Corona und die Egomanie des Urlaub-Machens

22. Mrz. 2020

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Die Corona-Krise ist nicht durch sie ver­ur­sacht, aber beschleu­nigt wor­den: Jene, die — ohne es wohl selbst so zu sehen —, »um jeden Preis« Ski fah­ren und Party machen müs­sen; durch jene, die unbe­dingt ihren gebuch­ten Urlaub abru­fen und jene, die »es halt immer so« handhaben.

Meist geht es in die­sem Blog um Beob­ach­tun­gen im Feld von Kom­mu­ni­ka­tion. Um diese wird auch hier der Fall sein. Aus gebo­te­nem Anlass ist die­ser Blog-Bei­trag vor allem ein per­sön­li­cher Kom­men­tar zur Corona-Krise am Ende der drit­ten März­wo­che 2020. Des­halb wird im Fol­gen­den die Ich-Form gewählt.

Zum Thema: Zahl­rei­che Urlau­bende haben das Virus nach Hause gebracht. Das ist wie ein­lei­tend bereits ange­deu­tet keine pau­schale Schuld­zu­wei­sung, vor allem nicht mit Blick auf die Gesamt­si­tua­tion: Der Virus hat sich im Januar und Februar schnell und durch­aus für damals Urlau­bende über­ra­schend ver­brei­tet. Da die Welt nicht nur wirt­schaft­lich glo­ba­li­siert ist, muss wohl davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich Krank­hei­ten nicht auf Dauer lokal begren­zen las­sen (Auch wenn Popu­lis­ten, um mit der Hal­tung »Harte-Hand« zu punk­ten, das behaup­ten). Um aber aus­rei­chende Behand­lungs­mög­lich­kei­ten zu gewähr­leis­ten, den Zusam­men­bruch des Gesund­heits­sys­tems zu ver­hin­dern, ist es sehr wohl sinn­voll, die Ver­brei­tung des Virus zu ver­lang­sa­men. Dazu hätte es auch gehört, dass ange­hende Urlau­ber selbst­stän­dig alle Rei­sen, deren Antritts­da­ten vor drei Wochen, also in der vier­ten Februar-Woche lagen, abzusagen.

Und den­noch: Ende Februar und im März fol­gen­des Bild: Schul­klas­sen fahren/fliegen, weil es eben gebucht wurde, in betrof­fene Regio­nen, zum Bei­spiel in Ita­lien. Ok, die Schü­ler oder Eltern haben sich das Ganze viel­fach sicher­lich müh­sam erspa­ren müs­sen. Und sehr wahr­schein­lich wäre ihnen die Reise nicht erstat­tet wor­den … All das sind zwei­fels­ohne ver­ständ­li­che Gründe, an einer Reise zu hän­gen, auch weil sie im Erwach­sen­wer­den, als Abi-Fahrt etc., Sym­bol­cha­rak­ter hat.

Ohne­hin ist und bleibt Rei­sen wich­tig — trotz der situa­ti­ons­spe­zi­fi­schen Kri­tik hier und der dar­über hin­aus nach­voll­zieh­ba­ren Kri­tik hin­sicht­lich mit dem Rei­se­me­dium ver­bun­de­nen Umwelt­be­las­tung. Warum es wich­tig ist? Um mehr über die Welt zu ler­nen! Denn nicht zuletzt sind die Her­aus­for­de­run­gen unse­rer Zeit und der Zukunft glo­bal, sodass man andere Men­schen ver­ste­hen ler­nen muss und über das eigene Umfeld und die damit ver­bun­dene Sicht hin­aus­wach­sen sollte. Viel­fach funk­tio­niert das nur anhand von Erleb­nis­sen vor Ort. Aber am Ende geht es — jetzt gerade, nicht für immer (Die Krank­heit wird über­wun­den wer­den!) — um die Gegen­über­stel­lung »Urlaub vs. Krank­heit«. Und zwar eine Krank­heit, die eine hohe Ster­be­rate mit sich bringt!

Nichts­des­to­trotz: Bis quasi vor weni­gen Tagen — Aprés-Ski-Par­ties! Senio­ren — beson­ders durch das Virus gefähr­det — flie­gen nach vor 14 Tagen nach Sizi­lien. Wie­der zurück: kein Zei­chen von selbst­auf­er­leg­ter, aber ange­ra­te­ner Qua­ran­täne. Klar, die ita­lie­ni­sche Insel ist keine expli­zite Gefah­ren­zone (gewe­sen). Aber muss das sein? Schließ­lich besteht, über die per­sön­li­che Gefahr hin­aus, das Risiko andere anzu­ste­cken. Oder wich­tige Res­sour­cen zu bin­den: etwa, um jene Per­so­nen, die es sich nicht haben neh­men las­sen, vor ein bis zwei Wochen ins Aus­land zu rei­sen, nun staat­lich koor­di­niert zurück holen zu müssen. 

Übri­gens: Mal abge­se­hen von den War­nun­gen und Emp­feh­lun­gen, nicht zu rei­sen, wurde auf­ge­bro­chen, obschon zahl­rei­che Kul­tur­stät­ten bereits geschlos­sen hat­ten. Was, außer am Strand zu lie­gen, hat man am Urlaubs­ort über­haupt noch gemacht? Aber das ist wohl eine Frage der per­sön­li­chen Prä­fe­renz — oder?

Beson­ders von Ego­zen­trik und man­geln­dem Gemein­schafts­sinn kün­det das Ver­hal­ten einer nicht uner­heb­li­chen Zahl ›spon­ta­ner‹ Urlau­ber: Nach den Grenz­schlie­ßun­gen, nach­dem ihre gebuchte oder Wunsch-Desti­na­tion uner­reich­bar wurde, sind sie rasch auf die inner­deut­schen Inseln gepil­gert. Rau­schende Auto­bah­nen waren das hier im Nor­den! Finan­zi­ell schlecht dürf­ten diese Urlau­ber jeden­falls ange­sichts der bekannt­lich hohen Kos­ten spon­ta­ner Rei­sen und Buchun­gen nicht gestellt sein — warum war dann der Ver­zicht nicht (eher denn im ers­ten Bei­spiel) zu ver­kraf­ten? Übri­gens, auch dann noch wurde gefah­ren, als auch auf den Eilan­den außer Spa­zie­ren­ge­hen und Im-Hotel-Sit­zen eben­falls kaum noch etwas »zu machen« war. Orte his­to­ri­scher oder kul­tu­rel­len Rele­vanz waren auch hier­zu­lande bereits geschlos­sen wor­den. Aber damit nicht genug: Die Auf­for­de­rung abzu­rei­sen, muss dann sogar poli­zei­lich beglei­tet wer­den — obschon man auf den Inseln ein­dring­lich dar­auf ver­wie­sen hat, nicht genü­gend Res­sour­cen für die Behand­lung zahl­rei­cher Kran­ker zu haben.

