Gedanke: Was ein moderner Gemeinschaftsdienst für eine Gemeinschaft bringen kann …

11. Apr. 2019

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Gedanke: Was ein moderner Gemeinschaftsdienst für eine Gemeinschaft bringen kann …

Warum das Ende von Wehr- und Zivil­dienst nicht nur hin­sicht­lich der Nach­wuchs­frage für Bun­des­wehr und Sozial- und Pfle­ge­dienste ver­hee­rend ist; warum ein Gemein­schafts­dienst für ein Mit­ein­an­der von Geschlech­tern (m/w/div.), für ein Auf­ein­an­der­zu­kom­men unter­schied­lichs­ter Men­schen und Milieus, damit auch für die Inklu­sion von Men­schen mit Behin­de­rung sowie für die nach­schu­li­sche Selbst­fin­dung und damit das Ver­rin­gern der Zahl ihr Stu­dium Abbre­chen­der wich­tig sein kann.

Keine Frage, Spaß war es nicht — vor allem in den ers­ten Wochen. Da wäre man gerne abge­hauen, bereute, sich doch nicht an einen Arzt des Ver­trau­ens gewandt zu haben, um dem Gan­zen mit irgend­wel­chen Attes­ten zu ent­kom­men. Aller­dings ist man auch — posi­tiv gese­hen — etwas „rum­ge­kom­men“. Die Meis­ten damals sicher­lich nicht auf dem Niveau eines Back­pa­ckers, nicht durch die halbe Welt rei­send. Schon gar nicht wurde das dazu­ge­hö­rige Urlaubs­fee­ling erfah­ren. Aber immer­hin inner­halb Deutsch­lands waren ein bis zwei Sta­tio­nen fern der ehe­ma­lige Schule, des Eltern­hau­ses und der Hei­mat­stadt mög­lich. In mei­nem Fall waren es sogar diverse Metro­po­len Euro­pas, sogar Haifa in Israel — im Zuge von drei Mona­ten und 6800 See­mei­len an Bord des Segel­schul­schiffs „Gorch Fock“. Wenn auch diese Reise meist von Arbeit geprägt war — bis auf die weni­gen Stun­den „freien“ Land­gangs. Ich war also ein „Bundi“.

Und ja, ich würde es im Bezug auf die Arbeit selbst nicht noch ein­mal machen wol­len, bereue es aber auch nicht. Ich habe nicht nur einiges/einige Orte, wie gesagt, gese­hen, son­dern Men­schen aus ganz Deutsch­land (und weit dar­über hin­aus) ken­nen gelernt — Men­schen aus dif­fe­ren­ten Milieus, die ich wohl nie getrof­fen hätte. Die trau­rige Wahr­heit ist doch, wenn Sie ehr­lich sind, ob gewollt oder nicht, es gibt schon so etwas wie Milieugren­zen. Abitu­ri­en­ten und damit häu­fig spä­ter Stu­die­rende umge­ben sich mehr oder min­der bewusst mit Men­schen ähn­li­chen Hin­ter­grunds — das gilt für andere Grup­pen natür­lich genauso. Und den­noch, seit mehr als 14 Jahre haben sich einige Kon­takte aus jener Zeit bei der Deut­schen Marine erhal­ten und wer­den wei­ter­hin gepflegt …

Hinzu kommt, wäh­rend die­ser Zeit habe ich ernst­haft über­legt, bei der Bun­des­wehr zu blei­ben. Klar, die Grund­aus­bil­dung, das Geschrei/die strik­ten Befehle (übri­gens auch von Frauen, die als Unter­of­fi­ziere und Offi­ziere bereits damals in der Marine nicht sel­ten waren), die bis­wei­len selt­sa­men und anti­quier­ten Rituale (Gruß, Mus­te­rung, Wecken — „Reise, Reise, Auf­ste­hen!“) wirk­ten abschre­ckend. All diese Fak­to­ren hät­ten — wäre der Dienst frei­wil­lig gewe­sen — womög­lich bei vie­len, mich nicht aus­ge­nom­men, zum Abbruch des Gan­zen geführt. Aber so funk­tio­nierte es bekannt­lich nicht: Wer es ver­suchte, den brach­ten die Feld­jä­ger zurück.

