Donald Trump gemäß haben die EU und insbesondere die Staaten des Schengen-Raums nicht genügend getan, um die Ausbreitung des Virus in die USA zu verhindern. In seiner Rede am 12. März 2020 mitgeführt: ein Portfolio an Implikationen oder Meta-Botschaften, mit denen Trump vermutlich aus dieser nicht zuletzt tödlichen Krise einen persönlichen Nutzen zu schlagen versucht. Was steckt in Sachen Kommunikation hinter diesem Vorgehen, der Verlautbarung eines Einreiseverbotes — über einen tatsächlichen Eindämmungs- bzw. Verlangsamungs-Versuch der Krankheitsausbreitung, welche ja zum Zeitpunkt dieser Maßnahme bereits in den USA angekommen ist, hinaus? Eine private Beobachtung.
Trump zufolge handle es sich bei Corona um ein — sinngemäß — »ausländisches Virus«. Dabei einkalkuliert ist wohl die folgende, weiterführende Interpretation: ›Es handelt sich um eine von außen herangetragene Gefahr, zumindest mitverursacht durch einen unzuverlässigen Partner — daher besagtes Einreiseverbot‹. Selbstverständlich kein Wort mehr davon, dass Präsident Trump letzte Woche noch keine Gefahr vom Virus ausgehend beobachten konnte.
In diesem Beitrag soll keine Verharmlosung der Pandemie erfolgen, sie wird nicht auf einen bloßen Anlass oder eine weitere Bühne im politischen Theater reduziert. Auch der unten erfolgende Vergleich von kommunikativen Mechanismen Trumps mit dem seriellen Erzählen am Beispiel von TV-Serien bedeutet keine Relativierung der mit dem Virus verbundenen Krankheit, sondern dient lediglich der Veranschaulichung. Vielmehr geht es in diesem Blog-Beitrag darum, wie Populisten solch eine Situation für ihre eigenen Ziele mehr oder weniger subtil nutzen und welche kommunikativen Mechanismen sie dabei zur Anwendung bringen.
Das alles mag angesichts der tatsächlichen momentanen Gefahr nicht wirklich wichtig sein — aber: In der Hoffnung, dass die Krankheit eine starke Verlangsamung oder Eindämmung erfährt, wird dieser Umstand für eine Zeit danach wichtig — um etwas daraus zu lernen oder schlicht, wie wir gleich sehen werden, damit wir eigennützige Menschen nicht fälschlicherweise auch noch dafür, für ihre Eigennützigkeit »feiern«.
Klar, hier soll nicht der Naivität verfallen werden, dass nicht jeder Mensch irgendwelche eigenen Ziele verfolgt oder Bedürfnisse hat. Es geht darum, wie eine nicht zuletzt, das sei nochmals gesagt, lebensbedrohliche Situation vor allem durch Kommunikation unverschämt für eigene Interessen genutzt wird. Und das bereits während eines noch ungewissen Ausgangs der oder einer Krise.
Das Geschichteerzählen als eigennütziges — bisweilen konkurrenzloses — Instrument
Besagte Maßnahme — das Einreiseverbote, die Geschichte der Schuld im Ausland — gefällt (abseits besagter medizinische Sinn- oder Nicht-Sinn-Haftigkeit, die hier nicht beurteilt werden kann und soll) sicherlich vielen US-Wählern oder Trumps Anhängerschaft. Diese — so macht es regelmäßig den Eindruck (aus Sicht des Autors dieses Beitrags) — ist oft sehr wenig über den Rest der Welt informiert und glaubt, in einer Form von Paradies zu leben. Eine Gefahr von außen ist damit umso glaubhafter und bedient eine bereits etablierte Weltsicht. Was wiederum heißt, im Sinne interpersoneller bzw. individueller Vorbehalte wird solche eine Geschichte nicht als unbequem wahrgenommen — es handelt sich um einen »Confirmation Bias«.
Darüber hinaus bietet solch eine Geschichte folgende »Potentiale« für ihren Agitator:
- Sie — die Geschichte oder Erzählung — lenkt von eventuellen Versäumnissen ab, konkret: in Sachen US-Gesundheitssystem, in Sachen Reaktionszeit bzw. in Sachen Fehleinschätzung durch Trump selbst.
- Sie bietet die Chance, als heroischer Manager oder Führungspersönlichkeit dazustehen, der bzw. die gegen eine ausländische Gefahr agiert. Selbst wenn das nicht gelingen sollte, ist bereits jetzt der Samen gesät, dass die Schuld für ein eventuelles Scheitern woanders zu suchen ist.