Mit Blick auf all das könnte man — mei­ner Mei­nung nach — schon von Trotz spre­chen: »Das [den Urlaub] hat man sich ja schließ­lich ver­dient!« Daran soll auch nicht gezwei­felt wer­den, aber offen­bar ist das Bedürf­nis nach Urlaub der­art zemen­tiert, dass kein Preis zu hoch scheint oder bes­ser gesagt, dass nicht mal eine Pan­de­mie einen von die­sem Bedürf­nis abbrin­gen kann. Oder wird die Lage ver­kannt, weil sie einen — in Sachen Kom­mu­ni­ka­tion — nicht erreicht? Oder ist das Ganze ein Sym­ptom eines per­sön­li­chen Zustan­des, der nicht reflek­tiert wird oder den manch einer nicht reflek­tiert haben will? Dazu kom­men wir u.a. jetzt:

Woran liegt diese Egozentrik? 

Oder was ist damit ver­bun­den? Nein, nicht an den Medien, jeden­falls nicht nur. Sie sind nur par­ti­ell mit dem Beschrie­be­nen ver­bun­den. Wie immer geht es in die­sem Blog und damit auch hier darum, eben kein Sün­den­bock-Den­ken zu for­cie­ren. Wie bei vie­len Din­gen, »wie immer« ist es auch in die­sem Fall kom­ple­xer denn schwarz und weiß: Bevor wir also die mediale oder kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zo­gene Kom­po­nente behan­deln, sollte wir uns einem vor­an­zu­stel­len­den Fak­tor wid­men. Die­ser ist wie­derum mit »den Medien« ver­bun­den, aber der Anschau­lich­keit hal­ber vor­her zu nen­nen: freie Entfaltung! 

Denn die oben genann­ten Phä­no­mene sind nicht zuletzt das Resul­tat freier Ent­fal­tung: Ent­fal­tung in Form von Urlaub. Was nicht heißt, dass besagte Frei­heit­lich­keit schlecht ist! Schon gar nicht sollte sie, wie viel­leicht Popu­lis­ten immer schon, nun oder bald mei­nen, aus Sicher­heits­grün­den dau­er­haft ein­ge­schränkt werden. 

Ganz im Gegen­teil wird zu oft ver­kannt, was für ein Pri­vi­leg die freie Ent­fal­tung oder kon­kre­ter Frei­zü­gig­keit unse­rer Zeit ist. Auch im Ange­sicht der Corona-Krise — wo man bedau­er­li­cher­weise bis­wei­len nei­disch auf tota­li­täre Sys­teme und deren Umgang mit der Krise schaut. Die Welt ist viel­fäl­tig! Und in einem Land, des­sen Föde­ra­lis­mus Aus­druck his­to­ri­scher Viel­falt ist, das gleich­sam aber für die Welt grau­same Tota­li­tät her­vor­ge­bracht und erlebt hat, sollte die gegen­wär­tige Frei­heit wert­ge­schätzt werden. 

Folg­lich oder jeden­falls gibt es viele soziale Grup­pen, die in ihrer Spe­zi­fik mal mehr oder weni­ger Kon­takt zuein­an­der haben, viele spe­zi­fi­sche (mediale) Kanäle und Ange­bote. Klar, da gibt es nicht mehr den Film, über den alle spre­chen. Oder so: Alle sind (nicht nur in Zuge von Frei­heit­lich­keit, son­dern auch ent­spre­chen­der Tech­no­lo­gien) immer bes­ser erreich­bar, aber schlech­ter zu errei­chen (dazu spä­ter mehr). Man könnte auch sagen, es gibt nicht die eine, son­dern viele Wel­ten. Inso­fern gehört zur Frei­heit sicher­lich ein gewis­ser Grad an Unge­wiss­heit oder anders gesagt an Kom­ple­xi­tät. Das alles steht anstelle der einst illu­so­risch »gro­ßen Foren« — illu­so­risch, weil die von manch einem heute als ver­lo­ren gegan­gen beklagte gesell­schaft­li­che Homo­ge­ni­tät oft nur dadurch erreicht wurde, dass viele und vie­les unter­drückt oder igno­riert wurde/n. Oder es nur einen statt viele Kanäle gab …

Was ich hier­mit viel­mehr sagen will, ist nicht, dass Frei­heit begrenzt gehört! Ich möchte sagen, dass wir uns ver­ge­gen­wär­ti­gen müs­sen, was mit der freien Ent­fal­tung in einem demo­kra­ti­schen Sinne ein­her­geht: näm­lich, dass diese bei aller mit der Frei­heit ein­her­ge­hen­den und zu akzep­tie­ren­der Unste­tig­keit dadurch ein­ge­schränkt wird/gehört, wenn die indi­vi­du­elle Ent­hal­tung, Würde oder Gesund­heit ande­rer ein­schränkt wird. Dass das im Fall der Corona-Krise in Tei­len so ist, liegt auf der Hand und ist ansatz­weise beschrie­ben wor­den – nur ein paar Worte: Urlau­ber rei­sen wei­ter­hin, ver­brei­ten Infek­tio­nen, iso­lie­ren sich nicht, ver­wei­gern sich bis­wei­len der Rück­reise … und beschleu­ni­gen die Aus­brei­tung, ris­kie­ren die Gene­sung ande­rer. Es geht also darum, dass jeder auch mal dar­über nach­den­ken muss, wann sein frei­heit­li­ches Han­deln in Form vom Urlau­ben andere nega­tiv berührt.

Was haben die Medien damit zu tun?

Wie immer in die­sem Blog gilt auch hier: Medien spie­geln die Welt und prä­gen sie gleich­zei­tig. Punkt. Wir drü­cken — natür­lich nicht nur, son­dern auch — unse­ren indi­vi­du­el­len Ich-Bezug ähn­lich dem reni­ten­ten Urlaubs­be­dürf­nis in ihnen aus. Und sie — nicht nur die ich-bezüg­li­chen Medien — sind viel­leicht für den oder die eine Vor­bild, es ebenso zu machen: »Ich will auch urlau­ben!« Inso­fern sind die Medien hin­sicht­lich Ego­zen­trik (ohne sie, die Medien, dabei pau­schal abzu­wer­ten, denn es gibt viele, eben auch wenig ego-bezo­gene For­men) vor allem ein nütz­li­ches Ana­ly­se­feld, um mehr über uns zu erfah­ren oder kon­kret, warum manch Urlau­ber nicht von sei­ner Reise abzu­brin­gen ist. 