Aber ohne­hin und siehe da: Nach eini­ger Zeit gewöhnte man sich plötz­lich an die­sen bestimm­ten Kos­mos und seine Eigen­ar­ten, ein wenig so wie man sich (bzw. ich spä­ter an Bord) an die See­krank­heit gewöhnt. Das klingt krass? Kei­nes­falls, denn mal ehr­lich, ist es nicht über­all so: In die­ser Abtei­lung macht man fol­gen­des, in der ande­ren eben ande­res. Dort hält man sich ein Plas­tik­tier­chen für eine Ins­tra-Story, die ande­ren gehen ein­mal im Monat zum Ita­lie­ner. Dort wird sich geduzt, da par­tout nicht usw. Inso­fern kann hier auch die denk­bare Kri­tik zurück­ge­wie­sen wer­den, man habe mich und die ande­ren gebro­chen. Es war schlicht so, dass man erkannte, der raue Umgangs­ton hat ein­fach eine gewisse Ritua­li­tät, gar Effi­zi­enz, die nichts Böses will. Ande­rer­seits — trotz Hier­ar­chie und Ränge — wurde durch­aus respekt­voll mit­ein­an­der umge­gan­gen, Ver­ant­wor­tung für andere gepflegt und erwar­tet. So war es zumin­dest mei­ner Erfah­rung nach.

Inso­fern und dar­über hin­aus mit steu­er­freiem Ein­kom­men und bezahl­tem Stu­dium ist die Bun­des­wehr damals (für mich) wie heute ein mehr als attrak­ti­ver Arbeit­ge­ber (gewe­sen) — wenn da nur nicht das man­gelnde Ange­bot an Stu­di­en­gän­gen gewe­sen wäre. Im heu­ti­gen und damals bereits voll im Gange befind­li­chen Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter fehlt es an nicht zuletzt für die Funk­ti­ons­fä­hig­keit der Bun­des­wehr selbst not­wen­di­gen — und wohl auch die zahl­rei­chen Bera­ter unse­rer Gegen­wart über­flüs­sig machen­den —Stu­di­en­rich­tun­gen: z. B. Kom­mu­ni­ka­tion und Medien — sehen Sie sich mal den Inter­net­auf­tritt der Streit­kräfte, die Wer­be­vi­deos zur Gewin­nung etwa­igen Nach­wuch­ses an oder ana­ly­sie­ren Sie das Geba­ren bezüg­lich der Infor­ma­ti­ons­po­li­tik zum wäh­rend einer Übung ent­stan­den Moor­brand 2018. Inso­fern wurde es nichts mit mir und der Bun­des­wehr. Den­noch, der Ver­weis auf Kom­mu­ni­ka­tion zeigt es, wäh­rend des Wehr­diens­tes wurde mir immer kla­rer, in wel­che Rich­tung es spä­ter gehen sollte — und das spä­ter tat­säch­lich (nach Pflicht­prak­tika im Vor­feld und Auf­nah­me­prü­fung) rea­li­sierte dem­entspre­chende Stu­dium hat dann auch ohne über­durch­schnitt­li­che Abbruch­ge­dan­ken erfolg­reich geklappt!

Nach die­ser per­sön­li­chen Betrach­tung folgt nun als Lis­tung — aus dem oben Genann­ten her­aus­ge­ar­bei­tet sozu­sa­gen — inwie­fern ich glaube, dass ein Gemein­schafts­dienst gesamt­ge­sell­schaft­lich einen Mehr­wert zu gene­rie­ren ver­mag. Fol­gende Aspekte soll dies­be­züg­lich behan­delt werden:

Ins­ge­samt lässt sich vor­an­stel­len: Eine Gesell­schaft, die natur­ge­mäß im Infor­ma­ti­ons­zeit­al­ter frag­men­tiert ist — mehr Mei­nun­gen wer­den ver­brei­tet, dif­fe­rente Grup­pen kön­nen kom­mu­ni­zie­ren, defi­nie­ren sich, gren­zen sich bis­wei­len ab, was im Übri­gen weder gut noch schlecht sein muss, eher als grau­stu­fig oder ambi­va­lent beschrie­ben wer­den sollte —, könnte im Zuge eines sol­chen Diens­tes eine milieu­über­grei­fende soziale Schnitt­stelle erhalten.

Warum eigent­lich „Gemein­schafts­dienst“? Ob das Ganze nun so hei­ßen muss, sich etwas Bes­se­res fin­det — nageln Sie mich bitte nicht dar­auf fest. Die pri­märe Idee hin­ter dem Begriff respek­tive die­sem Kon­zept ist aber, dass er/es ohne den büro­kra­ti­schen (und damit kos­ten­in­ten­si­ven) Ver­wei­ge­rungs­pro­zess aus­kom­men sollte. Schon damals musste man nur goo­geln und fand einen mehr oder weni­ger gelun­ge­nen Vor­druck, um etwa­ige Gewis­sens­gründe anzu­ge­ben, sodass sich wahr­schein­lich — nach einer behörd­li­chen Prü­fung — der Wehr­dienst erüb­rigt hatte. Der Gemein­schafts­dienst nun will keine Wer­tung zwi­schen Wehr- und Zivil­dienst vor­neh­men, begreift bei­des als gleich­wer­tige Alter­na­ti­ven und ver­steht beide Berei­che als frei wähl­bare Optionen.