- Sie ist eine Fortsetzung der Rivalität zw. den USA und der EU. Ein »Abfärben« soll womöglich erreicht werden — »Das mit der Krankheit bekommen die nicht hin, wie ist es dann um die Qualität ihrer Produkte bestimmt, wie um ihre Ehrlichkeit in den Deals mit ihnen?« Dabei soll der Partner in spe, die Markt-Ausweitung auf Großbritannien sicherlich ebenfalls weiter gepuscht werden. Insofern bedient dieses Vorgehen in vielerlei Hinsicht ein weiteres Narrativ, nämlich das der Alleinstellung der USA zw. einem tendenzielle Isolationismus und gleichzeitiger wirtschaftlicher Globalisierung (eine übrigens paradoxe, aber mit dem narrativen Überbau »America first« bedauerlicherweise bzw. dem Anschein nach gelingende Geschichte).
Serielle Festigung eines populistischen Narratives
Donald Trumps mehr oder minder bewusste Strategie dahinter ist — mal wieder (weil seine Tweets ja auch regelmäßig mit Cliffhangern versehen werden) — eine serielle: die Etablierung eines Narratives, welches serielle Züge trägt, mindestens ein entsprechendes Etablierungsverfahren aufweist: ein Gemisch nämlich aus stagnativer Serialität und einer progressiven Form. ›Auf der Stelle tretend‹ insofern, da wie bei einer klassischen Fernsehserie das bisherig Geschehene stets vergessen wird. Allerdings nicht nur bei den Figuren in der Serie wird nach jedem Abenteuer oder Kriminalfall, nach jeder Episode, alles auf null gesetzt. Sondern in gewisser Weise wird in diesem Fall auch beim Zuschauer oder Wähler ein Vergessen bemüht.
Bei solchen Fernsehserien geht es darum, dass man ohne großes Wissen um die Welt in der Serie (die Figuren erklären sich von selbst, ihre Charaktereigenschaften sind nebensächlich, ihre Beziehungsgeflecht auch) wieder oder gar neu einsteigen kann, ein (weiteres) auf die Episode begrenztes Abenteuer erleben darf. Der regelmäßige Zuschauer freut sich hingegen auf das Immergleiche bzw. die Variation (der Ermittlungsarbeit zum Beispiel) und auf das ebenso begrenzte Vergnügen ohne langwierige Fortsetzung (über die Episode hinaus) — er bzw. sie und div. weiß, was zu erwarten ist.
Das Ansinnen der Rhetorik Trumps ist es nun — quasi weiterführend — von großen bis zu kleinen Themen oder Themen-Abschnitten (dazu gleich) ein partielles Vergessen allerseits zu begünstigen — etwa hypothetisch so: »Was interessiert die letzte Woche und was ich da gesagt haben?« Dort, sozusagen als kleiner Themen-Abschnitt oder als Episode im Feld »Corona«, hatte er die Gefahr noch runtergespielt oder keine gesehen. Das ließe sich auch als Beschwichtigungsmaßnahme interpretieren — denn Panik hilft keinem. Zweifel an dieser Absicht kommen allerdings auf, wenn dann ein starkes Wachstums Erkrankter quasi ausschließlich als von anderen verschuldet sein soll.
Aus einer späten Reaktion ließe sich nun natürlich der Vorwurf machen, Trump habe die Gefahr unterschätzt. Aber bevor es soweit ist oder anders gesagt bevor ein überzeugendes Narrativ von Trumps Kritikern entwickelt werden konnte, wählt Trump wie gesagt eine neue Geschichte bzw. kreiert eine weitere Episode, die natürlich als Blitzableiter fungiert: die Gefahr von außen, der man sich nun heroisch stellen muss, deren Verursacher man ggf. sogar — hypothetisch gedacht — vielleicht wirtschaftlich ›bestrafen‹ müsste.
Abseits einer seriellen Komponente werden hier auch fünf Verfahren von Populisten offenbar, denen von seriösen Politikern oder Kommunikatoren nur schwerlich etwas entgegen zu setzen ist: Schnelligkeit, Verkürzung, selektiver Inhalt, Fantasie und Ignoranz.