Es gibt nicht nur seit Social Media bzw. den Neuen Medien eine Zele­brie­rung des Ichs: etwa in Form ein­fluss­rei­cher Per­so­nen, die viel schein­bar Per­sön­li­ches von sich geben, an denen manch einer sich ori­en­tiert, es ihnen gleich­tun will. Dass eine gewisse Per­so­nen­kul­tig­keit schon lang­fris­tig, his­to­risch quasi, zu beob­ach­ten ist — im Guten und Schlech­ten —, dass es im Moment einen damals wie heute ambi­va­len­ten, aber gro­ßen Drang zu indi­vi­du­el­len Mei­nungs­füh­re­rIn­nen gibt, sich das alles mei­ner Erfah­rung aber kaum eine/r ver­ge­gen­wär­tig, ver­weist auf Fol­gen­des: wie bedingt die Medi­en­welt oder bes­ser Kom­mu­ni­ka­tion und der Umgang mit ihr ver­stan­den sind und im Bewusst­sein lie­gen. Sicher­lich ist Kom­mu­ni­ka­tion immer zu einem gro­ßen Teil unter­be­wusst und wird es auch blei­ben. Aber Kom­mu­ni­ka­tion war und ist für Men­schen wich­tig, gar zen­tral — beden­ken Sie, ohne Kom. wür­den wir nicht mal die­sen Text lesen kön­nen. Denn durch Kom. wird zum Bespiel Lesen ver­mit­telt und erlernt. Nicht zuletzt auf tech­no­lo­gi­scher Ebene wird Kom. weit­rei­chen­der und immer umfangreicher. 

Aber ein demo­kra­ti­sches Mit­ein­an­der braucht mehr, als nur lesen zu kön­nen oder das Pos­ten einer Mes­sage im Neben­gang zu erler­nen. Kom­mu­ni­ka­tion ist eine Kern­kom­pe­tenz, um mit­ein­an­der klar zu kom­men, Teile besag­ten Unter­be­wusst­seins aus­zu­he­beln und viel­leicht auch, um mehr über sich selbst zu erfah­ren. So würde auch radi­ka­len Kräf­ten in die­ser Krise und im All­ge­mei­nen der Wind aus den Segeln genom­men wer­den – dazu gleich mehr … Vor allem möchte ich sagen: Wenn ein ver­nünf­ti­ger Umgang im Feld der Medien nicht gelingt (Cyber-Mob­bing) und ref­k­lek­tiert wird, warum dann in Sachen Urlaub? Wie so oft in die­sem Blog wird Kom­mu­ni­ka­tion und wer­den Medien weit­rei­chend ver­stan­den — inso­fern ist Urlau­ben auch eine Form von Kom., bis­wei­len ein Medium. 

Zur Situa­tion — wie gesagt aus mei­ner Per­spek­tive, nicht mehr, nicht weni­ger: Zwei bzw. drei medi­en­be­züg­li­che Beob­ach­tun­gen — wie gesagt mit dem Gesamt­kom­plex ver­bun­den, aber gewiss nicht die Medien zur Ursa­che machend — sind zu nen­nen, die durch­aus ein paar Ein­blick in die als Auf­hän­ger die­ses Bei­trags fun­gie­rende »Ego­ma­nie« lie­fern und zei­gen, wel­cher Mehr­wert aus der Betrach­tung von Kom. ent­steht: Schnel­lig­keit bzw. Rau­schen und Ich-Bezug. 

(Mediale) Schnelligkeit bzw. (mediales) Rauschen 

Mobile End­ge­räte und digi­tale Tech­no­lo­gie machen Nach­rich­ten all­ge­gen­wär­tig, immer und über­all. Da sind selbst die Infos über Corona für manch einen nicht mehr als eine Nach­richt unter vie­len — drü­ber geschaut und wei­ter geklickt, ›da kommt schon wie­der was‹ usw. Das ist übri­gens auch ein Grund, warum das Fol­lower-Modell aus Wer­be­per­spek­tive längst in Frage gestellt wird. Erreicht eine Mes­sage bzw. errei­chen ein Post oder Tweet wirk­lich die bis­wei­len Mil­lio­nen angeb­li­cher Follower? 

Kon­kre­ter meint dies sogar zwei­er­lei: Unge­wünschte Nach­rich­ten bzw. nicht mit der eige­nen Mei­nung über­ein­stim­men­den Mel­dun­gen lau­fen gefah­ren, igno­riert zu wer­den (Dazu gleich mehr). Dann kön­nen Nach­rich­ten (hier kon­kret zur Gefahr des Virus und des­sen Ver­brei­tung) schlicht auf Grund der Masse an Mel­dun­gen über­se­hen wer­den und ver­schwin­den in einem Rau­schen.

Die mit der Masse ver­bun­dene Schnel­lig­keit mag ein Grund (unter vie­len wei­te­ren) dafür sein, dass viele Men­schen sich regel­mä­ßig nicht lange mit etwas beschäf­ti­gen kön­nen. Bzw. die­ses Ver­hal­ten mag Aus­druck von (unbe­wusst) prak­ti­zier­ter Schnel­lig­keit oder bes­ser Unste­tig­keit sein. Und das meint wie­der­rum nicht nur, im Kino das Handy nicht aus der Hand neh­men zu kön­nen. Das bedeu­tet auch, abends nicht mehr alleine in der Woh­nung blei­ben zu kön­nen oder, trotz Eigen­heim und Fami­lien, jedes Wochen­ende auf Achse — oder im Kurz­ur­laub — sein zu müs­sen: ein bis­wei­len selbst­auf­er­leg­tes Rau­schen statt eines klas­sisch-media­len (im Sinne von Twit­ter, Buch etc.), könnte man viel­leicht behaupten. 