„Gemein­schafts­dienst“ ist auch des­we­gen ein vor­läu­fig sinn­vol­ler Begriff, weil er alle Geschlech­ter und soweit mög­lich alles Behin­de­rungs- bzw. Ein­schrän­kungs­grade, alle eth­ni­schen, sozia­len Hin­ter­gründe und Reli­gio­nen etc., kurz alle Men­schen umfasst. Denn damals war die soge­nannte Wehr­un­ge­rech­tig­keit sehr aus­ge­prägt und sorgte für Dis­kus­sio­nen: Von den nur von der Mus­te­rung betrof­fe­nen Män­nern mei­nes Jahr­gangs wurde z. B. mehr als die Hälfte aus­ge­mus­tert, also schlech­ter als „T2“ ein­ge­stuft — dar­un­ter zahl­rei­che Sports­ka­no­nen oder jene, die kurz­zei­tig eine Zahn­spange tru­gen, gar jene, die sich gerne einem der Dienste zuwen­den woll­ten … Wohl auch des­halb und nun mit noch grö­ße­rem Abstand zu den „Zei­ten einer Wehr­pflicht“ fällt der einst geleis­tete Dienst mehr und mehr unter den Tisch: Kran­ken­kas­sen ver­ges­sen regel­mä­ßig, die geleis­tete Zeit ein­zu­be­rech­nen, jün­gere Leute fra­gen sich und Sie, warum Sie (als Wehr- oder Zivil­dienst­leis­ten­der, aber ohne daran zu den­ken) quasi Monate bis zu einem Jahr hin­ter Alters­ge­nos­sen her­hin­ken … Und damit kom­men wird gleich zum ers­ten Punkt:

Gleichberechtigung — m/w/div.

Alle Geschlech­ter — kurz alle Men­schen zw. 17–21 — soll­ten aus­nahms­los am besag­ten Dienst teil­neh­men müs­sen. Denn Fami­li­en­pla­nung wird heute rich­ti­ger­weise so ver­stan­den, dass alle am Kind Betei­lig­ten ver­ant­wort­lich sind und für die Erzie­hung Zeit opfern müs­sen und sich, gesetz­lich gere­gelt, sel­bige auch neh­men kön­nen. Inso­fern sollte auch das Argu­ment, Frauen auf Grund einer even­tu­el­len Schwan­ger­schaft vor­aus­ei­lend von die­sem Dienst aus­zu­neh­men oder nur einen Dienst für Män­ner zu initi­ie­ren, fal­len gelas­sen wer­den. Zudem ist das Kin­der­krie­gen weder Pflicht noch Gewiss­heit. Zudem wer­den im Zuge der Gleich­be­rech­ti­gung auch die Pro­bleme immer geschlechts­über­grei­fen­der. D. h. nicht, dass sie durch Gleich­be­rech­ti­gung erst ent­stan­den sind, son­dern frü­her ein­fach „unter den Tisch gekehrt“ bzw. unter­drückt wurde — etwa Gewalt oder Alko­hol­ex­zesse eini­ger aller Geschlechter.

Ins­ge­samt wer­den Ungleich­hei­ten also erst ein­mal durch den umfas­sen­den Ein­be­zug aller und damit auch nicht nur aller Geschlech­ter ver­mie­den. Dann und das ist hier ent­schei­dend: Im Zug des Diens­tes sol­len junge Leute im Alter von 17—21 etc. (je nach Schu­lende) mit ande­ren (Geschlech­tern, Alters­grup­pen, sons­ti­gen Hin­ter­grün­den etc.) in Kon­takt kom­men. Natür­lich sind der­ar­tige Erleb­nisse auch schon je nach Schule und Region sowie wei­te­rer Umstände (Eltern­haus, Akti­vi­tä­ten, Erleb­nis­sen etc.) längst erfah­ren wor­den und soll­ten es auch sein — Schü­ler sind nicht iso­liert bzw. von der Welt abge­schnit­ten, zudem gibt es bei­spiel­weise immer mehr inklu­sive Schul­for­men. Aber die auch in höhe­ren Klas­sen und damit bei erwach­se­nen Schü­lern oft unver­bind­li­chen Cha­rak­ter­züge des Schu­li­schen (eben weil es noch kein Berufs­all­tag ist und sein soll) wür­den hier auf ein neues Level gebracht bzw. eine adäquate Stei­ge­rung erfah­ren: Abseits vom ers­ten Arbei­ten im Team rund um (maxi­mal even­tu­ell zuge­loste) schu­li­sche Refe­rats­part­ner müss­ten die jun­gen Erwach­se­nen — etwa­igen Vor­be­halte ande­ren gegen­über zum Trotz — mit­ein­an­der beruf­lich aus­kom­men, gemein­sam etwas leis­ten — sei es in der Kom­pa­nie oder im Pfleg­team. Men­schen, die Vor­ur­teile haben, wären also bis­wei­len gezwun­gen, sich beruf­lich und damit in einer gewis­sen (sozia­len) Pro­fes­sio­na­li­tät unter ande­rem mit ande­ren Geschlech­tern, mit Men­schen, die sich nicht in „klas­si­sche“ Geschlechts­schub­la­den drän­gen wol­len, aus­ein­an­der zu setzen.

