal­ten, nicht teil­neh­men. Oder auch jene wer­den eine Aus­kunft ver­wei­gern, die, um das lei­der in der Öffent­lich­keit ver­brei­tete Stigma Sucht fürch­tend, etwa­ige Pro­bleme nicht offen (wenn auch anony­mi­siert) nen­nen wol­len. Inso­fern kann die Sta­tis­tik auch trü­gen, denn im vor­lie­gen­den Fall geht es nicht um ein ein­fa­ches Ja oder Nein oder »Wel­che Par­tei wäh­len Sie?«.

Bekannte Situa­tion bzw. ein ähn­li­ches, wenn auch umge­kehr­tes Bei­spiel: Fra­gen Sie offen auf der Straße (mit Publi­kum) nach dem Kon­sum von zucker­hal­ti­ger Coca Cola. Da Zucker mitt­ler­weile als große Gefahr gilt, Cola als Main­stream und/oder kapi­ta­lis­tisch gewer­tet wird, kann es schnell sein, dass Cola nach einer sol­chen Befra­gung kaum noch Kun­den haben dürfte. Denn das Grund­pro­blem ist, wenn man etwas abfragt, wird dar­über nach­ge­dacht — zw. dem, was (von außen) gewünscht wird, was man sich selbst wünscht oder (Un-)Wissen erfol­gen die Antworten. 

Im Grunde han­delt es sich bei sol­chen Fra­gen um eine indi­rekte Form der Sug­ges­tion. Nicht zuletzt lie­fern einige der Fra­gen in der vor­lie­gen­den Stu­die zur »Medi­en­sucht« bzw. die dazu­ge­hö­ri­gen, vor­ge­ge­be­nen Ant­wor­ten Aus­wege: »Ich bin sit­zen geblie­ben wegen mei­ner ›digi­ta­len‹ Spie­le­sucht.« Ach­tung: Selbst­ver­ständ­lich ist das (theo­re­tisch) mög­lich. Hier geht es nicht gegen den Umstand, dass es Sucht gibt; dass poten­ti­ell auch bestimmte Beschäf­ti­gun­gen oder mediale Prä­fe­ren­zen oder (sucht­ar­tige) Über­prä­fe­ren­zen ein Pro­blem sein kön­nen. Und Sucht soll in die­sem Kom­men­tar gewiss nicht als selbst­ver­schul­det oder vor­ge­scho­ben stig­ma­ti­siert oder wer­den — ganz im Gegen­teil: Es geht darum, sich mit Sucht (und Medien und Medi­en­kon­sum) ernst­haft zu beschäf­ti­gen, statt, wie im Fall die­ser Stu­die, der Mei­nung des Autors die­ses Bei­trags nach, in eher vor­ge­fass­ter Weise aus­ein­an­der zu setzen. 

Das lässt sich auch an einer Umkehr der offen­ba­ren Prä­misse der Stu­die erken­nen: Sie nimmt mehr oder min­der deut­lich an, »Soziale Medien« und »Gam­ing« sind poten­ti­ell schlecht (andere For­men digi­ta­ler Natur und im Netz sind es wohl nicht oder zumin­dest weni­ger(?)). Sie kön­nen zumin­dest aber die schu­li­sche Ver­set­zung gefähr­den — danach wird ja gefragt. Keh­ren wir das mal um: Könn­ten nicht etwa Spiele mit einer hohen (mikro-)wirtschaftlichen Kom­po­nente nicht sogar sinn­voll für die prak­ti­sche Bil­dung von jun­gen Men­schen sein, weil sie öko­no­mi­sche und mathe­ma­ti­sche Kennt­nisse ver­tie­fen oder trai­nie­ren? Kön­nen koope­ra­tive Games nicht ein Mit­ein­an­der begüns­ti­gen? Auch pau­schal, aber nicht grund­sätz­lich falsch natür­lich. Sie sehen, Ein­sei­tig­keit hilft nicht, einen Sach­ver­halt oder das vor­lie­gende Feld wirk­lich zu bearbeiten.

Letzt­lich wür­den umfas­sende Beob­ach­tun­gen eher zei­gen, wie es sich um den Ein­fluss von Medien wirk­lich bestellt ist. Etwa indem man den Kon­sum auf den Gerä­ten tat­säch­lich erfas­sen würde, die Situa­tion in der Fami­lie kon­kret aus­wer­tet, schu­li­sche Ergeb­nisse, die Feunde und Hob­bies etc. ein­be­zieht, lang­fris­tig nach­hakt. Das ist sehr auf­wen­dig (und führt zu wei­te­ren Pro­ble­men, weil es den Betei­lig­ten mehr oder min­der bewusst ist, was mit ihnen geschieht). In jedem Fall ist dies kurz nach Ende der ers­ten Corona-Welle nicht zu leis­ten. Des­halb läuft die Stu­die — bes­ser gesagt diese Teil­ver­öf­fent­li­chung der­sel­ben, sie ist ja noch im Gange — Gefahr in einen Zwie­spalt zw. Kau­sa­li­tät und Kor­re­la­tion zu gera­ten: Was das meint, das ver­an­schau­licht das bekannte Bei­spiel von den glei­chen Zah­len und Kur­ven zw. Eis­kon­sum und Hai­op­fern über das Kalen­der­jahr — als ob da eine direkte Bezie­hung bestünde. Betrach­tet man das all­ge­gen­wer­tige Ver­lan­gen nach bzw. das Ein­brin­gen von Stu­dien in diverse Nach­rich­ten und Dis­kus­sio­nen würde im Fall »Hai und Eis« sicher­lich irgendwo abge­lei­tet wer­den, dass Eis dick und für Atta­cken anfäl­lig macht, weil man nicht gut und schnell genug schwim­men könnte — durch Über­ge­wicht z. B. usw. 

