Extremisten und Populisten kommunizieren auf eine ganz bestimmte Weise: vereinfachend, seriell, schnell! Gemäßigte Kräften scheinen viel zu unbedarft auf diese Strategien „reinzufallen“, sich von Radikalen einen kommunikativen Stil aufzwingen zu lassen; Sympathisanten etwaiger radikaler Kräfte übersehen die minder geschickt getarnte Abwertung nicht nur „der Anderen“/der Feindbilder, sondern auch die interne „Manipulation“ à la „alternative Fakten“. Hier soll es einerseits darum gehen, die Strategien solcher Bewegungen — es sind schließlich vier durch den Autor ausgemacht worden — zu erläutern und anderseits (beim nächsten Mal) Strategien im Umgang mit solchen Kräften zu behandeln — ein zweigeteilter Essay!
Populistische Strategie I — Vereinfachung
Aus Sicht des Autors dieses Blogs ist es die sogenannte Heterotopie — eine Idee eines französischen Philosophen aus den 1960iger Jahren —, welche ein nützliches theoretisches Konzept zur Erklärung etwaiger Vereinfachungen sowohl in positiver als auch negativer Form bietet. Aber keine Angst, für diesen Text bedarf es keiner detaillierten Einführung in selbige (bei Interesse/zur Vertiefung finden Sie eine ausführliche Beschreibung hier): Dieser Blog-Eintrag soll eine Prägnanz behalten. „Eine“ meint hier solch eine Form von Kürzung oder Vereinfachung, bei der das Wesentliche in der notwendigen Komplexität erhalten bleibt, um ein mehrperspektivisches Verständnis für den hier vorgestellten Sachverhalt (zumindest aus Sicht des Autors dieses Blogs) zu ergattern: Eine gewissen Länge ist daher unumgänglich. Vereinfachungen sind zwar ein durchaus sinnvolles Mittel in der Kommunikation, um Menschen mit verschiedenen Hintergründen teilhaben zu lassen — aber vereinfacht werden, darf nicht um jeden Preis (siehe Über dieses Blog).
Menschen sind unterschiedlich geprägt bzw. stehen im Zusammenhang zu ihrem Umfeld, gar zu diversen solcher Felder. Oft treten diese in Form sozialer Gruppen, quasi in entsprechenden Räumen auf: Beruf, Freizeit, Familie usw. Sie können es sich vorstellen: Wir verhalten uns zuhause anders als auf der Arbeit, unter Schulfreunden anders als unter befreundeten Nachbarn usw. Und diese Umfelder bestimmen auch mit, wie wir denken und handeln. „Auch“ meint hier wiederum, dass natürlich der Einzelne umgekehrt sein jeweiliges Umfeld mitgestalten kann, ihm also nicht nur ausgeliefert ist. Übrigens ist diese Wechselbeziehung eine wesentliche Komponente zur Bestimmung, was Medien überhaupt sind bzw. wie sie funktionieren. Im Detail können Sie diese Definition hier nachlesen (Textserie in Produktion).
Umfassende Kommunikation ist somit insgesamt schwer, ihr Erfolg — also andere anzusprechen, in Austausch mit ihnen zu kommen — eigentlich unwahrscheinlich. Im Grunde müssen Themen für viele verschiedene Menschen (-Gruppen) unterschiedlich aufbereitet werden — wenn man denn etwas genauer zu erklären versucht. Ein bedauerlicher Ansatz, viele Menschen gleichzeitig zu erreichen, ist die Angstverbreitung, mindestens ein Ängsteaufgriff — eine Kommunikation, die ausschließlich an (angstbeladene) Gefühle appelliert. Kombiniert wird dieser Ansatz mit einem Heilsversprechen — der Behauptung, dass durch die Hinwendung zu den hier im Fokus stehenden Bewegungen Sicherheit erreicht werden könnte.
Warum soviel Angst? Die Ängst vor Unbegreiflichen und Veränderungen, die daraus abgeleitete vermeintliche Bedrohung des eigenen Lebens sind zweifelohne ernst zunehemde Gefühle. Angst allgmein ist eine stark das Leben eines Einzelnen und später ganzer Gruppen beeinflussende Größe: Schlechte »Stimmung« bzw. konkreter Angst ist — aus Sicht des Autors dieses Textes — ein sich schnell verbreitendes Phänomen, oft weit mächtiger als Positives. Vielleicht liegt das auch an der mit der Angst einhergehenden Empfindung einer Bedrohung, hingegen Freude oder Glück doch immer etwas Leichtgängiges aufweisen.
Aus Sicht des Autors dieses Beitrags sind diese Ängst zwar ernst zu nehmen, genauer zu besprechen wäre aber, ob sie begründet sind. Diese Betrachutung ist insofern wichtig: Denn zum einen werden Ängste, wie wir in diesem Text häufiger sehen werden, durch radikale Kräfte mitgeschürrt. Zum anderen kommen sie nicht nur einer Überkompensation gleich, also einer Übersteigerung etwaiger Probleme, sie sind zum Teil das Resulatat einer Einbildung. Und bitte: Damit sind die angstbeladenen Menschen nicht dumm oder krank! Aber etwa ein Blick in das Buch von Ole und Hans Rosling zeigt, wie vieles sich auf der Welt tatsächlich bessert! Und in Deutschland könnte nach dem Hintergrund für die gegenwärtige Frustration gefragt werden, angesichts der Tatsache, dass die großen Weltwirtschaftskrise in Deutschland nicht ansatzweise so drastisch ausfielen wie bei unseren Nachbarn. Wichitg: Auch das meint nicht, hier ist alles perfekt, nichts zu verbessern — Niedriglöhne, Zeitverträge, Verwaltungswullst, die Schere zw. öffentlichen Dienst/Beamten auf der einen und freier Wirtschaft auf der anderen usw. wären zu diskutieren. Es stellt sich dennooch die Frage, was dazu führt überängstlich zu sein und wie Ängste besser in den Griff zu bekommen sind.