Das klingt nach Zur­schau­stel­lung? Das ist aber kei­nes­falls gemeint und würde auch nicht prak­ti­ziert wer­den: Es geht hier ja gerade darum, (Geschlechter-)Rollenverständnisse, etwa­igen aus der Distanz (ohne jemand „der so ist“ über­haupt zu ken­nen) her­aus gepfleg­ten Kli­schees usw. nicht Folge zu leis­ten. Das soll dadurch erreicht wer­den, indem das je nach Per­spek­tive Andere min­des­tens im Rah­men des Diens­tes — in einem posi­ti­ven Sinne — keine Rolle spielt und „nur“ mensch­lich ist. In die­sem Zusam­men­hang zeigt sich das Poten­tial, wie ein Außen­fak­tor, eine Auf­gabe, ein Pro­blem (und sei es nur der rup­pige Aus­bil­der) Men­schen — quasi über einen Umweg — zusam­men­bringt und letzt­lich den Abbau von Vor­ur­teile begüns­ti­gen kann! Da wird dann bis­wei­len auch ganz schnell sicht­bar, wie wenig Unter­schiede es zwi­schen Geschlech­tern, dif­fe­ren­ten Hin­ter­grün­den etc. wirk­lich gibt. Damit ist dann eben keine Gleich­ma­chung gemeint — noch­mal: Wenn bei­spiels­weise ein Befehl oder eine Arbeits­an­wei­sung aus­ge­ge­ben wird, ist all das, was sonst doch so fremd scheint, näm­lich recht (posi­tiv!) egal, denn nur gemein­sam ist das Pro­blem anzu­ge­hen! Und so könnte in einer zwei­ten Phase quasi ver­in­ner­licht wer­den, dass die Anders­heit der „Ande­ren“ doch gar nicht so aus­ge­prägt ist oder Viel­fäl­tig­keit sogar ein Vor­teil ist …

Zwang zur Zusam­men­ar­beit ist immer so eine Sache, klar — aber bezüg­lich des Diens­tes geht es ja nicht um ein Enga­ge­ment für die Ewig­keit, auch sind keine über­mä­ßi­gen Gefah­ren für Leib und Leben (durch die Arbeit) zu erwar­ten. Zudem ist die Not­wen­dig­keit, mit ande­ren zusam­men zu arbei­ten und zu leben, ganz all­täg­lich, demo­kra­tisch — und sei es nur, dass ein jeder sich daran erin­nert, selbst nicht belei­digt oder ange­fein­det wer­den zu wol­len, so sollte er/sie/div. dem­entspre­chend nicht ande­ren gegen­über agie­ren. Natür­lich muss bezüg­lich „Zur­schau­stel­lung“ rea­lis­tisch geblie­ben wer­den: Dis­kus­sio­nen der Teil­neh­mer wer­den statt­fin­den oder viel­leicht auch nicht … Auch das ist demo­kra­tisch, es kommt aber auf eine Streit­kul­tur mit Gren­zen an: Dies­be­züg­lich soll­ten mit Dienst­be­ginn, am ers­ten Tag, Spiel­re­geln nicht nur hin­sicht­lich der kon­kre­ten Tätig­keit ver­mit­telt wer­den. Viel­mehr soll­ten Grund­pa­ra­me­ter des Erwar­te­ten und damit min­des­tens Tole­ranz beinhal­ten­den Umgangs unter­ein­an­der ver­mit­telt wer­den. Nach einer sol­chen Ein­füh­rung soll­ten auf die Theo­rie sogleich Taten fol­gen: „Ihr seit Pfle­ge­kräfte, es spielt keine Rolle, wel­ches Geschlecht Ihr habe, es zählt, was Ihr könnt und macht und min­des­tens Eure Einstellung!“