Die Befra­gung erfolgte übri­gens online — das Sucht­ob­jekt wurde also mit einem poten­ti­el­len Sucht­me­dium erforscht, könnte man spitz­fin­dig ergän­zen. Aber es geht ja um »digi­ta­les Spie­len« und soge­nannte »Soziale Medien« — ambi­va­lent her­aus­ge­pickt wie ein­gangs schon skiz­ziert wurde. Online­um­fra­gen, Onlin­ever­öf­fent­li­chun­gen in digi­ta­ler Text­form sind wohl nicht bedenk­lich … Aha.

Die Stu­die ist im Übri­gen — und das ist nicht als Abwer­tung gemeint — vor allem eine Samm­lung von Quel­len und State­ments. So ver­fah­ren wis­sen­schaft­li­che Arbei­ten regel­mä­ßig — wer im Stu­dium oder am Gym­na­sium eine Fach- oder Haus­ar­beit ver­fasst hat, wird sich dabei wie­der­fin­den. Es geht darum, etwas zu bele­gen, ver­schie­dene Sicht­wei­sen oder bestimmte Erkennt­nisse in Bezug zuein­an­der zu setz­ten. Ob dies für den Begriff »Stu­die« qua­li­fi­ziert, steht dann auf einem ande­ren Blatt — die Methode der Befra­gung und die dazu­ge­hö­ri­gen Ablei­tun­gen jeden­falls sind nicht zwin­gend ein Beleg für die öffent­lich­keits­wirk­sa­men Aus­sa­gen und Schre­ckens­nach­rich­ten (siehe vorher).

Letzt­lich wer­den Quel­len aus der gan­zen Welt zitiert, die mehr oder weni­ger in ihrer Sel­ten­heit und durch ihren ent­fern­ten Ursprung sowie oft zurück­lie­gende Ver­öf­fent­li­chungs­da­ten durch­aus ein Indi­ka­tor sein kön­nen, dass wir in einer glo­ba­len Welt leben. Und, dass For­schungs­be­darf vor­liegt. Aller­dings ließe sich an die­sem Umstand auch ablei­ten, wie schwer es ist, fun­dierte Ergeb­nisse zu erzie­len oder ob sie über­haupt auf den eher ungreif­ba­ren Kom­plex »Medi­en­sucht« bezo­gen erreich­bar sind, es hier also ein defi­ni­to­ri­sches Grund­pro­blem gibt. 

Mit ähn­li­cher Atti­tüde wie die der Pres­se­mit­tei­lung und des eher unre­flek­tier­ten Pres­se­e­chos auf sel­bige könnte man sagen, dass der in der Stu­die vor­ge­tra­gene Befund — zumin­dest, was die Quel­len abseits der Befra­gung angeht — nicht auf wirk­lich soli­dem Fund­am­ten steht oder fast kei­nem. Die Aus­wahl der Quel­len ist selek­tiv: In guten wis­sen­schaft­li­chen Arbei­ten gehört es zumin­dest in Tei­len dazu, Gegen­stim­men ein­zu­brin­gen. Aber ok: Schon die Unter­su­chungs­fel­der oder die poten­ti­ell sucht­er­zeu­gen­den Medien wer­den in der Stu­die nicht defi­niert: Das ist aus wis­sen­schaft­li­cher Erfah­rung des Autors die­ses Blogs eine Über­ra­schung … Nur die kon­kre­ten Platt­for­men der abge­frag­ten Sozia­len Medien zum Bei­spiel wer­den kurz genannt. Das könnte dann so gedeu­tet wer­den, als klam­mere man die defi­ni­to­ri­sche Unklar­heit ein­fach aus, um hier schnell »Etwas« vorzulegen. 

Naja: Die Quel­len sind über­schau­bar, bis­wei­len frag­wür­dig und ideo­lo­gisch vor­be­las­tet. Die Stu­dien mit etwas über 800—1200 Kin­dern bzw. Jugend­li­chen + Eltern­teil erfolgte in stan­dar­di­sier­ter, aber in ihrer Aus­sa­ge­kraft frag­wür­di­ger Weise — anhand übri­gens online (sic!) aus­zu­fül­len­der Fra­ge­bö­gen (/Medien ≈ sic!) und sich stark auf feh­ler­an­fäl­lige Selbst­be­schrei­bun­gen ver­las­sen­der Anga­ben. Die bis­he­rige Ver­öf­fent­li­chung erfolgte zudem vor Abschluss der Stu­die, die Erkennt­nisse könn­ten also spä­ter noch anders ausfallen.

Sind die Ableitungen in Pressemitteilungen, durch die Beteiligten sowie nachgeordnet durch die (journalistischen und privaten) Kommentatoren wirklich in der Studie wiederzufinden?

Oben ist bereits in Bezug auf die vor­lie­gende Stu­die zur »Medi­en­sucht« der Begriff Bären­dienst gefal­len. Und der Ein­druck ver­stärkt sich nun noch: Da geben die Kin­der und Jugend­li­chen näm­lich an, sie wol­len Kon­takte mit Freun­den behal­ten — auch, weil im Zuge des Corona-Lock­downs Kon­takte in natura auf­recht­zu­er­hal­ten, nicht mög­lich ist/war. Die Befrag­ten begrün­det ihre Nut­zung dies­be­züg­lich auch damit, Lang­weile ver­trei­ben zu wollen.