Auch wenn der Autor dieses Blogs entschieden die Schuldzuweisung, die Medien seien Keim allen Übels, ablehnt; und der Autor ohnehin glaubt, dass der Begriff „Medien“ viel zu unreflektiert benutzt wird — unten dazu mehr (sowie in diesem Text: Text-Serie noch in Arbeit): Nichtdestotrotz sind Medien Spiegel der Welt/ihrer Leser/Zuschauer und doch gleichsam eine Einflussgröße auf selbige. Sind die vielen Krimiserien im deutschen Fernsehen also das Resultat einer Angst vor Kriminalität oder begünstigen sie diese Furcht/den Eindruck zunehmender Kriminalität — obschon das statistisch so gar nicht zu halten ist?
Aus Sicht des Autors sind die jüngst häufiger zu beobachtenden Aussagen, früher sei die Welt einfacher oder sicherer gewesen, insofern das Resultat „der Medien“, als dass diese die Komplexität der Welt unmittelbarer machen. Früher wurde über das Weltgeschehen einfach nur weniger berichtet. Zudem gab es weniger Wege, wie uns Meldungen aus aller Welt erreichten — eben nur anhand einer Tageszeitung, weniger Fernsehsender statt heute über zahlreiche Endgeräte und das Internet. Es geht hier nicht darum, diese „neueren“ Formen („“ ≈ das Internet ist auch schon mehr als ein Vierteljahrhundert alt) zu verteufeln, sondern darauf zu verweisen, dass das Selbstmanagement viele Menschen hinsichtlich ihrer Mediennutzung nicht sehr ausgeprägt ist: Quellen zu überprüfen, nicht nur ein Medium zu präferieren — daran mangelt es. Auch in diesem Zusammenhang können Sie hier mehr erfahren — Text-Serie in Arbeit.
Kommen wir konkreter zur Heterotopie: Sie beschreibt u. a. ein Denken in mindestens zwei Räumen. Der Begriff „Heterotopie“ meint „Raum des Anderen“. Dieser steht, so der Autor der Theorie, Michel Foucault, immer mit (mindestens) einem weiteren Raum in Verbindung. Diesen Raum nun kann man in einer Ableitung (Foucault nutzt den Begriff nicht:) als Normalraum bezeichnen — wichtig: Dieser Raum ist kein besserer Raum nach dem Motto „So ist es richtig!“. Normal ist eine Frage der Perspektive — das ist man gewohnt, das ist ein momentaner Zustand.
Beide Räume sind dabei nicht nur baulicher Fasson, sondern können auch als soziale Strukturen (Umfeld ähnlich denkender Menschen — wir haben gerade schon so argumentiert) verstanden werden. Des Weiteren können solche Räume eben auch zeitliche Formen sein: eine Vergangenheit (etwa je nach Stimmungslage/Gedächtnisleistung: ein Jahr später — „Ich hab’s gehasst!“; zehn Jahre später — „im Grunde ’ne gute Zeit!“), Gegenwart und Zukunft.
Übrigens müssen nicht alle Räume wirklich sein — schon ein Klischee über „die Anderen“ kann ein Raum sein: „Die sind bestimmt so und so …!“ Das heißt zwar, solche anderen Räume können weitgehend erfunden sein, in Gedanken existieren. Ein solcher klischeehaft vorgestellter Raum kann aber mit einem existierenden Raum zusammenfallen: Der Raum der Anderen ist dann also nicht leer (weil ausgedacht). Die mit dem Klischee verächtlich Beschriebenen können wirklich verletzt sein!
Wichtig ist aber, bevor wir konkreter zur Vereinfachung kommen, zu wissen, dass die Heterotopie ein weit komplexeres Konzept ist, als es hier den Anschein hat. Sie ist weder grundsätzlich negativ noch positiv und kann weit mehr als eine zweifache Beziehung repräsentieren. Wir beschränken uns vorläufig auf diese Zweiteilung, nicht nur der eben beschriebenen Prägnanz halber, sondern weil dieses Zweigeteilte eben eine heterotope Figur ist. Zudem lässt sich die verzerrende Vereinfachung mit dem Konzept der Heterotopie erklären: Die Heterotopie beschreibt nämlich die Beziehung zwischen besagten Räumen — regelmäßig handelt es sich um einen Gegensatz: Dort ist etwas, was woanders nicht möglich ist; dort ist etwas, was hier nicht geschehen darf; dort erwartet uns etwas, was hier nicht mehr gestattet ist. Hier sind viele Dinge — zunächst ohne Wertung — vorstellbar: im Urlaub/auf Reisen fühlen wir uns freier, eine rekonstruierte/themenpark-ähnliche Westernstadt lässt uns in (wenn auch verklärter) Romantik vergangener Zeiten schwelgen usw. Entscheidend ist, dass eine solche heterotopie-ähnliche Strategie von den hier im Fokus stehenden Bewegungen — bewusste oder nicht kann hier nicht ermittelt werden — genutzt wird. Dieser Gebrauch erfolgt in einer stark wertenden, und zwar verzerrenden, den Gegensatz als feindlich auslegenden und damit langfristig ein menschliches Miteinander gefährdenden Radikalität.
Typische (heterotope) Vereinfachungen liegen ja auf der Hand — etwa von einem auf alle zu schließen, wie gesagt: „Die da!“ „Und wir hier!“ Wir wollen hier gar nicht die rassistischen Formulierungen wiederholen — sie sind bekannt. Das scheinbar damit ausgerufene und Dank seiner Knappheit vermeintlich eindeutige Wir-Gefühl und dessen ebenso vermeintlicher Gegensatz, ein Feindbild, sollen zunächst seriell (siehe später) gefestigt werden — „wir hier, wir dort, wir nochmal hier“ usw. Das Wir- oder das Einheitsgefühl stehen dabei natürlich im Dienste radikaler Agitatoren: Denn diese Knappheit lässt sich in einem primitiv-seriellen Verständnis leicht wiederholen, weil nur aus wenigen Worten bestehend. Gleichsam liefert die Verkürzung — weil eben alle über einen Kamm geschoren werden — ein ebenso einfach zu festigendes Feindbild.