Als Ein­streu­ung wäre es dies­be­züg­lich auch sinn­haft, — denn ich höre die Frage schon kom­men —, geschlechts­spe­zi­fi­sche Toi­lette abzu­schaf­fen. Zuhause, in klei­nen Betrie­ben geht es auch ohne. Zudem mutet es schon bizarr an, einer­seits von Eman­zi­pa­tion diver­ser Men­schen zu spre­chen, ander­seits jenen, die sich nicht für ein Geschlecht, eine Schub­lade ent­schei­den wollen/es nicht kön­nen, ein Geschlecht beim Toi­let­ten­gang auf­zu­zwin­gen. Nicht zuletzt wür­den so auch erheb­li­che Inves­ti­tio­nen im Sani­tär­be­reich erspart …

„Erwachsenwerden“

Auch ein Bei­trag zum „Erwach­sen­wer­den“ könnte durch solch einen Dienst geleis­tet wer­den — ein def­tig wir­ken­des, aber ein­gän­gi­ges Bei­spiel mag dies illus­trie­ren: In den ers­ten Tagen beim Bund hieß es damals, man mache Män­ner aus uns … Damit wurde nichts Anrü­chi­ges gemeint, son­dern schlicht gesagt, dass der Auf­fas­sung der Aus­bil­der nach viele ehe­ma­lige Schü­ler bisweilen/in Tei­len noch recht unselbst­stän­dig, etwa ver­hät­schelt wären. Womit übri­gens nicht gemeint war oder hier ist, die jun­gen Leute seien „schwach“, „dumm“, „ver­weich­licht“ oder gänz­lich „unreif“ — daher auch das Erwach­sen­wer­den in Anfüh­rungs­zei­chen: Erwach­sen­sein ist ohne­hin schwer zu defi­nie­ren. Auf Men­schen mit 17–21 bezo­gen: Sie sind ein­fach jung und das ist gut so! Dazu gehö­ren sicher­lich auch Fehl­tritte, weni­ger frei­wil­lig sind man­che Jugend­li­che auf Grund div. Umstände an den Rand der Gesell­schaft gedrängt, muss­ten sich um Dinge küm­mern, die sie als Her­an­wach­sende nicht hät­ten machen müssen/sollen und konnte dafür andere Skills nicht aus­bil­den. So gehörte in das „Bun­des­wehr-Mann­wer­den“ eben auch — ja, Sie lesen rich­tig — Klei­dungs­pflege (Nähe, Bügeln), Pünkt­lich­keit und vor allem höf­li­che und respekt­volle Umgangs­for­men sowie pro­fes­sio­nel­les Team­play (≈ man muss sich nicht lie­ben, um zusam­men zu arbei­ten) zu ver­mit­teln. Das alles war für viele — noch­mals ohne hier die dama­lige oder heu­tige Jugend abwer­ten zu wol­len, aber doch dar­auf ver­wei­send, dass nicht alles, was im Leben bis­wei­len wich­tig ist, in Schule und Eltern­haus, gar in Aus­bil­dung und Stu­dium zu ver­mit­telt ist — Neu­land! Ähn­lich würde auch der Gemein­schafts­dienst also — das Beschrie­bene ließe sich auf alle Geschlech­ter, diverse mensch­li­che Unter­schiede über­tra­gen — ein uni­ver­sel­les Wis­sen, quasi all­täg­li­che Fähig­kei­ten fes­ti­gen, ver­mit­teln oder zumin­dest anre­gen, sodass ein demo­kra­ti­sches und bun­tes Mit­ein­an­der begüns­tigt wer­den kann …

Orientierung und Impressionen

Die­ses insti­tu­tio­na­li­sierte Zwi­schen­jahr, zwi­schen Schule und Aus­bil­dung, Stu­dium oder beruf­li­chen All­tag, würde — eben durch eine neue Per­spek­tive im Rah­men des hier vor­ge­stell­ten Diens­tes — eine Gele­gen­heit sein, neue soziale Ein­drü­cke zu sam­meln, ggf. neue Orte ken­nen zu ler­nen. Ein sol­cher Dienst ist in Tei­len viel­leicht auch eine Gele­gen­heit, zu sich selbst zu fin­den, um — soweit das doch über­haupt je mög­lich ist — zu erfah­ren, wer man ist oder sein will. Zumin­dest hin­sicht­lich einer poten­ti­el­len Berufs­wahl, glaube ich, kann diese „auf­ge­zwun­gene“ Bedenk­zeit als unter­stüt­zende Maß­nahme zur Selbst­ori­en­tie­rung gewer­tet wer­den. In der Kon­se­quenz könnte womög­lich die Zahl derer, die eine Aus­bil­dung oder ein Stu­dium abbre­chen, redu­ziert werden.