Das heißt übrigens nicht, Fantasie sei etwas Negatives. Man kann sie aber, wenn einem Fakten egal sind, oft zügelloser walten lassen und damit besonders Interessantes hervorbringen. Die irrige Annahme, Geschichten seien nur was für Kinder, wird mit Blick auf Kunst, Weltliteratur, Computerspiele oder hochwertige Fernsehserien ohnehin als unzutreffend überführt. Geschichten können lehrreich und manipulativ sein, sie üben in jedem Fall eine Anziehung auf uns Menschen aus. Sie sind zudem ohnehin unumgänglich: Selbst die Straßenverkehrsordnung ist eine Form von Geschichte, die weitgehend verinnerlicht ist, ›überall‹ funktioniert und damit als seriell zu beschreiben ist.
Was gegen Verkürzungen spricht: Komplexes ist oft nicht einfach zu verstehen, man müsste es daher erklären oder »reframen«. Das heißt, man muss Wege finden, komplexe Sachverhalte anschaulich zu machen — etwa, indem man eine Geschichte erzählt. Wie vorhergehend illustriert sind Geschichten ja nicht pauschal etwas Negatives. Das aber ist Arbeit und bedeutet Zeitaufwand — nicht nur auf Seiten jener, die anschaulich aufbereiten wollen, sondern immer auch auf derer, die verstehen wollen/sollen: Vereinfachen ist oft wichtig, stößt aber schnell an die Grenze zur unverhältnismäßig auslassenden Verkürzung. Wir haben schon oben gesehen, in einer globalisierten Welt einer Organisation Schuld zuzuweisen, ist schon, gelinde gesagt, sehr, sehr verkürzt.
Selbst wenn man Versäumnisse benennen wollte (was vielleicht, begründet oder nicht, das kann hier nicht entschieden werden, passieren wird), so muss doch festgehalten werden, dass die EU ebenso wie die USA die sozialen bzw. wirtschaftlichen Folgen von Grenzschließungen etc. hat abwägen oder längst möglich hat herauszögern wollen. Auch ist die EU kein föderaler Staat, sondern eine relativ lockere Gemeibschaft; daher und überdies sind totalitäre Maßnahmen in der EU sowie in den einzelnen Mitgliedsstaaten nicht ohne Weiteres möglich.
Der womöglich eigene Fehler (Unterschätzung des Virus durch Trump) wird durch ein — vermeintliches —von außen angetragenes Problem ersetzt bzw. davon überdeckt, ganz schnell. Und diese Schnelligkeit ist, wenn etwas Hand und Fuß haben soll, kaum zu leisten. Anders gesagt: Während sich Kritiker mit den aktuellen Entwicklungen oder dem letzten Tweet Trumps auseinandersetzten, dort auf den jeweiligen Fakten-Nicht-Gehalt überprüfen, »haut« er schon wieder eine Provokation raus, die das Vorhergehende veraltet oder nichtig, gar kleiner wirken lässt. Nochmal: Die Begründung für das Einreiseverbot ist in Anbetracht einer globalisierten Welt — und das meint nicht nur die oft negativ belegte wirtschaftliche Komponente, sondern vielmehr die Zwischenmenschlichkeit im Sinne einer »Welt als Dorf« — sicherlich eher als dürftig und primär ablenkend zu bewerten.
Würden sich seriöse Menschen für Ihre Fehleinschätzung entschuldigen oder zumindest darauf verweisen, dass die Lage sich rasant verändert habe und nun einsichtig ein anderes Vorgehen erforderlich gemacht hat (eben ein Einreiseverbot), ignoriert Trump das Vorhergegangene eigener Feder ganz. Oder schlägt Kritik oder entsprechende Verweise einfach mit dem gewaltig nachhallenden Vorwurf der Lüge umgehend tot. »Und wer sich dann noch wie die EU rechtfertig, bestätigt letztlich nur, es nicht im Griff zu haben«, so erneut und vermutlich die kalkulierte Außenwirkung. Abgesehen von dieser Ausnahme bleiben Trump und sein Team selektiv bei sich selbst — in diesem Fall sprechen sie quasi ausschließlich davon, was er alles »tut« und der vermeintlich Schuldige nicht getan hat. Was wiederum zum Seriellen zurückführt.
Doch zuvor: Als mehr oder minder strategisch zu beschreiben und damit bedingt als bewusst geplant zu bezeichnen, ist der Gebrauch serieller Formen deshalb, weil Trump zwar zweifellos ein natürliches Talent zum Provozieren und Erzählen hat. Die hier angerissenen seriellen Strategien können, so meine Vermutung, durch ihn sehr wahrscheinlich nicht bewusst benannt werden, möglicherweise vielleicht jedoch durch seinen Kommunikationsstab.