Besagte Bewegungen funktioniert also anders, als es etwa ein gemäßigter Gesellschaftsvertrag tut: nicht über einen Kompromiss (diesen gibt es, wenn überhaupt nur nach Innen gerichtet — zum unverhohlenen Widerspruch unten mehr), sondern über ein Feindbild. Und dieses ist nicht nur eine rhetorische Größe — die feindliche Fußballmannschaft, der Feind bei Super Mario. Vielmehr wird das Feindbild mit aufgeladenen Worten wie „Existenz“ etc. verbunden. So soll vermittelt werden, dass durch diese Feinde „tatsächlich“ alles zerstört, mindestens real bedroht scheint. Die oft eigentlich abstrakten, soll heißen ungreifbaren und weitgehend auf Gefühlen fußenden Gefahren sollen so scheinbar real gemacht werden. Die gesamt-statistisch nicht unbedingt gewaltig zu Buche schlagende Kriminalität etwaiger Flüchtlinge wird überbetont und scheinbar besonders wirklich und greifbar.
Und jetzt kommt es zu einer verwirrend anmutenden, aber (leider aus der Perspektive der Agitatoren:) „sinnvollen“ Wendung: Das gerade noch so deutlich „herausgearbeitete“ Feindbild wird sofort wieder abstrakt gemacht — schließlich sollen „die da“ ja gar nicht so genau betrachtet werden, weil sonst womöglich von den Anhängern der Bewegung festgestellt werden würde, dass die Vorurteile nicht stimmen. Der Feind darf im Grunde gar nicht „gefasst“ werden, muss im Zweifel stets neu bestimmt werden. Zwar wird die ausgelobte Sicherheit stets in Aussicht gestellt, aber doch nie wirklich dargeboten — wir bewegen uns erneut Richtung zweiter Strategie, Richtung Serialität.
Übrigens kann aus dieser Warte heraus verständlich werden, warum Verschwörungstheorien so starke Verbreitung finden: Sie erzeugen zunächst den Eindruck, komplex ——— und damit in einer Gleichsetzung: gefährlich ——— zu sein! Sachverhalte detaillierter zu erläutern (wie u. a. in diesem Blog versucht), scheint schon selbst ein Feindbild zu sein, durchkreuzt es doch die ständige verzerrende und viele Fakten auslassende Feindbildkonstruktion. Mit dem Ruf, dass dies und das eine raffinierte Verschwörung seien, sollen auch die Vertreter oder Anhänger der Theorie ähnlich den „bösen“ Verschwörer als intelligent markiert werden: „Wir haben die verborgenen Prozesse, die manipulativen Fäden ‚der da‘ — so gut sie auch versteckt waren — durchschaut!“ So wird einerseits also eine Gleichsetzung betrieben, nämlich den Verschwörern ebenbürtig zu sein. Andererseits wird dann aber auch eine starke Vereinfachung bemüht — so genau werden die Verschwörer nämlich gar nicht beschrieben. Sie sollen ein abstraktes Feindbild oder die „Bösen“ bleiben. Schließlich soll man ihnen überlegen sein.
Zudem verstecken sich, aus Sicht des Autors dieser Beitrags, hinter der Zuschreibung („Das ist eine Verschwörung!“) oft recht simple Gedanken und Phänomene: Überwältigt von der — medial offenbar werdenden — Komplexität der Welt (siehe unten) werden einfache Weltbilder bemüht — und sei es nur eine Unterscheidung in gut und böse. Tatsächlich sind manch angebliche Verschwörungen eher ein Netzwerk von Faktoren. Damit ist nicht doch eine Verschwörung gemeint, sondern einfach eine Verstrickung vieler unterschiedlicher Handlungen und Handelnder, oft ohne eine Intention/einen »Masterplan« hinter diesen Ereignissen: Ein Beispiel dieser Art scheinen die potentiellen bzw. bereits durch-/umgesetzten Dieselfahrverbote zu sein — hier mehr dazu, zur (kommunikativen) Netztheorie finden Sie an dieser Stelle Näheres (Text-Serie in Arbeit).
Ohnehin scheint der Vorwurf der Verschwörung anderen gegenüber gewagt in Anbetracht des jüngst aufkommenden Skandals zur intransparenten und verschleierten Parteifinanzierung aus dem Ausland …
Sie könnten jetzt fragen, schaffen nicht auch gemäßigte Kräfte, wenn sie auf die Gefahren des Extremismus verweisen, Feindbilder? Leider ist diese Tendenz aus Sicht des Autors zu beobachten und zeigt, wie sehr sich auch gemäßigte Menschen von radikaler Rhetorik beeinflussen lassen. Der Autor diese Blogs glaubt jedoch, dass der wesentlich Unterschied darin liegt, dass gemäßigte Kräfte einem dennoch positiven, eben nicht über ein Feindbild funktionierenden Kompromiss-Denken verpflichtet sind. Auf weitere Unterschiede — etwa in gemäßigten Medienformen — kommen wir noch zu sprechen.
Das Konzept der Heterotopie verweist wie gesagt darauf, dass zwei Räume in einer Beziehung zueinander stehen, gar aufeinander angewiesen sind. Und so sind auch die hier behandelten Gruppen regelrecht auf ein Feindbild konzentriert; auf ein Anderes, das wiederum räumliche Form in einem weitgefassten Sinne annehmen kann: die Anderen in gegnerischen Milieus, die andere (geographische) Herkunft, die anderen Meinung usw. Insofern tragen diese Bewegungen eine permanente Angst/Abneigung (und wie mit der seriellen Komponete noch deutlich werden wird:) Frustration in sich bzw. halten sie aufrecht. Selbst wenn in einigen populistisch angehauchten Bewegungen das räumliche Denken derart zu tage tritt, dass man sich von dem Anderen lossagen will, etwa unter sich sein möchte, mindestens unabhängig werden will, sind diese Konzepte/Forderungen tatsächlich auf das Feindbild angewiesen und können nicht ohne es existieren.