Die damals über­sicht­li­che und womög­lich heute (bei Ein­füh­rung eines Gemein­schafts­diens­tes) nicht wesent­lich höhere Bezah­lung in Wehr- und Zivil­dienst war bzw. könnte über­dies eine Mög­lich­keit sein, eine erste finan­zi­elle Selb­stän­dig­keit zu erfah­ren. Gerade die „freie“ (eben vom Lohn abge­zo­gene, aber doch nied­rig berech­nete) Kost und Logis beim Bund erlaubte zumin­dest damals, etwas Sold zu spa­ren. Womög­lich, ange­sichts wach­sen­der Lebens­er­war­tung und damit noch genü­gen­der Lebens­zeit für die Berufs­welt, könnte auch noch nach dem ein­jäh­ri­gen Gemein­schafts­dienst die Welt bereist wer­den — finan­ziert durch die­sen Dienst, das damit Ersparte.

Miteinander und Vielfalt

An die­ser Stelle ließe sich gleich an den vor­her­ge­hen­den Punkt anschlie­ßen. Diese durch den Dienst erreichte, ggf. für viele Men­schen erste Selb­stän­dig­keit hin­sicht­lich eines, wenn auch über­schau­ba­ren Ein­kom­mens, könnte einen sozia­len Effekt haben. Auch jene, die nicht von Zuhause gespon­sert wer­den kön­nen oder wäh­rend des Stu­di­ums ins Aus­land wollen/können (weil sie viel­leicht gar nicht beab­sich­ti­gen zu stu­die­ren), sowie jene, die kein Work-and-Tra­vel-Visum erhal­ten, erhiel­ten die Gele­gen­heit, klei­nere Rei­sen zu finanzieren.

Aber es muss gar nicht unbe­dingt in die Ferne geschaut, das Ende des Diens­tes abge­war­tet wer­den. Denk­bar wäre auch eine gewis­ses „Umse­hen“ im Rah­men des Diens­tes selbst, näm­lich in Form einer Dienst­stelle in Deutsch­land abseits der (schu­li­schen) Hei­mat. Dabei denke ich gar nicht an die bis­wei­len gegen­wär­tig wie­der auf­kom­mende, und zwar plumpe Hei­mat­rhe­to­rik, son­dern ein von mir selbst erleb­tes Ost—West- wie auch Nord—Süd-Gefälle. Dabei geht es gar nicht um wirt­schaft­li­che Dif­fe­ren­zen, son­dern oft wenig aus­ge­präg­tes Wis­sen, wie man „dort“ lebt und wie es „da“ aus­sieht. Ein sol­ches Defi­zit könnte also ange­gan­gen wer­den und damit der Hori­zont des oder der Ein­zel­nen erwei­tert werden … 

Wie bereits erwähnt kann die­ser Dienst ver­schie­dene Men­schen mit­ein­an­der in Bezug set­zen. Neben dif­fe­ren­ten Geschlech­tern wären hier auch Men­schen mit Behin­de­rung, im Sinne einer Inklu­sion, ein­zu­be­zie­hen. Ja, das ginge auch bei der Bun­des­wehr: Denn im Büro oder der Ver­wal­tung ist auch mit Ein­schrän­kun­gen zwei­fel­los ein in nichts nach­ste­hen­der Bei­trag zu leis­ten. Die Viel­fäl­tig­keit der Gesell­schaft könnte durch die­sen Dienst also abge­bil­det und als Dienst an der Gemein­schaft auf sel­bige ange­wandt wer­den. Die oben beschrie­bene (natur­ge­mäße, nicht pau­schal zu nega­ti­vie­rende) Frag­men­tie­rung der Gesell­schaft soll (und darf) durch die­sen Dienst gar nicht ein­ge­schränkt wer­den. Viel­mehr soll eine Schnitt­stelle unter­schied­lichs­ter Grup­pen und Indi­vi­duen geschaf­fen wer­den. Wie unter „Gleich­be­rech­ti­gung“ ange­deu­tet, soll eine posi­tive Ega­li­tät mög­lich wer­den, die die Indi­vi­dua­li­tät des Ein­zelne akzep­tiert, aber bzw. des­halb im Sinne eines Zusam­men­le­bens auf eine selbst­ver­ständ­li­che Basis sozia­len Umgangs besteht und zudem einen sozi­al­ver­träg­li­chen Leis­tungs­ge­dan­ken (eben unab­hän­gig von Geschlecht, Rasse (ein ungüns­ti­ger Begriff ≈ schließ­lich gibt es keine mensch­li­chen Ras­sen, son­dern nur Men­schen), Reli­gion, Behin­de­rung etc.) betont! Und schließ­lich könnte sich der ein/die eine oder andere ent­schlie­ßen, auch zu bleiben …