Von stagnierender zur progressiven Serialität — um sich zum Helden zu stilisieren
Trumps Anhänger, und leider nicht nur die, erleben wie in einer Krimiserie und deren Fall der Woche nun eine vermeintliche »Schneidigkeit der Woche«. »Er haut wieder einen neuen Spruch raus!« Was er letzte Woche gesagt hat, interessiert wohl auch die Anhänger nicht wirklich, »es wird schon seinen Grund haben«. Bzw. diese Frage stellt sich auf Grund von vier Faktoren nicht mehr oder nur wenig: Das ist nochmal besagte Geschwindigkeit. Des Weiteren ist eine Personenkultivierung zu beobachten: Abstraktionen wie politische Slogans oder eine Agenda, gar fundierte Konzepte mögen einen Reiz haben (im Sinne von vereinender, allgemeingültiger Ideen), ebenso aber auch Grenzen. Eine »gute« oder, sagen wir, wahrscheinlich bei einer weitgefassten Zielgruppe funktionierende Geschichte fährt nicht schlecht, wenn sie Schurken und Held beinhaltet. Und beides wird hier wie gesehen vermeintlich geboten. Helden nun können — wiederum zeigen viele Filme oder andere fiktionale Geschichten, dass auch vielschichtige Figuren verstanden werden — recht simpel daherkommen oder anders gesagt sehr unterhinterfragt akzeptiert werden.
Dritter Faktor ist die Überbietungen oder Steigerung: »Das mag ja so gewesen sein, aber jetzt ist es viel schlimmer, jetzt haben die anderen versagt und wir müssen es ausbaden«, so vielleicht eine denkbare und erhoffte Reaktion der Trump-Anhänger, wenn sie mit dem Statements der vorhergehenden Woche konfrontiert werden würden.
Noch Unentschiedene könnten zudem von dieser vermeintlichen Souveränität selbst (im Einreiseverbot zumindest dem Anschein nach Ausdruck findend) angezogen werden — so ein weiteres denkbares, aber mindestens fragwürdiges Kalkül angesichts einer sich verbreitenden Krankheit. Erreicht wird dies wiederum durch die extreme Verkürzung — »die da« oder »große Dinge« …
Das in den vorhergehenden Punkten durchscheinende »Immer-Wieder« und »Überbieten« sollen das Image Trumps natürlich stärken oder ausbauen — womit wir zu einer progressiven Form des Seriellen kommen. Das meint, in dieser Form von Serialität baut alles aufeinander auf. Die einzelne Folge ist ein Baustein einer durchgehenden Geschichte.
Und tatsächlich, auf mehreren Ebenen wird hier eine Fortsetzung bemüht: Um eine Fortsetzung handelt es sich beim Narrativ der Gefahr von außen insofern, als dass es vorhandene Weltsichten (siehe oben) fortführt, bedient oder bestätigt — zusammengefasst »Inselstellung USA«, »Sündenbock EU«. Eine progressive Form ist sie auch daher, weil sie eines nicht vergessen machen will, nämlich, wie auch immer das Ganze ausgeht, Schuld sind die anderen. Bei Erfolg ist man aber selbst für selbigen verantwortlich.
Übrigens sowohl stagnativ und progressiv zu beschreiben ist ein hier hineinwirkender oder Unterstützung leistender Mechanismus: nämlich eine Art Gruppendynamik. Die eingefleischten Anhänger einer Ideologie rechtfertigen sich durch ihren angeblichen Sonderstatus, ihren vermeintlich exklusiven Zugang zur Wahrheit, weswegen sie gegen Kritik bisweilen immun werden bzw. unzugänglich werden für begründete Zweifel.
Insgesamt erreicht man so, dass das eine (das Unterschätzen des Virus) vergessen und das andere (der heroische Einsatz) erinnert wird.
Was kann man gegen solchen Populismus tun?
Das alles mag ernüchternd sein, muss es aber nicht: Vielleicht illusorisch und nicht den Gepflogenheiten der Diplomatie entsprechend wäre es in der Reaktion auf Trump durch die EU am Abend des 12. März sinnvoll gewesen, Trumps Stellungnahme der vergangenen Woche (vielleicht bewusst unkommentiert) als Video einzuspielen. Aber wie angedeutet würde auch diese (subtile) Entlarvung Gefahr laufen, durch eingefleischte Anhänger ignoriert zu werden. Bei jenen allerdings, die noch unschlüssig sind, könnten so (über das subversive dargebotene Video) allerdings Zweifel an den Motiven Trumps gesät werden. Denn natürlich sind weder die Anhänger Trumps noch potentielle Sympathisanten pauschal als dumm zu bezeichnen.