Woran das liegt, kann hier nicht in Gänze erforscht wer­den. Ich denke, es ist nicht zuletzt ein habi­tu­el­les Phä­no­men: Viele wol­len erzäh­len kön­nen, dort und dort gewe­sen zu sein — am bes­ten via Post auf Sozia­len Medien. Viel­leicht ist die­ses Unstete auch eine Stra­te­gie, even­tu­ell schwe­lende Kon­flikte oder die Aus­ein­an­der­set­zung mit Sinn­fra­gen zu ver­schie­ben … Viel­leicht kreis- oder spi­ral-för­mig ver­stan­den ist der hohe Akti­vi­täts­grad in (auch klei­nen) sozia­len Grup­pen Audruck und Resul­tat zugleich: Manch­mal ist man sich womög­lich regel­recht fremd, um ganz lange ohne Zusatz­fak­to­ren zurecht zu kom­men … jeder, jedes Kind ist über die Woche an sovie­len Stel­len, dass das dichte Zusam­men­le­ben über ein paar Stun­den am Tag hin­aus gar nicht mehr wirk­lich vor­kommt. Wie gesagt, das führt hier zu weit, es kann hier nur gemut­maßt wer­den. Wie gesagt (2), auch ist hier keine Abur­tei­lung von Urlau­ben ange­dacht — deren Rele­vanz im Sinne eines erwei­tern­den Blicks ist ja bereits beschrie­ben worden.

Das alles soll zudem kein Plä­doyer für eine pau­schale Ent­schleu­ni­gung oder eine wei­tere  Sün­den­bock-Suche sein ≈ die angeb­li­che Gefahr des Schnellen/der Schnell­le­big­keit: Schließ­lich steht im All­tag der Schnel­lig­keit auf einer Ebene die Lang­sam­keit auf ande­rer gegen­über — etwa im Ver­hält­nis von gesell­schaft­li­chen oder wirt­schaft­li­chen Ent­wick­lun­gen gegen­über der der Ver­wal­tung. Auch in die­ser Krise wird näm­lich offen­bar, dass man auf die Dyna­mik etwa­iger Situa­tio­nen nicht immer gut vor­be­rei­tet ist ≈ Stel­len verweisen/verwiesen — zunächst — in Sachen Ver­ant­wort­lich­keit wenig ziel­füh­rend auf­ein­an­der, Ablauf­pläne laufen/liefen — zunächst — ins Leere. 

Wobei gleich­sam ein Lob auch, aber nicht nur staat­li­chen Kräf­ten gegen­über aus­ge­spro­chen gehört: Mit­arbeitende in Gesund­heits­äm­tern, in medi­zi­ni­schen Fel­dern, genauso Ver­käu­fern in Lebens­mit­tel­ge­schäf­ten sowie den hin­ter Lie­fe­rung und Pro­duk­tion ste­hen­den Men­schen! Herz­li­chen Dank für Ihr Engagement! 

Kri­ti­siert wer­den sollte — auch weil so eine Krise noch nie dage­we­sen ist — nicht der oder die Ein­zelne, son­dern allen­falls struk­tu­relle Probleme …

In jedem Fall: Es bie­tet sich an, einen gesun­den Mit­tel­weg anzu­stre­ben: So fürch­tete der fran­zö­si­sche Sozio­loge Henri Lefeb­vre in einer pes­si­mis­tisch Tra­di­tion, die mit dem Bau von Auto­bah­nen ver­bun­dene Schnel­lig­keit und Umge­hungs­funk­tion wür­den die Sehens­wür­dig­kei­ten und Cha­rak­te­ris­tika der so pas­sier­ten Orte ver­drän­gen und nur noch anhand eines Schil­des (in D. braun hin­ter­legt) sicht­bar machen. Mög­lich, aber man kommt auch hin, wenn man wollte. In jedem Fall: Viel­leicht also doch mal abfah­ren, mal goo­geln, was es damit (dem Schild) auf sich hat. In die­sem Sinne sollte es immer auch oder zumin­dest hin und wie­der ein Reflek­tie­ren geben, hier vor allem in Bezug auf Kom­mu­ni­ka­tion und ins­be­son­dere das eigene Han­deln. Am Bei­spiel Kom. kann man vie­les über sich und seine Mit­men­schen erfah­ren, daran wach­sen! Idea­ler­weise, so meine Mei­nung, wären dazu ein Schul­fach und eine Form von Erwach­se­nen­bil­dung geeig­net – und sei es nur, um sich danach ein Wenig bes­ser in der Welt zurecht­zu­fin­den, indem man ver­schie­dene Medien vom Video­spiel über Bücher bis Social Media ver­ste­hen und nut­zen lernt, lernt alles in guten Maßen zu genie­ßen, eigene Prä­fe­ren­zen zu erken­nen und auch deren gute wie schlechte Fol­gen zu erkennen.

Nun — im Zuge des seit Jah­ren wach­sen­den Rau­schens oder mit Blick auf Falsch­mel­dun­gen über das Netz, Whats­App und Co. zu Corona — erfor­dert es mehr denn je, Quel­len zu über­prü­fen, sich dafür Zeit zu neh­men, um schluss­end­lich nicht in eine Blase zu gera­ten. Man muss bewusst fil­tern, was wich­tig ist und was nicht! Das kann bis­wei­len ganz ein­fach sein — mal den Cache, die Coo­kies und den Ver­lauf des Brow­sers löschen … Vor allem sollte man sich ange­sicht der Schnel­lig­keit vor der Ver­kür­zung hüten — d.h., »schnei­dige« Über­schrif­ten, kurze Aus­sa­gen, Zusam­men­fas­sun­gen. Das sind Ver­su­che, Klicks zu gene­rie­ren. Auch wenn ich immer der Mei­nung bin, Sach­ver­halte müs­sen gut aus­brei­tet, ggf. anschau­li­cher gemacht wer­den, so muss beim Kür­zen auf­ge­passt wer­den. Auch wenn viele Texte nur über­flie­gen — was ja eine Seite der Medaille ist — ist ein ver­zer­ren­des Kür­zen ebenso pro­ble­ma­tisch (die andere Seite). Gerade des­halb ist die Ver­kürzng ein belieb­tes Instru­ment von radi­ka­len Kräften.

Das ist übri­gens kein Was­ser auf die alten, aber reni­ten­ten Müh­len deren, die stets gegen jedes fun­dierte Wis­sen behaup­ten, »Unter­hal­tung brau­chen wir nicht, wich­tig sind Infor­ma­tio­nen«. Nicht nur ist diese Unter­schei­dung stark anzu­zwei­feln — wer Geschichts­bü­cher liest, wird auch von Infos unter­hal­ten. Das nur am Rande. Auch braucht es Unter­hal­tung in der vor­lie­gen­den Krise ange­sichts vor­erst nicht mehr rea­li­sier­ba­rer Kon­zerte, Kul­tur­ver­an­stal­tun­gen, Fuß­ball­spiele etc. mehr denn je. So wich­tig es ist, Infos zu ver­in­ner­li­chen oder zu reflek­tie­ren, so fatal wäre es, nun in den vier Wän­den zu sit­zen und von Angst zer­fres­sen zu wer­den (oder über­in­ten­siv besagte schwe­lende Kon­flikte aus­zu­tra­gen): Also, warum nicht auch eine gute Serie, ein tol­les Buch, mal eine Komö­die oder einen fes­seln­den Action-Kracher … ?