Nachwuchs für Bund und Sozialbranche

Ganz banal könnte — wie mit dem oben getä­tig­ten Ver­weis auf meine kurz­zei­tige Über­le­gung, doch zu blei­ben, bereits ange­deu­tet wurde — die­ser Dienst die Nach­wuchs­pro­bleme bei der Bun­des­wehr, aber auch zum Bei­spiel im Pfle­ge­be­reich ange­hen. Die Bun­des­wehr ver­sucht sich — wohl auch auf Grund wenig kom­mu­ni­ka­ti­ver Eigen­kom­pe­tenz — an action­las­ti­gen Wer­be­clips, die einer­seits ein Mate­ri­al­ni­veau illus­trie­ren sol­len, wel­ches nicht der Rea­li­tät ent­spricht, und ander­seits ein frag­li­ches Publi­kum anspre­chen. Selbst die weit über­durch­schnitt­li­che Bezah­lung und der Kata­log wei­tere Ver­güns­ti­gun­gen scheint nicht genü­gend Nach­wuchs zu moti­vie­ren. Das Pro­blem ist zudem, dass viele der offen­bar über­schau­ba­ren Zahl Frei­wil­li­ger oft nach kur­zer Zeit, ohne über den oben beschrie­be­nen Punkt der Gewöh­nung, möchte ich behaup­ten, hin­weg gekom­men zu sein, aus­stei­gen. Und umge­kehrt meint dies, dass womög­lich viele blei­ben und behal­ten wer­den, deren extreme Ansich­ten eigent­lich nicht zum demo­kra­ti­schen Kon­zept des „Bür­gers in Uni­form“ pas­sen.
Ähn­lich ver­hält es sich im Bereich sozia­ler Dienste. Die geringe Ach­tung die­ser Berufs­grup­pen bei gleich­zei­tig — mit wach­sen­dem Anteil älte­rer Men­schen — grö­ßer wer­den­der Not­wen­dig­keit einer stär­ke­ren Per­so­nal­de­cke im Pfle­ge­be­reich könnte auf die­sem Wege ange­gan­gen wer­den, min­des­tens der Beruf (durch Selbst­er­fah­rung) auf­ge­wer­tet wer­den.
In bei­den Fäl­len wäre der Pflicht­dienst also sinn­voll, weil zumin­dest so lange geblie­ben wer­den würde, bis der Ent­schluss, so etwas nicht machen zu wol­len, end­gül­tig wird. Oder es wird, für die Nach­wuchs­frage rele­vant, erkannt, dass der Job gar nicht so schlecht ist und/oder ein unge­ahn­tes, ein schlum­mern­des Talent realisiert.

Jetzt fra­gen Sie, zu Recht, was hat die­ser Bei­trag mit Kom­mu­ni­ka­tion zu tun? Auf den ers­ten klas­si­schen Blick (Medien als Buch, Kom­mu­ni­ka­tion als Anruf etc.) nicht viel, auf den zwei­ten umso mehr: Es gibt nichts außer­halb von Medien und Kom­mu­ni­ka­tion: Jedes Gespräch, der Super­markt­ein­kauf, „Erzähl­wei­sen“ in Jura und Medi­zin, „Regeln“ einer sozia­len Gruppe oder einer Gesell­schaft usw. Wir alle befin­den uns stän­dig in Medien und nut­zen sie: Zuhause ver­hält man sich anders, darf sich anders geben als auf der Arbeit, darf man dort das „Medium“ Wohl­fühl­hose nut­zen, ist es da ein No-Go …
Und klar, Teile solch einer Rhe­to­rik wir­ken irgend­wie ganz schön ver­al­tet — „Pünkt­lich­keit“, „respekt­vol­ler Umgang“ etc. Die Begriffe sind häu­fig ange­staubt, aber was mit ihnen ver­bun­den wird, ist mehr als aktu­ell. Es geht näm­lich darum in einer, wie gesagt, immer klein­tei­li­ge­ren Gesell­schaf­ten, die „Kol­li­sion“ man­nig­fal­ti­gen Grup­pen auf fried­li­che Weise zu ermög­li­chen, ein Mit­ein­an­der über even­tu­elle Dif­fe­ren­zen hin­weg zu för­dern: Alter­na­tiv könnte man von „Tole­ranz“ und als Stei­ge­rung „Akzep­tanz“ spre­chen. Denn obschon klei­ne­rer selbst­be­wuss­ter, eigene Geschich­ten nut­zen­der und vor­be­rei­ten­der Berei­che kön­nen über die Netz­werke unse­rer Zeit „die Ande­ren“ immer zumin­dest ober­fläch­lich betrach­tet oder kon­tak­tiert wer­den: Was sich wie­der­rum von der Aus­for­mung etwa­iger Kli­schees über den Abbau von Vor­ur­tei­len bis zu einem Aus­tausch erstre­cken kann. Wie gesagt ist diese Frag­men­tie­rung nichts Schlech­tes oder pau­schal Gutes — es bedeu­tet, sehr ver­kürzt, dass Men­schen, die frü­her (in der strik­ten Nach­kriegs­zeit etwa) unter­drückt wur­den, nun ohne Furcht und statt­des­sen selbst­be­wusst auf­tre­ten kön­nen; es heißt auch, dass es die soge­nann­ten „Stra­ßen­fe­ger“ (abseits etwa­iger Fuß­ball­über­tra­gun­gen) nicht mehr gibt, also Fern­seh­sen­dun­gen, die quasi alle Men­schen zusam­men­brach­ten. Nun ist aber ein par­ti­el­ler Gemein­schafts­ge­danke in jeder Gesell­schaft not­wen­dig — her­un­ter­ge­bro­chen meint diese, nie­mand kann für sich alleine leben: Wir ler­nen von ande­ren — und sei es nur das Spre­chen, Selbst­ver­sor­gung ist ange­sichts kom­ple­xer Spe­zi­fik nicht mehr mög­lich oder nur sehr bedingt etc. Mit die­ser kur­zen Beschrei­bung soll deut­lich wer­den, dass es natür­lich ein media­les bzw. kom­mu­ni­ka­ti­ves Feld ist, das hier beschrie­ben wird.