Ist das gleich per se beun­ru­hi­gend und gefähr­lich, wie DAK und die Sucht­be­auf­tragte der Bun­des­re­gie­rung sinn­ge­mäß kom­mu­ni­zie­ren? So gese­hen sind alles Wis­sen­schaft­ler buch‑, lese- oder papier-süch­tig. Oder wir müss­ten von der »Urlaubs­sucht« vie­ler Erwach­se­ner in Deutsch­land spre­chen, die gegen die Gefahr eines erneu­ten Lock­downs unbe­dingt rei­sen müs­sen. Pole­mik, Verzeihung. 

Wie oben bereits erwähnt, der Autor die­ses Blog will nicht gegen Sucht argu­men­tie­ren, er glaubt durch­aus, dass ein Zuviel auch im Medi­en­be­reich (oder das, was meist nebu­lös dafür gehal­ten wird) in vie­ler­lei Hin­sicht pro­ble­ma­tisch ist — denn etwas kommt bei Ein­sei­tig­keit schnell zu kurz: sozial, beruflich/ökonomisch, ästhe­tisch … Aber die kras­sen und damit selbst­ver­ständ­lich öffent­li­ches Gehör fin­den­den Fol­ge­run­gen kön­nen, wie bereits skiz­ziert wurde, nicht ein­fach so durch die Befra­gungs­re­sul­tate getra­gen werden.

Außer­dem leben wir in einer Zeit, in der von vie­len Leute nicht mehr an Fak­ten, Wis­sen­schaft etc. geglaubt wird. Weil sie nicht zuletzt von den vie­len, sich wider­spre­chen­den, sowohl insti­tu­tio­na­li­sier­ten als auch pri­va­ten Kom­mu­ni­ka­to­ren und ihren Bot­schaf­ten über­for­dert sind und die Welt gegen jede Fak­ten­lage als unste­ter und unsi­che­rer wahr­neh­men. In Anbe­tracht die­ses Umstan­des wer­den nun frag­wür­dig über­spitzte Aus­sa­gen in Form die­ser Stu­dien in die Öffent­lich­keit getra­gen ≈ Kin­der und Jugend­lich zeig­ten Auf­fäl­lig­kei­ten in Rich­tung Sucht!

Wis­sen­schaf­tende wol­len sich im Rah­men der Stu­die prä­sen­tie­ren und (berech­tigt — S. H.) zu mehr Medien­kompetenz auf­ru­fen — das Mit­tel: über­spitzte Ablei­tun­gen, wenige Quel­len und eine anfäl­lige Befra­gung im Rah­men eines lau­fen­den Pro­jek­tes. Das ist im Grunde Was­ser auf die Müh­len deren, die an sich in Ver­schwö­run­gen ver­ren­nen, gegen Medien wet­tern und von »alter­na­ti­ven Fak­ten« (»« ≈ ein Oxy­mo­ron) spre­chen. Wenn man also Medien­kompetenz will, dann sollte man auch bei sich selbst anset­zen — als Vor­bild sozusagen. 

Sicher­lich ändert auch diese unkon­krete und unde­fi­nierte Stu­die nichts daran, dass man Medien­kompetenz braucht: Ästhe­ti­sches könnte bes­ser ver­ar­bei­tet, Nar­ra­tion bes­ser ver­stan­den wer­den — nicht nur im Film, in Serien, Büchern, son­dern auch in Bezug auf poli­ti­sches Thea­ter zum Bei­spiel. Soziale Kom­pe­ten­zen wer­den gestärkt — mal das Handy weg­le­gen im Café … Refle­xion wird gestei­gert: Was machen Medien mit mir, ich mit ihnen? Ängste wer­den abge­baut – frü­her war die Welt nicht ein­fa­cher, es wurde nur weni­ger über sie berich­tet. Teil­habe, auch für Erwach­sene, wird mög­lich — koope­ra­tiv mit ihren Kin­dern könn­ten sie Medien gemein­sam erfor­schen usw.

In der Stu­die wird — was Hand­werks­zeug, was Ablei­tun­gen und das Haupt­thema angeht —media­ler Wis­sen­schaft eher gescha­det, als eine breite, öffent­li­che Hin­wen­dung zu prak­tisch-wis­sen­schaft­li­cher Fel­dern wie Medien­kompetenz zu begüns­ti­gen. Wie oben gese­hen wer­den Kli­schees zu den bzw. eini­gen »bösen« Medien regel­recht geför­dert, ein Sün­den­bock­den­ken gerade bei Älte­ren oder unsi­che­ren Men­schen bestä­tigt. Denn es bleibt die Frage, wie Medien da und dort schlecht sein kön­nen, in Form eines online, digi­tal, als PDF ver­öf­fent­lich­ten Reports aber bil­dend und auf­klä­rend sein sol­len. Das ist, aus Sicht des Autors die­ses Kom­men­tars, zu will­kür­lich für eine fun­dierte Auseinandersetzung. 