Etwas zu fil­tern jeden­falls, klingt leicht und ist es gewiss nicht. Weil wir Men­schen dazu nei­gen, unter­be­wusst, das zu igno­rie­ren, was unse­rer jewei­li­gen Welt­sicht nicht passt. Man spricht dann auch von der Über­win­dung einer kogni­ti­ven Dis­so­nanz (Ach­tung, sinn­ge­mäße Wie­der­gabe, keine Iro­nie): »Man hat sich ja so auf den Urlaub gefreut! Mit der Pest sind wir [gemeint also die Mensch­heit an sich] fer­tig gewor­den und nach dem Krieg haben wir die Situa­tion auch gemeis­tert! Da wird der Urlaub jetzt nicht scha­den!«

Ein Fach würde zumin­dest hin­sicht­lich Selbst­re­fle­xion und Fil­tern eine Basis legen — und diese mit Übun­gen stär­ken und ein Über­tra­gung auf andere Lebens­be­rei­che ermöglichen. 

Aber: Wohl auch des­halb — wegen der selek­ti­ven Welt­wahr­neh­mung eines jeden — waren ältere Semes­ter bis zuletzt nicht von ihren Rei­sen abzu­brin­gen. Denn meist sind ältere Mit­bür­ger weni­ger medien-affin, womit sie einem über­mä­ßi­gen Rau­schen à la Social Media ten­den­zi­ell nicht aus­ge­setzt sind. Sie hin­ge­gen sind manch­mal, durch die Ver­la­ge­rung vie­ler (auch seriö­ser) Infos ins Inter­net, eher unter-infor­miert. Bei­des mag — das Selek­tive, die Unter-Infor­ma­tion mögen — dann auch oder wie­derum erklä­ren, warum sich Men­schen älte­rer Semes­ter in der Schlange an der Kasse nicht an den Sicher­heits­ab­stand hal­ten, wäh­rend man selbst, ältere Ver­wandte ver­sor­gend, auf Distanz bleibt, sich und die Ein­käufe gründ­lichst rei­nigt, bevor sie nach Hause gebracht wer­den: »Dann wasch ich mir halt öfter die Hände!«, wird einem dann ent­geg­net, keine Arm­länge vom eige­nen Kopf entfernt.

(Medialer) Ich-Bezug

Gerade das indi­vi­du­elle Aus­drü­cken, das indi­vi­du­elle Sen­den in Form von Pos­tings, Videos, Kom­men­ta­ren etc. zeigt, dass viele ihre per­sön­li­che Weit­sicht sehr schät­zen und ihre Inter­es­sen mehr oder min­der bewusst ver­tre­ten — und sei es, um Pro­dukte über Soziale Medien zu bewer­ben, mehr oder min­der getarnt als per­sön­li­che Emp­feh­lung. Das ist weder gut und schlecht, son­dern ein Zustand — Ich-Bezug ist zudem his­to­risch nach­voll­zieh­bar von Fami­lie über das Gespräch auf dem Markt­platz bis hin zum Netz. Und par­ti­ell ist er im Sinne von Mei­nungs­frei­heit auch ein demo­kra­ti­sches Gut. 

Zu die­sem Kom­plex gehört dann auch Fol­gen­des: per­sön­li­che Kom­mu­ni­ka­tion. Oder die Illu­sion sel­bi­ger über Soziale Medien — oft steht ja bereits ein gan­zer Appa­rat an Per­so­nen hin­ter einem Twit­ter-Account. Und ein wirk­lich per­sön­li­cher Dia­log zwi­schen Account-Hal­ter und Fol­lower bleibt, Assis­ten­ten hin oder her, bei gro­ßer Gefolg­schaft wohl eher die Aus­nahme. Nichts­des­to­trotz wird hier auf eine kom­mu­ni­ka­tive Gewiss­heit ver­wie­sen — näm­lich, dass (wie gesagt mehr oder weni­ger) per­sön­li­che Kom­mu­ni­ka­tion oder das, was man Mund-zu-Mund-Pro­pa­ganda nennt, mehr Gehör fin­det als Kom­mu­ni­ka­tion von Instan­zen (hier viel­leicht Insti­tu­tio­nen oder Minis­te­rien) oder redak­tio­nel­len Medien. Weil uns, wie jeder in Kom.- und Medien-Theo­rie grund­le­gend geschul­ter Mensch weiß, per­sön­li­che Kom­mu­ni­ka­tion stär­ker anspricht, uns unre­flek­tier­ter ver­trauen lässt. Und gerade soziale Medien pro­fi­tie­ren von die­ser Illu­sion gegen­über den eher — vor­schnell, dazu gleich mehr — unper­sön­lich wir­ken­den klas­si­schen Medien à la linea­res Fern­se­hen (unbe­ein­fluss­ba­res Pro­gramm auf dem ›Flim­mer­kas­ten‹).

Des­halb sind wohl mal wie­der und damit auch in der Corona-Krise Ver­schwö­rungs­theo­re­ti­ker erfolgreich, die sich vor die Kamera stel­len und ihre »raf­fi­nier­ten« Ent­hül­lun­gen ebenso »per­sön­lich« an Mann und Frau brin­gen wol­len. Per­sön­lich in Anfüh­rungs­zei­chen, weil You­Tube oder die Neuen Medien letztlich/im Zuge ihrer Eta­blie­rung sehr den klas­si­schen Medien ähneln. Oft als Revo­lu­tion beschrie­ben ist You­Tube viel­fach eine Art mehr oder min­der pro­fes­sio­nel­ler Fern­seh­sen­der oder letzt­lich Dis­tri­bu­tor div. Kanäle gewor­den. Und wie gesagt, ob die Kom­men­tar­funk­tion wirk­lich per­sön­lich ist, darf bezwei­felt wer­den. Zudem: eine pseudo-per­sön­li­che Bezie­hung lässt sich auch in Ver­bin­dung zu einem klas­si­schen Mode­ra­tor ent­wi­ckeln und wurde lange vor der Erfin­dung des Inter­nets dokumentiert. 