Ein anschauliches Beispiel aus der Fiktion ist hier das Buch/der Film Starship Troopers: In nicht weit entfernter Zukunft ist die Menschheit unter einer Regierung geeint. Es gibt keine Armut mehr, auch keinen Rassismus, die Geschlechter sind vollends gleichberechtigt. Das Régime ist allerdings faschistischer Fasson — brutaler, ausschließlich auf den Gewinner abzielender Sport, öffentliche Hinrichtungen, Bürgerrechte nur für Staatdiener bzw. nach Ableistung eines Militärdienstes. Der Angriff einer insektoiden, außerirdischen Spezies auf die Erde, mitunter durch die Expansion der Menschheit in der Milchstraße selbst mitverursacht, kommt wie gerufen, um diesem Staatkonstrukt wieder eine anhand eines Feindbildes etablierte Perspektive zu geben …
Kommen wir zur Rhetorik von „wir“ und „denen“ zurück: Diese sprachlich gepflegte Einheit ist freilich eine Illusion — nicht nur hinsichtlich des Vergleich mit den Anderen, verstanden als böse Verschwörer, sondern auch intern: Zunächst sind die Bewegungen selbst von Lagerkämpfen durchzogen. Und wenn diese nicht ganz offenbar zutage treten, so doch indirekt: Das Sprechen von sogenannten „alternativen Fakten“ zeigt nämlich ganz deutlich ein hierarchisches Denken innerhalb einer solchen Bewegung: jene, die solche „Fakten“ glauben und jene, die sie nutzen, um die anderen zu erreichen! Dazu gleich mehr.
Vermeintlich »schneidig« wirkende Begriffe, welche eine Gruppe Menschen, gar ein Volk, gar im historisch auf die Nationalsozialisten zurückführbaren Konzept der „Volksgemeinschaft“ beschreiben sollen, täuschen letztlich nur über tatsächliche Situation hinweg: Freistaaten, verschiedene Sitten, Bräuche, bisweilen stark variierende Dialekte, mindestens Sprachgebräuche (Jugendsprache etc.), deren Nutzer sich in ihrer heftigsten Ausprägung zum Teil nicht mal im Dialog verstehen können. Ohnehin sind gleiche Maßeinheiten oder Uhrzeiten von einer zur anderen Region; ohnehin ist die angebliche Zusammengehörigkeit in Deutschland historisch gesehen ein recht junges Konzept — erst im 19. Jahrhundert ist beides wirklich aufgekommen bzw. eingeführt worden … Eine daraus resultierende, eher vielschichtig zu beschreibende Gemeinschaft fußt also tatsächlich mehr auf einem Konsens denn auf einer Gleichförmigkeit meinenden Einheit, wie sie populistische Bewegungen kommunizieren.
Zur zeitlichen Komponente der Heterotopie bzw. zur deren strategischer Anwendung im Populismus: Das verzerrend-einfache Denken in zwei Räumen tritt in der Rhetorik entsprechender Agitatoren — wie bereits angedeutet — als verführerische Angst- oder Zukunftsperspektive in Erscheinung. „Die Machen alles kaputt! Wir verhindern das: Mit uns gibt es Sicherheit!“ Der weitgefasste Raum soll in solch vereinfachter Sprache und deren Aussage als Jetztzustand oder Vergangenes bestimmt werden, welches entweder unterzugehen droht und daher schützenwert scheint. Oder es soll eine Situation beschrieben werden, die es angeblich zu überwinden gilt. Der andere Raum ist dann eine von den jeweiligen Bewegungen in Aussicht gestellter, und zwar besserer Zustand usw.
Wir haben es also nicht nur mit einem Zweierverhältnis zu tun, sondern mit mehreren — gemein ist diesen „Serien“, dass sie alle ein Schwarz-weiß-Denken pflegen. Womit wir auch an dieser Stelle zur zweiten, hier vorzustellenden Strategie kommen, zur Serialität.
Populistische Strategie II — Serialität
Denn sowohl der Jetztzustand als auch das Ziel werden, wie bereits erwähnt, seriell gefestigt — immer wieder werden Sündenböcke ausgemacht, die das Bisherige/das Jetzt bedrohen; immer wieder wird eine Zukunft schmackhaft gemacht, wenn man denn nur diese Bewegung unterstützten würde. Wie bereits gesehen, ist es aber wenig im Interesse solcher Bewegungen ein ausgelobtes Ziel wirklich zu erreichen. Deswegen wird es in einem progressiv-seriellen Sinne (dazu gleich mehr) immer wieder aufgeschoben bzw. muss durch Variationen ersetzt werden.
Erreicht man »versehendlich« doch ein Ziel — etwa den Brexit, zumindest das entsprechende Referendum —, so bricht die mit dem Feindbild EU operiende Bewegung nämlich (teilweise) in sich zusammen …
Wie vermeintlich der Jetzt- oder Zukunftszustand ist, das haben wir bereits mit dem Sprechen von „Volksgemeinschaft“ gesehen: Die vielen Unterschiede sollen mit einem Überbegriff kaschiert werden — die tatsächliche Vielfalt muss plötzlich als Ganzes herhalten, wird sehr vereinfachend zusammen gezogen bzw. mit dem Gedanken eines „Wirs“ gegenüber „Denen“ überbaut. Denkbare weitere „Schritte“ eines solchen Überbaus hat der Philosoph Marc Augé in seinem Werk „Orte und Nicht-Orte“ erdacht: Sollten nämlich Außerirdische die Erde erreichen, würde der Fremdenhass nur auf eine neue Stufe springen. Statt von einem Raum auf der Erde zu einem anderen, würde dann die Erde gegen das jenseits der Erde Befindliche stehen, also „wir“ gegen die Außerirdischen. In diesem Sinne kann solch ein räumliches Denken/solch eine Vereinfachung als eine quasi serielle Staffelung verstanden werden.
Jetzt wird es aber Zeit zu klären, was Serialität überhaupt ist: Eine praktikable Definition des Seriellen hat sich aus der Erforschung des Fernsehens (inklusive der Video-on-Demand-Formate) ergeben — diese Beschreibung lässt sich auch auf serielle Formen jenseits eines bestimmten Mediums anwenden. Zunächst gibt es zwei Pole, zwei zentrale Typen des Seriellen: die stagnative Serie, die Status-quo-Serie — Typ I — und die progressive Serie — Typ II.