Um es klar zu sagen, der Autor die­ses Kom­men­tars in Blog-Form ist nicht ein­fach »pro« Gam­ing oder Soziale Medien — auf poten­ti­elle Pro­bleme (aber auch Vor­teile) ist bereits oben ver­wie­sen wor­den. Und: Gerade auch die seri­elle Kom­po­nente bei­der media­len For­men kann die Vor­stel­lung von mög­li­cher Sucht beflü­geln. Zu Seria­li­tät lässt sich hier mehr erfah­ren. Seria­li­tät wurde und wird oft als tri­vial bewer­tet, ist es aber oft gar nicht und ohne­hin all­ge­gen­wär­tig sowie nicht auf den Flim­mer­kas­ten begrenzt: Das Lesen die­ses Tex­tes ist das Ergeb­nis seri­el­ler Pro­zesse zum Bei­spiel. Die unter­such­ten Medien sind durch auto­ma­ti­sche Wei­ter­lei­tung, fort­ge­setzte Geschichte etc. durch­aus — bewusst — dar­auf ange­legt, dass man »dran­bleibt«. Es wäre aber zu ein­fach, die Mach­art pau­schal als gefähr­lich zu ver­ur­tei­len — Dran­blei­ben gibt es ja auch bei wis­sen­schaft­li­chen Jour­na­len zum Bei­spiel. Es gilt, wie gesagt, in etwas nüch­ter­ner Weise sich damit aus­ein­an­der zu setz­ten und eine das Seri­elle ein­schlie­ßende Kom­pe­tenz zu ent­wi­ckeln. Viel­leicht ist näm­lich das Seri­elle hier ein Suchtmacher?!

Bedau­er­lich ist aber auch, dass viele eigent­li­che Pro­fis ihres Faches diese Aus­sa­gen unhin­ter­fragt tei­len. Gemeint ist hier das Presse-Echo. Wir kön­nen hier nicht im Detail auf die Medi­en­bran­che und den Jour­na­lis­mus ein­ge­hen. Es ist hier keine Pres­se­schelte ange­dacht — das ist ja in bestimm­ten Krei­sen der­zeit ein belieb­tes Vor­ge­hen, letzt­lich Aus­druck eines Sün­den­bock-Den­kens. Der Autor möchte daher eine Lanze für sie bre­chen — inves­ti­ga­ti­ver Jour­na­lis­mus ist wich­tig und es gibt ihn auch: Sol­che Medien sind unbe­quem und kön­nen viele Dinge posi­tiv ver­än­dern: Die Werk­ver­träge und Arbeits­be­din­gun­gen in Groß­flei­sche­reien zum Bei­spiel waren ja jahr­zehn­te­lang in den jewei­li­gen Regio­nen bekannt, erst aber der durch Medien her­vor­ge­ru­fene, eben öffent­li­che Druck ver­mochte die Poli­tik nun zum Han­deln bewegen.

Aber die Medien-Bran­che lei­det, der Erfah­rung des Autors die­ses Blogs nach, par­ti­ell unter ihrer Offen­heit. Das darf nicht falsch ver­stan­den wer­den: Klar, kann heute jeder mehr oder min­der pro­fes­sio­nell mit Handy und Co. zum Kom­mu­ni­ka­tor wer­den, sich aus­drü­cken und Mei­nun­gen tei­len. Und das sollte auch nicht abge­stellt wer­den! Aber pro­fes­sio­nelle Berei­che des Medi­en­ma­chens müs­sen umso mehr geför­dert wer­den — denn sie kön­nen mög­lichst sach­lich und fun­diert ord­nen, fil­tern und Zusam­men­hänge erklä­ren. Das ist wich­tig ange­sichts der oben skiz­zier­ten, von vie­len als unstet emp­fun­de­nen Welt. Und dazu braucht es durch­aus inter­dis­zi­pli­näre Per­so­nen, um die Viel­schich­tig­keit und Viel­fäl­tig­keit der Welt abzu­bil­den und zu ana­ly­sie­ren. Es braucht also Jour­na­lis­ten mit Hin­ter­grün­den aus diver­sen Branchen. 

Aller­dings führt das, der Erfah­rung des Autors die­ses Blogs nach, auch dazu, dass Grund­la­gen von Kom­mu­ni­ka­tion, die bei solch pro­fes­sio­nel­len Akteu­ren eigent­lich vor­aus­zu­set­zen wären, nicht vor­han­den sind. Stel­len Sie sich vor, warum man nicht ein­fach so als Arzt oder Jurist arbei­ten kann. Eine par­ti­ell ähn­li­che Hal­tung sollte auch umge­kehrt prak­ti­ziert wer­den, denn der Umgang mit radi­ka­len Kräf­ten einer­seits, die Auf­gabe pro­fes­sio­nel­ler Medien, zu fil­tern und auf­zu­be­rei­ten, ande­rer­seits erfor­dern einen gekonn­ten Umgang auch mit kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zo­ge­nen Din­gen und Mecha­nis­men. Und das wie­derum bedarf geziel­ter Aus­bil­dung bzw. Studiengänge.

Und dazu gehört auch die Hand­ha­bung einer Stu­die wie die hier behan­delte. So ist es zum Bei­spiel immer wie­der über­ra­schend, dass der aktu­elle US-Prä­si­dent und sein pri­va­ter Twit­ter-Account der­art viel Gehör fin­den. Und seine Mes­sa­ges durch gemä­ßigte Kräfte ver­brei­tet wer­den, man sich par­ti­ell zum Hel­fen­den sei­ner kru­den Theo­rien macht. Im kon­kre­ten Fall heißt das, man muss sich mit den Details des Reports aus­ein­an­der­setz­ten, statt das Ganze ein­fach zu über­neh­men. Und diese Über­prü­fung muss Teil der jewei­li­gen Nach­richt sein.