Sicherlich wäre es angesichts immer leichter zugänglicher, nicht zuletzt digitaler Bibliotheken sinnvoll, selbige auch zu nutzen, um mehr aus Fehlern und dem Früheren zu lernen — denn da hier Geschilderte ist ja alles andere als neu … Dafür — für solch ein Lernen — ist natürlich ein partieller Bruch mit dem ›Dogma der Schnelligkeit‹ notwendig: Sie wissen schon, sobald was Neues kommt, ist das Alte quasi vergessen. Ohne von Resignation kündende Klischees à la »Schnelllebigkeit unserer Zeit« (oder »Früher war alles besser!«) zu bemühen, bleiben durchdachte Reaktionen oft sinnvoll — auch wenn wie gesehen damit in Fragen der Geschwindigkeit und Lautstärke nicht an Populisten herangekommen werden kann. Zu diesem partiellen Verzicht auf Schnelligkeit gehört auch ein »Weniger-Bühne-Bieten« — welches auch hier in diesem Blog-Beitrag natürlich nicht wirklich unterlassen wurde.
Konzepte statt Personenkult: Zwar ist es schlussendlich menschlich, Projektionsflächen wie Helden oder etwaige Personen der Politik zu verehren oder zu fokussieren. Doch muss dabei immer gefragt werden, ob Personenkult oder ähnliche Phänomene auch wirklich dauerhaft funktionieren – einerseits, weil ohne die Person manches schlicht nicht mehr oder langfristig klappt (etwa, wenn die Person nicht mehr zur Verfügung steht); andererseits, weil Konzepte etc. somit ins Hintertreffen geraten (Das kann natürlich im Interesse von Populisten oder radikalen Kräften liegen, damit die eigenen Ambitionen nicht zu durchschaubar und Feindbilder nicht hinterfragt werden). Alleine die Diskussion um solche Mechanismen bietet — zwar keine Garantie — aber eine Chance, Facetten etwaiger kommunikativer Kreisläufe zu durchbrechen.
Aber wie so häufig in Sachen Bildung: Es geht ja um eine Chance. Insofern sind Medien‑, Kommunikations‑, gar Weltkompetenz zentrale Fähigkeiten — immer schon, jetzt besonderns und zukünfitg. Etwa in Form eines schulischen Faches, das Politik, Deutsch (≈ Narration), Ökonomie und Kunst etc. verbindet = Transferleistungen anregen, über Fachwissen hinaus Fähigkeiten schaffen. Auch als Erwachsenenbuldung.
Heute kann ja jeder selbst zum Produzenten werden. Aus Sicht des Autors dieses Blog aber geht die Schwere zw. professioneller Kommunikation und dem Amateurhaften mehr denn je auseinander. Insofern muss über die Relevanz aufbereitender und erklärender Medien — meist in redaktioneller Form — gesprochen werden. Hier gilt es, Berufsstände zu stärken. Und das meint aus Sicht des Autors auch, die Potenziale spezifischer Studiengänge zu nutzen. Geschulte interdisziplinäre Fähigkeiten, praktisches und theoretisches Wissen und die dazugehörigen Fähigkeiten um Kommunikation herum müssen Chancen erhalten, statt — ohne Abwertung, aber als Überzeichnung — »wissenschaftliches Studium und dann ganz viel Photoshop-Erfahrung« für jemanden der Publikationen betreuen soll (≈ Tenor vieler Anzeigen: Es fällt nicht schwer zu erkennen, die eigentliche Qualifikation ist gelinde gesagt nicht ideal für die eignetlich Aufgabe). Das meint etwa besonders in Bezug auf professionelle Kommunikatoren: Abwägen. Oft werden gerade krude Aussagen Trumps richtigerweise einem Faktencheck unterzogen — und zahlreiche Unwahrheiten entlarvt. Allerdings: Damit wird die krude Aussage auch über Trumps direkte Anhängerschaft hinaus verbreitet. D. h. nicht, dass die Botschaften auch geteilt wird, im Sinne von Zustimmung erfahren. Dennoch erhöht sich die Reichweite — auch weil (Stichwort »Medienkompetenz«) häufig nur Überschriften gelesen werden. Trump — in seiner mehr oder minder bewussten, und zwar seriell-provokanten Kommunikation — würde es sicherlich treffen, wenn weniger Gehör findet. Es wäre nicht die erste »Serie«, die aufgrund mangelnder »Quoten« eingestellt wird.