Diese Typen lassen sich anschaulich am Beispiel Fernsehen erklären: Typus I ist eine Form von Serie, die aus in sich geschlossenen Episoden besteht. Der wöchentliche Fall wird innerhalb der 45/60 Minuten geklärt, nächste Woche ein anderer Fall. Das Ermittlerteam ändert sich nicht. Sollte es mal in Gefahr sein, dann aber nur bis zum Ende der Episode. Die Episoden bauen also nicht aufeinander auf, man kann in den Verlauf der Serie beliebig „reinschalten“, die ersten Folge muss nicht gesehen werden, auch die Reihenfolge in der Betrachtung der Episoden ist egal. Wenn überhaupt, werden private Geschichten um die Ermittler herum fortgeführt — aber diese zusätzliche Handlung macht das Verstehen der Episode für den reinschaltenden Zuschauer nicht unmöglich. Die Ermittlungsarbeit verläuft weitgehend immer nach demselben Schema. Diese Serien erzeugen den Eindruck einer Fließbandproduktion — ein Umstand, der oft sehr wertend ausgelegt wird: Stumpfsinnig und monoton seien sie, immer das Gleiche würde gezeigt; anderen gelten sich als verlässlich. Zu diesem Typus kann aber auch die Variation gehören: Denn obschon von Episode zu Episode eine ähnliches Schema, gibt es viele Veränderungen — andere Mordfälle, andere technische Raffinesse, andere Umgebungen etc.
Der Typus II ist die progressive Serie, die Fortsetzungsserie: Jede Episode baut auf der vorhergehenden auf — eine durchgehende Handlung, die auf Folgen und Staffeln verteilt ist. Einzelne Episoden lassen sich nicht gesondert betrachten — was vorher geschehen ist, muss bekannt sein, sonst kann die einzelne Folge nicht verstanden werden. Diese Serie verfügen oft über ein großes Ensemble von Figuren, die Geschichten werden aus vielen Perspektiven erzählt. Die Figuren sind nicht über jede Gefahr erhaben, sie können auch ersetzt werden. Diese Serien profitieren vom sogenannten On-Demand-Fernsehen, dem individuelle Abruf von Folgen — so kann der Handlung besser gefolgt werden. Oft werden diese Fernsehserien als hochwertig bezeichnet, weil sie sich in der komplexen Handlung auch gesellschaftskritischer Themen annehmen. Trotzdem gibt es auch hier eine Form von Variation ähnlich dem Typ I: Es wird zum Teil immer wieder „einer drauf“ gesetzt — hinsichtlich neuer Wendungen, Gewalt oder Teilrätsel. Oft wird ein (Gesamt-)Rätsel im Verlauf ganzer Staffel behandelt oder Stück für Stück zu klären versucht. Je nach Erfolg der Serie wird diese Auflösung immer wieder ver- oder aufgeschoben, es werden weitere Folgen produziert. Ein häufiges Mittel um das Dranbleiben zu fördern, ist der Cliffhanger: Innerhalb einer Folge (also im Falle einer Werbeunterbrechung), von Folge zu Folge, von Staffel zu Staffel wird mit einer Wendung, einer neuen Informationslage, einer neuen Gefahrensituation — dem An-der-Klippe-Hängen — unterbrochen, sodass mit Spannung die Fortsetzung erwartet wird.
Auch wenn gerade der Eindruck entsteht, es gibt zwei unterschiedlich „gute“ Formen des Seriellen, so müssen diese als neutral begriffen werden. Wir haben gesehen und werden es noch weiter, die hier von Populisten zur Anwendung gebrachte Serialität ist eine Mischung beider Pole, der Typen I und II: immer wieder in mehr oder minder großer Variation (Typus I) oder Progression (Typus II) die gleichen Feindbilder und Zukunftsperspektiven.
Ein weiteres, zunächst ebenfalls neutrales Mittel innerhalb des seriellen Erzählens ist die Provokation — es wird sowohl im künstlerischen Bereich/zum Aufrütteln genutzt als auch von hier im Fokus stehenden Gruppierung und ihrer Kommunikation. Der Mechanismus ist also ähnlich, die finale Absicht aber unterschiedlich …
Die Provokation kann das Dranbleiben ähnlich dem Cliffhanger beabsichtigen, sogar ein Teil des Cliffhangers sein: eine grausame Situation, eine moralische Verwerflichkeit, die zunächst nicht ausgeräumt wird. Wir müssen dran bleiben, warten, ob die Ungeheuerlichkeit bestehen bleibt oder ausgeräumt wird. Anders als der Cliffhanger kann die Provokation aber auch ein Versuch von Alleinstellung sein — Alleinstellung gelingt natürlich auch darüber, Begriffe zu verwenden, die andere nicht benutzen: Das können neue Markennamen sein. Das kann aber auch der Begriff der „alternativen Fakten“ sein. Ein solches Konzept soll von jenen Fakten, welche die „Anderen“ — die angeblichen Lügner — benutzten, abgrenzen. Zum Konzept alternativen Fakten wie gesagt später mehr.
Ein fragwürdiges, aus Sicht des Autors dieses Blogs aber nicht radikales Beispiel in diesem Zusammenhang/im Feld der Provokation ist, wenn der Gesundheitsminister Ende 2018, gerade für den Parteivorsitz kandidierend, plötzlich eine sozialgerecht wirkende Forderung nach ein höheren Besteuerung Kinderloser fordert: Damit will er sich nicht nur als Macher inszenieren, sondern sich auch konservativen Flügel seiner Partei gegenüber anbiedern.
Zurück zu extremistischen Agitatoren: Provokation ist auch durch die Begriffswahl selbst zu erreichen: Es werden provokante Begriffe benutzt, die ihrer historischen Vergangenheit halber — etwa weil sie von den Nationalsozialisten benutzt wurden — nicht mehr im Gebrauch sind: Wenn man andere als „Überschuss“ bezeichnet, der angeblich die „Volksgemeinschaft“ bedrohe, von „Schicksal“ spricht und „Überlebenskampf“ ruft, um sich gegen „die da“ zu behaupten … Werden solche abwertenden Begriffe also von den Zuhörern der Bewegung akzeptiert, weil die Vergangenheit dieser Worte nicht bekannt ist? Ob das eine Entschuldigung ist, darf bezweifelt werden — aus zweierlei Gründen: Zum ersten obliegt es auch denen als sogenannte „Empfänger“ in einem Kommunikationsprozess Bezeichneten, zu hinterfragen, was wie gesagt wird. Es wirkt daher schon arg einseitig, wenn man an den Medien der Anderen zweifelt, den eigenen aber unüberprüft folgt und schlicht den historischen Hintergrund nicht „merkt“ (ein kleiner Medienexkurs folgt unten).