In Bezug auf die vor­lie­gende Stu­die meint dies übri­gens genau eine Umkehr des gerade Geschrie­be­nen: näm­lich, dass eine inter­dis­zi­pli­näre Basis viel­leicht für wei­tere Pha­sen der Stu­die sinn­voll wäre — Kom­mu­ni­ka­ti­ons- und Medi­en­ex­per­ten ein­be­zie­hen. Dann würde viel­leicht mal öfter »Com­pu­ter« hei­ßen und nicht »PC« zum Bei­spiel: Es gibt ja noch andere Anbieter …

Jein: Ja, es wer­den bis­wei­len krasse Schlüsse im Report — in den State­ments und/bzw. der Aus­wer­tung der Umfrage — gezo­gen, die schlag­zei­len­träch­tig sind und dann ein­fach ent­spre­chend über­nom­men wur­den. Nein: Die Anga­ben (und damit auch die Ablei­tun­gen) sind in Tei­len vor­läu­fig (als Teil­ergeb­nisse einer andau­ern­den Stu­die). Die Stu­die zeigt, nüch­tern betrach­tet, nicht unbe­dingt kata­stro­phale Ten­den­zen das Ver­hal­ten Jugend­li­cher betref­fend, aber Ten­den­zen — betrach­tet man die Anga­ben der Befrag­ten, ins­be­son­dere ange­sichts der Corona-Krise und den ange­ge­be­nen Anlie­gen, Kon­takte auf­recht­erhal­ten, Lan­ge­weile abstel­len zu wol­len etc. Und die Stu­die kann durch­aus als unter kli­schee­be­haf­te­ter Vor­be­las­tung und defi­ni­to­ri­schen Schwä­chen lei­dend betrach­tet wer­den. Bei aller Not­wen­dig­keit zur Medien­kompetenz und ange­sichts eines mög­li­cher­wei­sen Zuviels hin­sicht­lich der Nut­zung bestimm­ter Medien: Die Krise hat auch gezeigt, dass die besag­ten Medien die ange­spannte Situa­tion für Kin­der und Jugend­li­che ver­ein­facht haben. Und das muss auch aner­kannt wer­den! Öffent­lich­keits­wirk­sam gelingt es der Stu­die aller­dings, auch auf die Ver­ant­wor­tung der Eltern bzw. deren bedingte Medien­kompetenz zu ver­wei­sen — wenn auch zum Preis einer kli­schee-behaf­te­ten und par­ti­ell uneriö­sen Medienschelte.

Wer hat’s veranlasst? Welche Interessen stecken vermutlich dahinter?

Es ist stets wich­tig, sich in Bezug auf eine Stu­die zu ver­ge­gen­wär­ti­gen, wer und wel­che Inten­tio­nen hin­ter der Arbeit steckt bzw. ste­cken. So kommt eine Stu­die im Auf­trag einer Gewerk­schaft oder einer gewerk­schafts­na­hen Insti­tu­tion sehr wahr­schein­lich zum Ergeb­nis, dass es Benach­tei­li­gung (der Arbeit­neh­men­den) gibt. Eine Stu­die von Arbeit­ge­ber­ver­tre­tern hin­ge­gen wird sehr wahr­schein­lich im Ergeb­nis prä­sen­tie­ren, wie gut es allen geht und wie wenig Arbeit­ge­bende ver­die­nen usw. 

Das muss nicht grund­sätz­lich die dort gewon­ne­nen Erkennt­nisse zu völ­lig sub­jek­ti­ven machen. Das meint eben­falls nicht, dass der­ar­tige Stu­dien kei­ner­lei Blick wert sind. Aber es ist nun ein­mal so, dass Auf­trags­ar­bei­ten zumin­dest unter einem gewis­sen Druck des beauf­tra­gen­den Kli­en­ten ste­hen. Das ist für die aus­füh­ren­den Wis­sen­schaf­fen­den eine stete Grat­wan­de­rung. Das muss man sich und (als nach­ge­ord­ne­ter Kom­mu­ni­ka­tor) auch den Lesern bewusst machen bzw. in einer Ver­wer­tung der Stu­die klar ange­ben oder impli­zie­ren, dass dies die Erkennt­nisse beein­flusst haben könnte.

Und bitte nicht die ver­brei­tete For­de­rung nach Objek­ti­vi­tät an die­ser Stelle den Jour­na­lis­ten (oder Wis­sen­schaf­fen­den) gegen­über ein­brin­gen — sie ist ein theo­re­ti­sches Kon­zept. Jour­na­lis­ten kann nur ein Bemü­hen um Sach­lich­keit abver­langt wer­den. Warum »nur« bzw. warum ist das schon gewal­tig? Denn sie sind Men­schen, davon kann sich nie­mand tren­nen. Inves­ti­ga­tive Medien ver­su­chen die­ses par­ti­elle Unver­mö­gen des Men­schen zu kom­pen­sie­ren, indem sie ver­schie­dene Posi­tio­nen auf­neh­men und ein­an­der gegen­über­ste­hend präsentieren.

Zum kon­kre­ten Fall: Die DAK Gesund­heit, eine Kran­ken­kasse, ist Aufrag­ge­ber der Stu­die. Prä­sen­tiert wurde die Arbeit zusam­men mit der Bun­des­sucht­be­auf­trag­ten. Als Anlass für die Stu­die kann natür­lich echte Besorg­nis — als ein Grund — betrach­ten wer­den: die Sorge vor poten­ti­el­ler Sucht oder zumin­dest einem Zuviel hin­sicht­lich Sozia­ler Medien und digi­ta­len Spielen. 

Aber genau hier tritt in der Stu­die impli­zit ein wohl meist unter­be­wuss­tes Inter­es­sen­feld in Erschei­nung: Der Ver­such, ein Welt­bild zu bestä­ti­gen, bes­ser gesagt, den Sta­tus quo, wel­cher in die­sem Fall vor allem auf einer gewis­sen Furcht vor etwas noch nicht so ganz Ver­stan­de­nem beruht — eine regel­rechte Serie ist dahin­ge­hende im Ver­lauf der Geschichte aus­zu­ma­chen: Schrift, Buch, Foto, Film, Fort­set­zungs­ro­mane, Fern­se­hen, Comics, bestimmte Arten von Musik, Video­spiele, das Inter­net, Soziale Medien, »digi­tale Spiele« … alles war und ist mal für Dumm­heit, Gewalt und sogar For­men von Sucht oder Ähn­li­ches ver­ant­wort­lich gemacht worden. 