Insofern bzw. weil Kommunikationsfähigkeiten unabhängig von den eben genannten Stellenbeschreibungen immer schon und heute mehr denn je relevant sind: Nicht nur über Kom. und Medien in einem weitgefasten Sinne gilt es zu sprechen, sondern auch die praktischen Fähigkeiten dahingehend verbessern — eben weil parteill durch jeden realisierbar. Dazu gehört auch über die Art und Weise von Kommunikation zu sprechen: Trotz Effekthascherei und vermeintlicher Schnelllebigkeit muss mehr Komplexität und mehr Erklären gewagt werden. Das ist auch ein Probleme im Angesicht der Corona-Krise, welches die derzeitigen, und zwar reaktanten Reaktionen einiger Demonstrierender begünstigt haben mag. Hier ist nicht der Platz über Corona-Maßnahmen zu diskutieren — Fakt ist, hier liegt eine Situation vor, die so noch nie gegeben war. Es geht um die Rettung von Leben. Und wer trotz dieser Krise demonstriert, kann kaum von eingeschränkter Meinungsfreiheit sprechen.
Aber ein klassisches Problem der Kommunikation ist die Macht der Negation: D. h., das Nichts kann einerseits zu Unverständnis und Unbehagen führen. Lassen Sie also besser den Satz fallen »Kein Problem«. Was ist kein? Und dann gleichsam auch noch von Problem sprechen, wenn ja keines da ist. Man kann eben nicht an etwas nicht denken. Vermeintlich als Widerspruch: Ist das Nichts auch insofenr mächtig, als dass es das Nicht-Passierte ist, das Nicht-Geschehene. Bedauerlich: Ein Terroranschlag schafft Aufmerksamkeit, dessen Verhinderung weit weniger. Wir wollen hier keine Tieranalogien bemühen nach dem Motto Archaisches in uns allen reagiert eben nur auf Geschehen und nicht dessen Aubleiben wie manch Tiere nur auf Bewegung reagieren. Auf den konkreten Sachverhalt bezogen meint das bedauerlicherweise: Wenn nicht zahlreiche Toten sichtbar sind, scheint die Gefahr nicht zu existieren. Darum haben es auch populistische Agitatoreneinfach: Wenn schon alles schief geht (ggf. sogar ein Versagen attestierbar wäre, spielen sie sich als Macher auf — das ist in den USA, bisweilen auch in Großbritanien eindrucksvoll zu beobachten. Das Verhindern hingegen wird mit Mistrauen quitiert. Insofern gilt auch hier, über solche Mechanismen von Kommunikation in einem weitgefassten Sinne muss man aufklären. Oder via TV-Spots zum Beispiel das Grauen der Krankheit präsenter bzw. Sachverhalte illustrativer zu machen. Es ist aus Sicht des Autors dieses Textes ein Fehler der Verantwortlich hierzulande — in Anbetracht gekonnter Eindämmung, weitsichtigen Handelns — nicht sofort mit derartigen Kampagnen aus Regierungshand oder der des Gesundheitsministeriums begonnen zu haben. Es bleibt zu fürchten, dass sich dies — traurigerweise, auch als Zeichen bedingter Medienkompetenz — rächen wird.
Das alles — der Wunsch nach Aufklärung, die hier bemühte Aufklärung — mag nichtdestotrotz allzu sehr idealistisch wirken, da eben Kurzweiliges und Lautes offenbar erfolgreich sind. Dennoch empfiehlt sich, diesem Verhalten nicht hinterher zu laufen, weil es bereits derart verbreitet ist, dass man sich damit nur als Nachahmer entlarvt und schließlich um bereits besetzte Positionen buhlen müsste.
Es gilt vielmehr, einen Mittelweg zu finden: Auch wenn es auf den ersten Blick anspruchsvoll ist, sollten Fakten und/oder Konzepte mit Storytelling, als mit guten Geschichten verbunden werden, um eine Anschaulichkeit und Eingängigkeit herzustellen, ohne auf verfälschende Vereinfachung zu setzen. Und es würde helfen, derartige Diskussionen und entsprechendes Wissen in eine kanalisierte und bewusste Weise zu überführen — wie gesagt in das Fach »Kommunikation« zum Beispiel.
In jedem Fall wünsche ich Ihnen und Ihrer Familien, viel Kraft, vor allem Gesundheit und einen guten Verlauf dieser Krise, sodass wir uns alsbald wieder unserem friedlichen und öffentlichen Leben widmen können.