Zum anderen geht diese Sprache auch ohne das Wissen um den historischen Hintergrund eindeutig über eine kurzweilige Provokation hinaus und dient in dieser (seriellen) Vehemenz kaum einer kritisch-aufrüttelnden Note. Der Autor dieses Blogs vermutet, dass es sich hier des Öfteren dennoch oder gerade deswegen um den „Reiz des Neuen“ handelt. Die scharfe Rhetorik, ohne besagten Hintergrund zu kennen, wirkt eben neu und ist daher interessant — aber auch das sollte, wie gesagt, keine Entschuldigung sein.
Hier kann nicht ermittelt werden, ob diese Provokationen nur Mittel zum Zweck sind oder letztlich doch Ausdruck innerer Überzeugungen sind. Erster Fall würde bedeuten, kalkuliert in extremistisch angehauchten oder gesinnten Lagern zu fischen, um eben Wahlen zu gewinnen — das demokratische System wird quasi ausgehöhlt. Bedauerlicherweise hat Demokratie ja quasi immer auch die Abschaffung ihrer selbst im Programm (≈ Foucault). Der zweite Fall bedeutet, dass die verinnerlichten, und zwar ausgrenzenden Tendenzen in der Rhetorik der jeweiligen Gruppen und Agitatoren Ausdruck finden. Im Sprachgebrauch zeigt sich schlicht, wer man ist.
Wahrscheinlich liegt die Wahrheit dazwischen — d. h., neben radialen Kräften, sehen einige die Provokation als Möglichkeit auf jene Dinge aufmerksam zu machen, die aus ihrer Sicht nicht korrekt sind, etwaige rassistische Entgleisungen scheinen enfach akzeptiert oder ignoriert zu werden. Ob das Mittel den Zweck heiligt, ist allerdings bei bisweilen mehr als beleidigenden Entgleisungen wie gesagt zu bezweifeln. Personen etwa in Sippenhaft zu nehmen („Die sind alle so!“ oder „Hat’s einer gemacht, haben’s alle gemacht!“) und damit einhergehend oft zu entmenschlichen, sollte im Sinne eines sozialen Umgangs doch eine unüberschreitbare Grenze darstellen.
Gerade als Deutsche sollten wir uns immer wieder daran erinnern, dass genau dieser Sprachgebrauch mit einer Senkung eventueller Hemmschwellen einhergehen kann. Diese Senkung kann dann in einem tatsächlichen — tödlichen — Handel münden. Und dieses Erinnern sollte auch dann geschehen, wenn sich manch eine/r davon gelangweilt fühlt — etwa auf Grund der auch in der Erfahrung des Autors dieses Textes manchmal monotonen und redundanten schulischen Behandlung des Komplexes. Aber der gegenwärtig wiederkehrende Sprachgebrauch zeigt eindrucksvoll, dass die schulische und anderswo erfolgende (also im Elternhaus und in der Öffentlichkeit stattfindende) Behandlung nationalsozialistischer Verbrechen und der wegbereitenden Rhetorik weiterhin notwendig ist. Es empfiehlt sich ggf. — auf Grund der ablehnenden Haltung gegenüber dieser Wissensvermittlung — eine die historischen Fakten/den konkreten Fall ergänzende Herangehensweise: nämlich eine Vergegenwärtigung kommunikativer Mechanismen hinter solchen Radikalismen — als sogenannte Meta-Ebene. Dieser Begriff meint eine Zwischen- oder Über-Ebene, die sich in verschiedenen Medien, Denk- und Verhaltensweisen ausdrückt — genauere (theoretische) Infos zu diesem Konzept finden Sie hier (Text in Arbeit).
Diese Ergänzung erweist sich insofern als fruchtbar, als dass sie jede Form von Extremismus beleuchtet und nachvollziehbar machen kann — rechts, links, religiös. Aus Sicht des Autors dieses Blogs braucht es nur den Tausch der konkreten Begriffe und schon hätte man mit den gleichen Strategien eine andere ausgrenzende, über Feindbilder funktionierende Serialität … Auch das meint keine Pauschalisierung, sondern soll eben erklären, wie Menschen denken und handeln; wie fatal das Bedürfniss nach Abgrenzung in Form einer negativen Definition (über ein Feindbild) sein kann.
Nachtrag populistische Strategie I: Sündenbock Medien
Im Zuge der Vereinfachungsbestrebung und ihrer seriellen Aufbereitung werden, abseits bestimmter Feindbilder, regelmäßig die Medien sehr pauschal zum Sündenbock erklärt. Allem voran steht dabei die stark vereinfachte, man könnte sage, verzerrende Unterscheidung zwischen klassischen Medien — wie Radio, Fernsehen und der Presse — als große, (kommerziell) organsierte und redaktionell betreute Formen — und angeblich alternativen Varianten, die sich häufig als soziale Medien äußern. Warum diese Differenz sehr problematisch ist, wird sogleich offenbar …
Zunächst werden in beiden Fällen Meinungen eingenommen und vertreten. Dabei kann das Umfeld der Autoren, können gesellschaftliche und politische Umstände die Meinungs- und Medienproduktion mitbeeinflussen. Oft sind es auch kommerzielle Faktoren, die hier ein Rolle spielen: Leser nicht zu verprellen, Werbepartner zu halten oder durch Klicks auf dem Blog finanziert zu werden. Partiell geht es dabei auch um Macht — dieser Begriff soll hier aber nicht in seiner Hitzigkeit unhinterfragt eingebracht werden: Extremisten argumentieren ja immer gerne mit diesem Konzept — wenn sie die Macht übernehmen, werde alles besser, zumindest nach ihrer Vorstellung.