Anders gesagt: Wenn man sich mit Krank­hei­ten beschäf­tigt, will man im Zuge einer Stu­die auch Krank­hei­ten haben — wie gesagt dürfte das ein im Hin­ter­grund die­ser Stu­die mehr oder weni­ger mit­schwin­gen­der Kom­plex sein. Paul Watz­la­wick, sei­nes Zei­chens Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­scher, hat ein­mal eine Geschichte erzählt, die in gewis­ser Weise auch auf die­sen Fall anzu­wen­den ist, den Sach­ver­halt illus­triert. Seine Geschichte ist die einer Art sys­te­mi­schen Geschlos­sen­heit und geht in etwa so: Ein Mann sitzt in einem Kran­ken­haus­kor­ri­dor. Zwei Ange­stellte einer psy­cho­lo­gi­schen Abtei­lung erschei­nen und fra­gen ihn, ob er es ist, der von ihnen abge­holt wer­den soll. Das ver­neint der Mann und auch die fol­gen­den, wie­der­hol­ten Fra­gen. Wor­auf sich die Mit­arbeitenden nur bestä­tigt, immer siche­rer füh­len, dass es sich um »den Kan­di­da­ten« han­delt, für den sie ent­sandt wur­den. Denn so müsse doch jemand reagie­ren, der nicht in die »Klapse« wolle, aber gehöre. Im vor­lie­gen­den Fall meint dies, es wird über­all — in allem, was nicht ganz ver­stan­den ist — Gefahr gesehen. 

Natür­lich kann Gefahr besteht — ein Zuviel, das ist bereits mehr­fach gesagt wor­den, ist meist schlecht. Der Autor die­ses Kom­men­tars ist eben­falls der Mei­nung, dass Ein­sei­tig­keit ein Pro­blem sein kann — zu viel zu lesen oder zu viel am Com­pu­ter zu spie­len, kann bei­des in der Iso­la­tion des Zuviel­ma­chen­den mün­den, viel­leicht auch in Sucht!

Jeden­falls: Wer nur liest, ver­sperrt sich den ästhe­ti­schen Erfah­run­gen des Films. Oder erlernt sie nicht. Wer nur Sport macht, bei dem könnte der Kopf zu kurz kom­men usw. Klar, es gibt letzt­lich per­sön­li­che Prä­fe­ren­zen — manch einer liest eben lie­ber, denn einen Film zu schauen. Im Sinne von Medien­kompetenz ist es aller­dings sinn­voll, mög­lichst viele Medien mal gestreift zu haben. Im Sinne einer Art Welt­kompetenz ist es sinn­voll — um zu sou­ve­rä­nen Indi­vi­duen zu wer­den, sich und ande­ren gegen­über ver­ant­wort­lich —, Medien sogar in einem weit­ge­fass­ten Sinne zu begrei­fen: Auch das wurde oben bereits behandelt.

Ist hier ein par­ti­el­les Ref­raming am Werk? Ein — par­ti­ell ande­res — Thema wird in den Vor­der­grund gestellt, um von ande­ren Din­gen abzu­len­ken. Ach­tung, hier ist keine Ver­schwö­rung zu attes­tie­ren, viel zu oft geschieht dies unter­be­wusst und so wahr­schein­lich auch in die­sem Fall: Man sucht sich andere Schau­plätze, weil man die alten nicht mehr ertra­gen kann: Die durch Corona ver­ur­sachte Krise stellt zur Dis­kus­sion, ob es zum Bei­spiel an schu­li­scher Online-Ergän­zun­gen und ‑Kura­tie­rung fehlt und wie oder ob staat­li­che Insti­tu­tio­nen mit mehr oder min­der aus­ge­präg­ten Online­op­tio­nen auf die Krise reagie­ren. Jetzt sind es aus­ge­rech­net aus die­sem Feld stam­mende Dinge, die Jugend­li­che bis­wei­len süch­tig mach­ten? »Gut, dass bald alles wie­der wie frü­her ist …«

Ganz bös­wil­lig möchte man gar behaup­tet, dass hier auf Kos­ten poten­ti­el­ler Gefah­ren ein neues Geschäfts­mo­dell in Form einer Krank­heit erschlos­sen wer­den soll, zumin­dest nach Auf­merk­sam­keit für eine im Gesund­heits­sek­tor ope­rie­rende Unter­neh­mung auf die­sem Wege gegiert wird. Der Auf­hän­ger: die Corona-Pan­de­mie, um durch sie mehr Auf­merk­sam­keit zu erha­schen. Die DAK möchte sich mehr oder weni­ger deut­lich in die­ser PR-Maß­nahme als Ver­si­che­rer prä­sen­tie­ren, der sich für seine Kun­den und die Gesell­schaft, auch mit eige­ner For­schung, ein­setzt. Ins­be­son­dere im State­ment der Vor­stand­vor­sit­zen­den wird dies offen­bar. Dafür spricht zudem, dass der Report zur Stu­die redak­tio­nell (zumin­dest im Impres­sum der Report-PDF) von der PR-Abtei­lung betreut wurde und dass es sich um Teil­ergeb­nisse han­delt; dage­gen, dass die Stu­die schon 2019 ihre Anfänge genom­men hat.