Jeden­falls: Raf­fi­niert gehört auch in Anfüh­rungs­zei­chen, da Ver­schwö­rungs­theo­rien — übri­gens eben­falls im Rah­men kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zo­ge­ner Bil­dung erfahr­bar — oft auf einer zur Kau­sa­li­tät umge­deu­te­ten, ver­meint­lich ein­leuch­ten­den Kor­re­la­tion grün­den. Das meint, wir Men­schen brau­chen Mus­ter, um die Welt effi­zi­en­ter zu erfas­sen und um uns nicht mit jedem Detail stets von Neuem aus­ein­an­der­set­zen zu müs­sen. Das ist erst ein­mal so, weder gut noch schlecht. Es kann aber auch nega­tiv wer­den: Ste­reo­ty­pen, Vor­ur­teile etc. Oder eben dadurch, dass man Mus­ter da sucht, wo keine sind, um in schein­ba­rer »Genia­li­tät des Auf­de­ckens« eigent­lich nur die Angst aus­zu­drü­cken, schwarz-weiße Kom­plexe irgend­wie nicht grei­fen zu können. 

Übri­gens in die­sem Zusam­men­hang — mit indi­vi­du­el­ler, aber nicht immer seriö­ser Mei­nungs­äu­ße­rung ver­bun­den — zeigt sich ein­drück­lich, die Rele­vanz pro­fes­sio­nel­ler, redak­tio­nel­ler Medien. Oft durch vor­schnelle und selbst­er­nannte Medi­en­ex­per­ten oder PR-Abtei­lun­gen tot­ge­sagt, sind klas­si­sche Medien in solch einer Krise mehr denn je wichtig.

Klar, auch sie sind bis­wei­len kom­mer­zi­ell oder haben eine Art von Mei­nung, die über den Redak­teur hin­aus viel­leicht eine ganze Abtei­lung und mehr erfasst. Auch läuft bei ihnen oft eini­ges nicht rund. Manch klas­si­sche Zei­tung krankt, mei­ner Mei­nung nach, etwa dran, immer noch hohe Anteile wenig kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zo­ge­ner Berufe oder Berufe mit wenig kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­zo­ge­nem Basis­wis­sen aufzuweisen. 

Den­noch ste­hen bei sol­chen Medien die Chan­cen weit höher, dass Sach­ver­halte fun­diert und mul­ti­per­spek­ti­visch erklärt und durch­leuch­tet wer­den — ohne aus­ge­prägte Effekt­ha­sche­rei und über-per­sön­li­che Emo­tio­na­li­tät, dafür mit einem durch­aus prak­ti­zier­ten Berufs­ethos. Das liegt zudem an bis­wei­len fach­spe­zi­fi­scher Aus­bil­dung (Jour­na­lis­tik, Medien etc.), am Mehrau­gen­prin­zip, an akti­ver Recherche. 

Das etwas trä­gere und nüch­ter­nere Recher­chie­ren mag dann zwar wenig sexy oder cha­ris­ma­tisch sein, da wird weni­ger »auf den Putz gehauen«, ist aber — und auch das kann mit dem Wis­sen über Medien ersicht­lich wer­den — in die­ser Lage oder in Anbe­tracht von kom­ple­xen Sach­ver­hal­ten die bes­sere Wahl! Anstelle (über­spitzt, aber illus­tra­tiv:) jedem mit Kamera, Mikro und Tas­ta­tur aus ganz ande­ren Berufs­grup­pen (die sich eben nicht der auf­ge­wo­ge­nen Auf­be­rei­tung von Infor­ma­tio­nen und Kom­mu­ni­ka­tion ver­schrie­ben haben; die nicht wis­sen, wie Kom. funk­tio­niert; die, wenn ihnen Kom­pe­ten­zen feh­len, nicht geschult recher­chie­ren und lie­ber ihre krude Welt­sicht ver­brei­ten wol­len) kom­mend zuzuhören.

Inso­fern könnte das Wis­sen um Kom­mu­ni­ka­tion zumin­dest hel­fen, dem ein oder ande­ren Het­zer nicht auf den Leim zu gehen; zu erken­nen, was wich­tig ist oder in die­sem Fall mal die Mei­nung Ein­zel­ner das sein zu las­sen, was sie ist: eine von vie­len. Inso­fern ist auch die­ser Blog-Bei­trag nicht mehr oder weni­ger … Aber — naiv oder nicht — bleibt mei­ner­seits die Hoff­nung, hier für etwas Wich­ti­ges zu sen­si­bi­li­sie­ren. Wei­ter geht’s:

Überall keine Kommunikationsbildung

Dass das — das Wis­sen kom­mu­ni­ka­ti­ons­be­tref­fend, die Fähig­keit, gut zu selek­tie­ren — nicht sehr weit ver­brei­tet ist, wird zum einen daran ersicht­lich, wie offen­bar die Krise unter­schätzt wird. Wie gesagt: Nicht nur Rei­sen wur­den weit­hin durch­ge­führt, Infek­tio­nen mit­ge­führt. Dann: Die Schlie­ßun­gen von Schu­len und die Kurz­ar­beit wurde/wird (wohl nur zunächst) in eine Art von Urlaub umge­deu­tet — volle Cafés, vol­les Parks. Dicht an dicht. 

Zum ande­ren oder all­ge­mein, das sei hier der Voll­stän­dig­keit hal­ber erwähnt, wer­den Defi­zite auch auf ande­rer Ebene offen­bar: So wird auf die All­gen­wart des Ich-Bezugs häu­fig reagiert, wie so oft, wenn etwas erfolg­reich ist: Man macht es nach. Daher wird in der Poli­tik jüngst— auch von gemä­ßig­ten Kräf­ten — ver­sucht, ›Kante zu zei­gen‹, am bes­ten in Form einer »schnei­di­gen« Per­son. Das Pro­blem dabei: Man läuft bedau­er­li­cher­weise erfolg­rei­chen Agi­ta­to­ren, die quasi schon den Platz beset­zen, auf den man will, hin­ter­her oder radi­ka­len Kräf­ten, die ohne Wahr­heits­be­zug agie­ren kön­nen. Weil sie eben eine radi­kale Weit­sicht ver­tre­ten und auf Fak­ten in ihrem Drang nach Pola­ri­sa­tion nicht ange­wie­sen sind, kön­nen sie schnel­ler und noch kras­ser, sprich auf­merk­sam­keits-erzeu­gen­der sein. Inso­fern sollte auch auf inhalt­li­cher Ebene ein Nach­ei­fern nicht ange­strebt wer­den. Und viel­leicht hebt man sich schließ­lich genau dadurch ab, etwas nicht zu tun, was alle machen.