Wie in einem ande­ren Blog­ein­trag (hier) bereits behan­delt wurde, ist der sowohl in höhe­ren schu­li­schen Klas­sen als auch an Uni­ver­si­tä­ten prak­ti­zierte „Glaube“ an soge­nannte „Trans­fer­leis­tun­gen“ kri­tisch zu betrach­ten — also sehr kau­sal davon aus­zu­ge­hen, aus Indi­rek­tem könn­ten all­ge­meine Regeln abge­lei­tet wer­den. Oder anders for­mu­liert: Nur weil man die Nar­ra­tion die­ses Buch und jenes Gedichts behan­delt, ist noch lange nicht gesagt, dass eine Meta-Ebe­nen wie die des seri­el­len Erzäh­lens (in Lite­ra­tur, Film, aber auch Poli­tik etc.) erkannt oder prak­tisch zur Anwen­dung gebracht wird. Oft sind — mei­ner Erfah­rung nach — Trans­fer­leis­tun­gen eher dem Unter­be­wuss­ten unter­stellt und kön­nen nicht ver­ba­li­siert wer­den. Und auch das macht sie umge­kehrt natür­lich nicht pau­schal schlecht …

In jedem Fall wird eine Trans­fer­leis­tung durch einen „Gemein­schafts­dienst“ begüns­tigt — Men­schen unter­schied­lichs­ter Hin­ter­gründe tref­fen auf­ein­an­der. Das kann neue — bewusste oder unbe­wusste — Ein­bli­cke ermög­li­chen … Aber — im Sinne der Kri­tik an der Trans­fer­leis­tung — ist manch­mal eine gewisse Kana­li­sie­rung sinn­voll oder eben ein Bewusst­ma­chen: Inso­fern sol­len pro­fes­sio­nelle und gleich­sam soziale Umgangs­for­men in die­sem Dienst (am ers­ten Tag ein­füh­rend) ver­mit­telt, (lang­fris­tig) erwar­tet und ein­ge­for­dert wer­den. Dazu wird sicher­lich ein vali­des Schu­lungs­sys­tem zu ent­wi­ckeln sein, sodass Aus­bil­der aller an die­sem Dienst betei­lig­ter Insti­tu­tio­nen vor­be­rei­tet werden. Hahn Logo Textende

Texte aus der Feder von …

Dr. Sönke Hahn

Erfahrungsschatz: Über 10 Jahre als ausgezeichneter Filmemacher und Designer — u. a. prämiert mit »Red Dot«, »iF Design Award« und »German Design Award«

Hintergrundwissen: interdisziplinäre Doktorarbeit an der Bauhaus-Universität Weimar, wissenschaftliche Vorträge und Publikationen im Feld Kommunikation und Medien

kommunikation können. ist mein Antrieb und Motto. Es meint, Sie in Sachen Kom. und Medien unterstützen. Sie können mich zum Beispiel mit der Realisation Ihrer Kommunikation beauftragen. Besser noch: Sie stärken Ihre Fähigkeiten in Sachen Sachen Kom. und Medien — mit meinen Fortbildungen: 

Dr. Sönke Hahn, KOMMUNIKATION