Neu­trale — gemein­nüt­zige — Inten­tio­nen sind sicher­lich vor­han­den: jun­gen Men­schen ein gesun­des Erwach­sen­wer­den zu ermög­li­chen, auch Erwach­sene auf ihre Defi­zite Medien­kompetenz betref­fend auf­merk­sam zu machen. Diese Absich­ten wer­den aber getrübt durch den Umstand, dass es sich in man­cher Hin­sicht bei der Stu­die um PR und eine Selbst­dar­stel­lung einer Kran­ken­kasse han­delt. Und (wie gesagt) metho­di­sche Män­gel sowie über­spitze Schluss­fol­ge­run­gen las­sen sich in der Stu­die aus­ma­chen. Sie bedient kli­schee­haf­tes Den­ken, statt wirk­lich Medien­kompetenz »schmack­haft« zu machen.

Ad Letzt

Ins­ge­samt müs­sen die Schluss­fol­ge­rung aus der Stu­die als über­dra­ma­ti­siert beschrie­ben wer­den — die Teil­ver­öf­fent­li­chung einer fort­wäh­ren­den Stu­die, nach der ers­ten Corona-Welle, könnte eben auch zei­gen, dass junge Men­schen ihre Iso­la­tion und die ungewohnte/unbekannte Situa­tion u. a. mit den im Fokus ste­hen­den Medien zw. »erfolg­reich kom­pen­siert« und »ggf. über­mä­ßig genutzt« bis­her gemeis­tert haben. Der Zeit­punkt die­ser Teil­ver­öf­fent­li­chung trägt über dies den faden Bei­geschmack von Effekt­ha­sche­rei und einer PR-Maßnahme.

Die Stu­die ist — min­des­tens metho­disch, die Befra­gung betref­fend etc. — aus­bau­fä­hig. Die aus­blei­bende Defi­ni­tion der bei­den im Fokus ste­hen­den Medien — »Soziale Medien« und »digi­ta­les Spie­len« — ist ein Feh­ler: Es ent­steht der Ein­druck, die Aus­wahl die­ser Medien und die Prä­misse der Stu­die ist will­kür­lich oder fußt — wohl­wol­lend — auf vor­ge­fass­ten Mei­nun­gen: »Was man nicht kennt, wird als Gefahr mar­kiert.« Den wie unter­schei­den sich den diese Medien von ande­ren? Muss dann nicht auch das Buch genauso süch­tig machend betrach­tet wer­den, gar der Report zur Stu­die selbst?

Natür­lich kann, aber muss das nicht sein: also eine Gefahr durch etwas bzw. die Nut­zung eines Medi­ums. Der Autor die­ses Kom­men­tars — selbst im Medi­en­be­reich auch wis­sen­schaft­lich tätig — kann gerade das Thema Sucht betref­fend und ins­be­son­dere in Bezug auf Medien nur fol­gende Grund­re­geln allen Betei­lig­ten — sowohl was Nut­zer jeden Alters, Wis­sen­schaf­fende, Kom­men­tie­rende als auch den Dis­kurs selbst angeht — ans Herz legen: Ein ein­sei­ti­ges Zuviel ist immer schlecht. Vor­lie­ben soll­ten von Refle­xion und einem Streif­zug durch alle Medien, ein regel­mä­ßi­ges Trai­ning — in Theo­rie und Pra­xis — beglei­tet werden.

Durch die in die Stu­die hin­ein­wir­ken­den Vor­be­halte wer­den quasi gene­ra­ti­ons­ar­tige Kon­flikt betont — Junge gegen Alt, »Die­ses neue Zeug!«. Ins­be­son­dere, indem das Ungreif­bare nun auch noch mit einer Krank­heit asso­zi­iert zu wer­den droht. Das alles hilft — bei aller mög­li­chen ech­ten Sorge — nicht, die, auch aus Sicht des Autors die­ses Kom­men­tars, große Not­wen­dig­keit nach mehr Medien‑, gar Welt­kompetenz zu för­dern. Denn so wird der Schau­platz der Dis­kus­sion ver­än­dert — Rich­tung einer Dis­kus­sion über Krank­hei­ten. Obschon es tat­säch­lich an grund­le­gen­der Medien­kompetenz fehlt. 

Auch die jet­zige junge Eltern­ge­nera­tion betref­fend: Diese soll zwar (so emp­fiehlt die Stu­die) — man könnte sagen, »Wer sonst?« — mit kon­kre­ten Regeln gegen­hal­ten (gegen eine Sucht­ge­fahr), ist aber doch selbst bei Spa­zier­gän­gen, im Restau­rant, am Arbeits­platz, im Park und Kino nicht ohne Gerät in der Hand unter­wegs. Sie wird kaum, auch mit soli­den Ange­bo­ten zur Medien­kompetenz zu errei­chen sein. Das hängt mit dem Habi­tus des Erwach­sen­seins zusam­men (Man fühlt sich abge­klärt), aber auch mit dem all­ge­mein nebu­lö­sen Medi­en­ver­ständ­nis: »Kom­mu­ni­zie­ren kann jeder, ist wie zu atmen!« Dann kann auch jeder Arzt oder Jurist wer­den, könnte trot­zig ent­ge­gen­ge­hal­ten wer­den. Aber klar, ohne Kom­mu­ni­ka­tion und Medien geht nichts und jeder kann es auch, aber noch lange nicht pro­fes­sio­nal und reflektierend. 