Zurecht ließe sich nun ein­wen­den, wir müs­sen auch die Nut­zer­brille auf­set­zen: Sprich, wir kön­nen uns die Welt nicht machen, wie sie uns gefällt. Rich­tig, es gibt einen Trend zum Per­so­nen­kult, der nicht zu igno­rie­ren ist. Ander­seits offen­bart der Trend zum Ich auch — gerade für gemä­ßigte poli­ti­schen Grö­ßen inter­es­sant —, wo in Sachen Bil­dung zu han­deln wäre. Weni­ger aus eige­nem Inter­esse denn im Sinne eines kon­struk­ti­ven Dis­kur­ses: So könnte die Corona-Krise spä­ter ein­mal als Anlass die­nen, dar­über zu reden, wie bei allem Ich-Bezug, der natür­lich in jedem Men­schen mehr oder weni­ger vor­han­den ist, besagte Gren­zen zur Ego­ma­nie über­schrit­ten wer­den. Oder wie Medien funk­tio­nie­ren und wo der Unter­schied zwi­schen Fake News und redak­tio­nell recher­chier­ter Bericht­erstat­tung liegt. Oft, das sei gesagt, ist diese Dif­fe­renz näm­lich für geübte Beob­ach­ter recht offensichtlich … 

Natür­lich müs­sen auch seriöse Kom­mu­ni­ka­to­ren etwas ändern — Stich­wort im All­ge­mei­nen: »mehr Sto­rytel­ling wagen«. Geschich­ten zu erzäh­len, sollte nicht Radi­ka­len über­las­sen wer­den. Geschich­ten kön­nen für Gutes genutzt wer­den. Denn wir Men­schen sind stets geschichts-affin— und nicht nur als Kind. Das zeigt unser gro­ßes Inter­esse an Büchern, Fil­men etc. Was in Geschich­ten ver­packt wird, bleibt bes­ser hän­gen, leuch­tet mehr ein!

Aber bereits am Bei­spiel Trump hab ich in einem wei­te­ren Bei­trag ver­sucht zu zei­gen, dass auch Sto­rytel­ling als Stra­te­gie weder ad hoc funk­tio­niert. Noch wird es das Geschich­ten­er­zäh­len mit popu­lis­ti­schen »Vor­tei­len« wie besag­ter Schnel­lig­keit zum Bei­spiel auf­neh­men kön­nen. Das aber führt an die­ser Stelle zu weit — Sto­rytel­ling in sei­ner gan­zen Dimen­sion kann über den Appel an eine Gemein­schaft und ihren Zusam­men­halt und ihr Mit­ein­an­der hin­aus in die­ser Situa­tion, in der Corona-Krise, nicht in Gänze funktionieren. 

Was aber immer ein Teil von Sto­rytel­ling ist, das ist Strin­genz. Und die­ses Kom­po­nente sollte auch in die­ser Krise Anwen­dung fin­den: Selbst — wenn hier, zur Anschau­lich­keit wohl­ge­merkt, natür­lich Inhalt­lich oder mit Blick auf die Fall­höhe Äpfel und Bir­nen ver­gli­chen wer­den — in einer kom­ple­xen Serie wie »Lost« (Zopf­dra­ma­tur­gie, para­doxe Zeit­struk­tu­ren, Ensem­ble viel­schich­ti­ger Figu­ren) bleibt einer Form von Strin­genz erhal­ten: Man weiß quasi, erreicht durch einige bestän­dige Figu­ren oder sogar noch all­ge­mei­ner eine ver­läss­li­che, wenn auch äußerst dyna­mi­sche Erzähl­struk­tur (offene Erzähl­weise, Unter­stüt­zung durch Rück­blen­den oder Zusam­men­fas­sun­gen), »wie der Hase läuft«. Unter­stüt­zung fin­det das natür­lich auch durch einen fes­ten Sen­de­platz, ein ein­deu­ti­ges Bran­ding usw. 

Was heißt das nun für die Krise? Wie die freie Ent­fal­tung Grenze hat, wer­den hier die Gren­zen des mit Frei­heit­lich­keit anver­wand­ten Föde­ra­lis­mus sicht­bar: Gren­zen inso­fern, dass mit ihm Reak­ti­ons­zei­ten und ins­be­son­dere eine strin­gente Kom­mu­ni­ka­tion lei­den. Was wie­derum nicht heißt, »Schluss mit der Indi­vi­dua­li­tät von Regio­nen etc. und her mit durch­ge­hend zen­tra­len Regie­run­gen«. Es geht um Opti­mie­rung. Des­halb auch vor­weg: Aus mei­ner auch pro­fes­sio­nel­len Per­spek­tive her­aus ist es durch­aus gut gelun­gen, die Gefah­ren des Virus und die Rele­vanz der Maß­nah­men zu kom­mu­ni­zie­ren. Wie gesagt auch mit unter­stüt­zen klas­si­scher bzw. redak­tio­nel­ler Medien. Und wie gesagt: Dass viele die Bedeu­tung der Krise den­noch zunächst nicht ver­ste­hen, ist meh­re­ren Fak­to­ren geschuldet.

Was die Durch­füh­rung, aber vor allem die Kom­mu­ni­ka­tion von Ent­schei­dun­gen und der Umset­zung etwa­iger Maß­nah­men angeht, wirkt es aller­dings oft, als würde man sich in Klein­staat­lich­keit ver­lie­ren. Dadurch wird Unsi­cher­heit begüns­tigt und eine Ver­trau­ens­ver­lust in die exe­ku­ti­ven Stel­len ris­kiert. Hier wären statt­des­sen eine Abspra­che und ein gemein­sa­mes Kom­mu­ni­zie­ren sinn­voll. Aber das ist leich­ter gesagt, denn getan. Viel­leicht emp­fehlt sich für künf­tige Situa­tio­nen zumin­dest lan­des­spe­zi­fisch eine Art schnell­ein­grei­fen­des Gre­mium zu kre­ieren inklu­sive weit­rei­chen­der — kom­mu­ni­ka­ti­ver — Kom­pe­tenz. Sodass zw. Gemein­den, zwi­schen Bun­des­län­dern nicht zu viel Dis­kre­panz ent­steht bzw. abwei­chend kom­mu­ni­ziert wird: Denn auch wenn heute Ent­fer­nun­gen kom­mu­ni­ka­tiv schrump­fen, sind die Pro­blem­lage hun­derte Kilo­me­ter von der Lan­des­haupt­stadt in sel­bi­ger oft nicht so recht bekannt. In die­sem Rah­men sollte man sich viel­leicht auf wenige, aber pro­fes­sio­nelle Kom­mu­ni­ka­ti­ons­or­gane kon­zer­tie­ren, die wie­derum regel­mä­ßig (um Ver­traut­heit und eben Strin­genz zu begüns­ti­gen) Sta­tus-Berichte abgeben …