Da aber bis dahin „die Anderen“ Macht haben, ist selbige natürlich negativ — man müsse die Macht eben (zurück-)bekommen. Damit haben wir wieder ein Beispiel für sehr vereinfachte Vorstellungen der Welt. Sicherlich eingängig, wenn es gut und böse gibt, die Welt scheint unglaublich klar. Aber ist das auch realistisch?
Schauen sie „Der Hundeprofi“ mit Martin Rütter? Müssen Sie nicht — worauf der Autor dieses Textes aber hinaus will: Hilfesuchende Herrchen und Frauchen beschreiben dort regelmäßig von erfolglosen Versuchen, die Beziehungen zu ihrem Vierbeiner zu verbessern — etwa im Zuge der Konsultation anderer Trainer. In der Wiedergabe entsprechender Maßnahmen fällt des Öfteren der Begriff „Macht“ ≈ der Vierbeiner müsse beherrscht werden, Verhaltensauffälligkeiten des Hundes wäre ein Versuch des Tieres, seine Menschen zu dominieren, was dann wiederum sanktioniert gehört. Durchaus auch für unseren Fall anschaulich, verweist Rütter — wenngleich mit anderen Worte — auf eine systemische oder eine netzwerkartige Komponente: Er lehnt die Vorstellung einer starken Befehlskette ab — wundert sich regelrecht, woher diese Vorstellung von oben und unten, Herrscher und Beherrschter überhaupt kommt. Stattdessen empfiehlt er, Macht als Wechselbeziehung zu interpretieren — konkret als freundschaftliches, auf Gegenseitigkeit basierenden Verhältnis von Herrchen/Frauchen und Vierbeinern.
Bevor nun an dieser Stelle unterstellt wird, menschliche Beziehungen werden in diesem Text mit einem Mensch-Tier-Verhältnis gleichgesetzt: Das ist nicht die Absicht. Vielmehr illustriert dieses Beispiel, welche Vorstellung von Macht verbreitet zu sein scheint — weniger geht es darum, gemeinsam zu agieren, als von oben und unten auszugehen.
Im konkreten, auf den hier präsentierten Sachverhalt bezogenen Fall meint dies, Meinungsaustausch kann immer wieder mit einer Form vom gerichteter Macht einhergehen. Das kann ganz banal beginnen — vom Gespräch an der Bushaltestelle, über einzelne Blogger bis zum Chefredakteur etc. Oft geht es in etwaigen Gesprächen eben nicht um Toleranz, schon gar nicht um Akzeptanz der Meinung anderer, sondern in einem mehr oder minder bewussten Sinne darum, andere in einem „gemäßigten“ Verständnis zu überzeugen, in einer eher negativen Sichtweise „zu überreden“ oder in noch negativeren Form „zu manipulieren“.
„Das ist ja schrecklich — alles dreht sich um Macht!“ Nun das oben Beschriebene soll vor allem auf eine verbreitete Vorstellung von Macht verweisen — auf einen aus diesem Verinnerlichten resultierenden Mechanismus. Die etwa in manch wissenschaftlichen Disziplinen ebenso verbreitete Vorstellung, die Welt bestünde nur aus Machtbeziehungen, darf aus Sicht des Autors diese Beitrags nicht überbewertet werden: Wie gesagt, eine weniger hierarchische Vorstellung ist in der tatsächlichen Beschreibung des Alltags realistischer. Denn selbst wenn im Dialog vor der Bushaltestelle jemand seine Meinung anderen anträgt, so ist eben nicht zwangläufig davon auszugehen, dass jemand den Anderen unterjochen will, schon gar nicht, dass er Erfolg hat oder ob er überhaupt weiß, wie herrisch oder nicht er auftritt etc.
Bleiben wir aber noch kurz bei einer negativen Auslegung — in diesem Blog-Eintrag geht es ja vor allem um die Beschreibung der Strategien populistischer Kräfte: In das rhetorische Portfolio aggressiver Kommunikation gehört ein Begriff, der vorauseilend (zur Teilstrategie der Geschwindelt später mehr) die Anderen/deren Kommunikation als „böse“ markieren soll. Obwohl sie, wie wir gleich erneut sehen werden, selbst dieser Auslegung zuzuordnen wäre: Es ist die Rede von der „Manipulation“ bzw. dem Verb „manipulieren“ — meist verstanden als bewusster — negativer — Eingriff (in Meinungen).
Zunächst zu einem neutraleren Begriffsverständnis: Eine zwiespältige Form sind zum Beispiel diverse Gestaltungsstellschrauben im Supermarkt — bestimmte Farbtöne, die Backwaren schmackhafter machen, seichter Schokoladengeruch (via Spender) in der Süßwarenabteilung usw. Durchaus ließe sich diskutieren, wie „hinterhältig“ diese Maßnahmen wirklich sind … Wenn so wirkungsmächtig, warum verschwinden tausende Produkte jedes Jahr aus den Regalen, warum bleiben viele Werbekampagnen wirkungslos, setzen quasi auf’s falsche Pferd? Ist der mit Verstand ausgestattete Mensch nicht in der Lage, sich seiner Vorleiben, wenn diese auch teilweise im Unbewussten liegen, in Ansätzen gewahr zu werden? Auch dieser Blog versucht, eine größeres Verständnis für Kommunikation und damit teilweise im Verborgene liegende Prozesse anzuregen oder anzubieten … um nicht seinem Unterbewusstsein und der individuellen Gefühlswelt ausgeliefert zu sein.
Der beliebte Sündenbock „Medien“ untergliedert sich also durchaus noch weiter — neben dem Fernsehen oder etwa Computerspielen ist es eben die genannte Werbeindustrie. Alle Konzepte dienen als sehr einfache Projektionsflächen, um das angebliche Ausgeliefertsein des Einzelnen gegenüber denen oder jenen belegen zu wollen: industrielle Interessen — angebliche Brutalität — Werteverfall. An der Mündigkeit des Einzelnen (Medien richtig zu interpretieren) wird also allerseits gezweifelt. Und sicherlich können offenbare »Blasen« unserer Gegenwart, also immer nur Meinungen bestimmter Quellen und nicht anderen zu verfolgen, diesen Eindruck bestärken.