Aus­ge­hend von schreck­li­chen Über­schrif­ten zur media­len Sucht, aus­ge­hend von die­ser Stu­die, wird — eltern­sei­tig — womög­lich — egal, wie stark Medien tat­säch­lich genutzt wer­den — reflex­ar­tig noch mehr »gegen Medien« argu­men­tiert wer­den. Die Ver­bote der Kind­heit und ihr Sinn oder des­sen Aus­blei­ben, sind schnell ver­ges­sen. Da schließt sich ein Kreis — der Begriff bleibt dif­fus und von Gene­ra­tion zu Gene­ra­tion geht es wei­ter: Mitt­drei­ßi­ger wis­sen noch, das Com­pu­ter­spiel Half Life war bei Erschei­nen indi­ziert und den­noch oder gerade des­we­gen haben es bei­nahe alle (damals noch vor­nehm­lich Jun­gen) gespielt. Das Ver­bot machte zusätz­lich attrak­tiv. (Heute gilt das Spiel übri­gens als eine Art Mei­len­stein.) Das zwar auch in der Stu­die gefor­derte »Inter­esse zei­gen« für die Welt der Jugend­li­chen wird von der Sucht­ge­fahr und Ver­bo­ten — erneut — über­schat­tet wer­den, befürch­tet der Autor die­ses Kommentars.

Mög­li­cher­weise wird hier sogar noch eine fatale Stei­ge­rung begüns­tigt: Mögen die Medien dann — über Soziale Medien und »digi­tale« Spiele hin­aus und abseits des Buch-Habi­tus — für Kin­der und Jugend­li­che zur Gefahr erklärt wer­den, wer­den die Erwach­sene, sich fata­ler­weise auf ihre Reife ver­las­send, selbe Medien wei­ter­hin nut­zen. Das weckst wei­tere Sehn­süchte und Ungleich­hei­ten … dann wird es bald wirk­lich wie andere legale Sucht­mit­tel gehandhabt.

Die Geschwin­dig­keit von Ent­wick­lun­gen in unse­rer Zeit und die noch nicht aus­ge­stan­dene Corona-Krise haben es längst nötig gemacht, über eine Gestal­tung der Zukunft nach­zu­den­ken. Das heißt auch, über eine Art Kul­tur Media­les betref­fend nach­zu­den­ken, statt sich in Sün­den­bö­cke hineinzusteigern. 

Das wären die Stu­fen für solch einen Prozess: 

  1. Basis: Theo­rie ≈ Was sind Medien? Was machen Medien mit uns und wir mit ihnen?
  2. Prak­ti­sche Basis: Wie ent­steht und wirkt zum Bei­spiel ein Film … wie gelingt Typo­gra­fie? Tip­pen ler­nen, Gestal­tungs­grund­la­gen etc.
  3. Pra­xis I — Ver­hal­tens­wei­sen: Handy unter­wegs mit den Kin­dern mal weg­le­gen oder umge­kehrt mit den Kin­dern mal zocken, um ihre Welt zu erkunden.
  4. Pra­xis II — Ver­tie­fung: Wie weit dür­fen In-Game-Öko­no­mien gehen? …
  5. Zukunfts­ver­trag: Wol­len wir eine Kul­tur des Strip­tease und der Bewer­tung oder ein frei­heit­li­ches, aber sozia­les Mit­ein­an­der, eine sou­ve­rän-gebil­dete Welt … ? 

Dies­be­züg­lich und wie gesagt leis­tet die Stu­die einen Bären­dienst. Medien­kompetenz wird in der vor­lie­gen­den Stu­die zwar gefor­dert, aber das Bewusst­sein dafür mit ebenso bis­wei­len frag­wür­di­gen, sich zwei­fel­los (lei­der — S. H.) immer mehr als üblich erwei­sen­den Mit­teln — mit Pro­vo­ka­tio­nen näm­lich — zu errei­chen ver­sucht. Medien­kompetenz scheint damit die Sache der ande­ren zu sein.

Wäre Medien­kompetenz vor­han­den, wür­den sich zum Bei­spiel nicht typo­gra­fi­sche Feh­ler im Report fin­den las­sen (fal­sche ein­fa­che Anfüh­rungs­zei­chen, keine Leer­zei­chen vor Ein­hei­ten usw.); würde nicht eine Serie von Abur­tei­lun­gen fort­ge­setzt (Schrift — Film — TV — Inter­net …). Und wüsste man mehr von Seria­li­tät, die ja eben­falls oft als tri­vial abge­wer­tet wird, könnte man das Wis­sen über sie nut­zen, um über die seri­elle Anzie­hungs­kraft der unter­such­ten und auch ande­rer Medien zu spre­chen. Das alles, so glaubt der Autor die­ses Blogs, könnte mit einem Fach »Kom­mu­ni­ka­tion« in Schu­len, im Stu­dium und als Erwach­se­nen­bil­dung ver­bes­sert wer­den. Solch einer fun­dier­ten Ver­mitt­lung nähert man sich mit der hier behan­del­ten Stu­die nicht. Schade. Hahn Logo Textende

Texte aus der Feder von …

Dr. Sönke Hahn

Erfahrungsschatz: Über 10 Jahre als ausgezeichneter Filmemacher und Designer — u. a. prämiert mit »Red Dot«, »iF Design Award« und »German Design Award«

Hintergrundwissen: interdisziplinäre Doktorarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar, wissenschaftliche Vorträge und Publikationen im Feld Kommunikation und Medien

kommunikation können. ist mein Antrieb und Motto. Es meint, Sie in Sachen Kom. und Medien unterstützen. Sie können mich zum Beispiel mit der Realisation Ihrer Kommunikation beauftragen. Besser noch: Sie stärken Ihre Fähigkeiten in Sachen Sachen Kom. und Medien — mit meinen Fortbildungen: 

Dr. Sönke Hahn, KOMMUNIKATION