Bevor aller­dings aller­seits in diese Kerbe (etwa­ige kom­mu­ni­ka­tive Defi­zite Ver­ant­wort­li­cher betreffend) geschla­gen wird, was mit Blick auf die skiz­zierte (und sicher­lich kei­nes­falls abzu­wer­ten­den) Frei­heit­lich­keit oft schnell, manch­mal lei­der auch zügel­los geschieht, sollte bedacht wer­den, dass diese Situa­tion (einer der­ar­tige Virus-Ausbreitung) so noch nicht dage­we­sen ist. Es sollte rein mensch­lich den Ver­ant­wort­li­chen gegen­über auch eine gewisse Unsi­cher­heit dar­über, was das Rich­tige ist, zuge­stan­den wer­den. Auch sollte — noch­mals — dar­auf ver­wie­sen wer­den, dass die mit dem Föde­ra­lis­mus ver­bun­de­nen Pro­bleme nicht grund­sätz­lich die damit ver­bun­dene Viel­fäl­tig­keit — oft auf klei­nen Raum, von Gemeinde zu Gemeinde, Stadt zu Stadt etc.— in Frage stellen.

Verantwortung übernehmen

Schluss­end­lich ver­an­las­sen mich meine Beob­ach­tun­gen und meine bis­he­ri­gen Aus­füh­run­gen dazu, mehr Kom­mu­ni­ka­ti­ons­bil­dung zu erhof­fen. Übri­gens bevor es heißt, ich han­delt hier aus Eigen­in­ter­esse. Mir ist eine solide und fun­dierte Bil­dung in Sachen Kom­mu­ni­ka­tion wirk­lich wich­tig, um ein Mit­ein­an­der zu gewähr­leis­ten und ein Kri­sen-Manage­ment zu begüns­ti­gen, mehr über die Welt und sich zu erfah­ren. Wenn es sie als Schul­fach geben sollte, es dar­über hin­aus kaum noch von pri­va­ten Anbie­tern nötig ist: umso bes­ser! Und zudem gibt es viele Anbie­ter, mir ist es gerade egal, ob ich auf der Liste stehe!

Klar, der­zeit gibt es Wich­ti­ge­res denn Kom.-Bildung. Selbst der Auf­hän­ger die­ses Tex­tes, das Behar­ren auf Urlaub, wirkt eher wie ein sozia­les (-päd­ago­gi­sches) Pro­blem. Aber mein Ver­ständ­nis von Kom­mu­ni­ka­tion schließt dies ein — wie gesagt, wenn wir uns geziel­ter etwa mit dem Trend à la Influen­cer aus­ein­an­der­set­zen, wird uns viel­leicht bewuss­ter, wie schön und hilf­reich Ori­en­tie­rung gebende Ein­zel­per­so­nen bzw. Cha­rak­tere sein kön­nen, wie schwie­rig aber auch der Gehalt man­cher ihrer Aus­sa­gen sein kann. Und wie wir uns viel­leicht ab und an zu sehr um uns selbst dre­hen — auch das meine ich in einem erwei­ter­ten Sinne: Damit wir nicht trotz Kom­mu­ni­ka­ti­ons­wege um die ganze Welt nur noch zulas­sen, was uns in unse­rer per­sön­li­chen Welt in den Kram passt und uns per­sön­lich wich­tig ist!

Die auch zum Guten nutz­ba­ren, oft frei­ver­füg­ba­ren Mög­lich­kei­ten nicht zuletzt des glo­ba­len Net­zes sind es auch, die mich — über die For­de­rung nach besag­tem Fach und das skiz­zie­ren etwa­iger Defi­zit auf Grund des Feh­lens eines sol­chen Faches hin­aus — zu fol­gen­dem per­sön­li­chen Hin­weis ver­an­las­sen, der expli­zit nicht als Schuld­zu­wei­sung gedacht ist: Jene, die sich den Urlaub nicht spa­ren konn­ten UND jene, die sich im Wulst von Popu­lis­ten nicht den Fak­ten-Gehalt die­ser Krise zuge­führt haben, sollte sich, alle Defi­zite in Sachen Kom­mu­ni­ka­tion zum Trotz, nicht irgend­wann vor­schnell in Aus­re­den flüch­ten. Die womög­lich oder sehr wahr­schein­li­che Rate Toter sollte nicht dazu ver­lei­ten, zu behaup­te­ten, dass die poten­ti­el­len Ent­wick­lun­gen nicht von Sei­ten Ver­ant­wort­li­cher deut­lich genug gemacht wur­den. Mag es auch Defi­zite geben, jeder hat Ver­ant­wor­tung nicht nur für sich, seine Ange­hö­ri­gen, son­dern auch die Gesell­schaft, in der er/sie/div. lebt. Das heißt auch oder noch ein­mal, sich selbst rich­tig zu infor­mie­ren oder auch ent­spre­chende Fähig­kei­ten eigen­stän­dig und zumin­dest par­ti­ell zu erlernen. 

Wie bei jeder Her­aus­for­de­rung sollte es schluss­end­lich — AUCH, nicht nur — darum gehen, aus der Erfah­rung zu ler­nen. Doch vor­erst wün­sche ich Ihnen herz­lichst: Blei­ben Sie gesund! Hahn Logo Textende

Texte aus der Feder von …

Dr. Sönke Hahn

Erfahrungsschatz: Über 10 Jahre als ausgezeichneter Filmemacher und Designer — u. a. prämiert mit »Red Dot«, »iF Design Award« und »German Design Award«

Hintergrundwissen: interdisziplinäre Doktorarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar, wissenschaftliche Vorträge und Publikationen im Feld Kommunikation und Medien

kommunikation können. ist mein Antrieb und Motto. Es meint, Sie in Sachen Kom. und Medien unterstützen. Sie können mich zum Beispiel mit der Realisation Ihrer Kommunikation beauftragen. Besser noch: Sie stärken Ihre Fähigkeiten in Sachen Sachen Kom. und Medien — mit meinen Fortbildungen: 

Dr. Sönke Hahn, KOMMUNIKATION