Bedauerlicherweise wird diese Meinungen zur Unmündigkeit nicht nur im Feld populistischer Kräfte, sondern in vielen bürgerlichen Bereichen bzw. Gruppen, die sich eigentlich bildungsnahe verstehen, vertreten: Aus meiner Erfahrung heraus bzw. bei Befragungen hat dann z. B. keiner einen Fernseher und schon gar keiner schaut Fernsehen — man steht über solchen Dingen. Nur, dass dabei regelmäßig lediglich wiederholt wird, was alle in der Umgebung sagen. Dann zieht man auch noch an, kauft ein, was man eben bei seinem Status bzw. dem Status, dem man sich zugehörig glaubt, als Aushängeschild dienen soll. Oder man geht ins Theater, spendet gar für selbiges, weil das so erwartet wird — ohne die Stücke zu verstehen. Gestaltung oder Design sind, weil nicht greifbar oder man beides nicht versteht, nur Verpackung — auf den Inhalt käme es stattdessen ausschließlich an. Oder man spricht von den vielen verschiedenen Geschmäckern … Oder man kauft eben jene Kunstwerke fürs Heim, die der Gallerist als Renditeobjekt beschreibt. Also: Zwar anderen die Fähigkeit absprechend, aber selbst kein wesentlich besseres Bild abgeben — somit wird eine umfassende Medienvermittlung natürlich nicht gerade gefördert. Es ist hier nicht der Platz, auf diese Problematik näher einzugehen — mehr zu diesem habituellen Problem finden Sie hier (Text-Serie in Arbeit).
Durchaus ähnliche, wenn auch radikaler einen Habitus ausdrückend ist die Handhabung von klassischen Medien in populistischer Lagern: Redaktionen solcher Medien wird ja regelmäßig Manipulation unterstellt. Was ist aber nun mit ungeprüften Posts und zur gesicherten Auskunft hochstilisierten Gerüchten auf sozialen Medienplattformen? Was ist mit den bewusst eingesetzten Bots zu deren Verbreitung, was mit den an diesen Netzwerken Beteiligten, die eventuelle Falschmeldungen (bewusst) reposten?
Aber abseits dieser Sündenböcke reicht es, sich hinsichtlich des Manipulierens im Alltag, im einfachen Dialog umzusehen, um die Dimension des Manipulierens sichtbar zu machen oder zu zeigen, wie aufgebläht das Konzept in radikaler Kommunikation Verwendung findet. Der — sicherlich mehr oder minder bewusste — Eingriff, die entsprechende Einflussnahme des einen Menschen gegenüber anderen liegt quasi immer vor: Die Tür aufgehalten zu bekommen oder nicht, kann den Tag eines Menschen maßgeblich beeinflussen …
Wie dann nicht manipulieren? Gleich dazu mehr! Bereits jetzt: Manipulation in einem pauschal negativen Sinn liegt dann vor, wenn Umstände geschaffen werden, die keine Wahl der Quelle mehr zulassen oder wenn es sich um gezielte Falschinformationen handelt: Das könnte als Lüge bezeichnet werden. Diese wird ja regelmäßig von Populisten Vertretern gemäßigter Medien unterstellt. Dabei handelt es sich um eine über Geschwindigkeit operierende Strategie etwaiger Populisten — insbesondere, weil sie sich selbst mit viel Wohlwollen gerade noch als „krass“ zu beschreibenden Provokationen oder Überzeichnungen, oft schlicht der Lüge bedienen. Zur Strategie unten mehr …
Das in diesem Zusammenhang insbesondere klassischen Medien gegenüber zur Anwendung kommende Konzept von Wahrheit — als Beschimpfung à la „Lügenpresse“! — ist aus zwei Gründen als ähnlich „schnell“, aber auch als vorgeschoben einzustufen: Zum einen wäre zu diskutieren, wie weit es Wahrheit überhaupt gibt — neben dem „klassisches“ Verständnis als Gegensatz von Lüge. Tatsächlich ist Wahrheit oft ein eher philosophischer Komplex. D. h., sie ist recht wenig greifbar, sondern ein Zwischending: So sind Figuren in Film und Fernsehen oder der Weltliteratur sehr viel mehr wahr, als es echte Menschen sind. Sie sind nämlich beobachtbar, durch einen Künstler/einen Autor angelegt, um uns etwa eine Geschichte über das Leben zu erzählen. Dergleichen ist im wahren Leben kaum möglich, wir können uns nicht so umfassend selbst beobachten, andere Menschen ebenfalls nicht.
In Verbindung mit Wahrheit wird von Extremisten (gegenüber aus ihrer Sicht „falsche“ Meinungen transportierenden Medien) regelmäßig eine bestimmte Forderung gestellt, und zwar die nach Objektivität. Objektivität ist natürlich allgemein ein nicht nur aus extremistischen Lagern kommender Anspruch gegenüber berichtenden Medien. Und das mag vielleicht auch die Krux sein, warum diese „These“ (einer angeblichen Nicht-Objektivität aller Medien) auch abseits populistischer Lager Verbreitung findet — wir haben es hier mit einer Themenvereinnahmung zu tun. In populistischen Lagern wird der Vorwurf mangelnder Objektivität natürlich eingesetzt, um sich selbst zum Opfer zu machen (Auf diese einer Strategie zuzurechnende Facette kommen wir noch zurück.). Objektivität ist aber letztlich eher als journalistisches Bemühen zu verstehen! Wir haben ja schon öfter darauf verwiesen, dass Menschen vielen Faktoren ausgesetzt sind. Oft Menschen abverlangte Ideale können nur selten vollends mit der Realität übereinkommen — Sie, liebe Leser, kennen genügend Beispiele dieser Art: Eltern, die den Wünschen der Kinder nicht gerecht werden; Juristen, denen es an Objektivität mangelt; Ingenieure, die sich verplanen usw.
Die wissenschaftlich Trennung von sachlichen Denken und individuellen, meinungsartigen Fühlen bzw. der Glaube, beides ließe sich innerhalb eines jeden Menschen von einander trennen, ist vor allem theoretischer Natur und wenig alltagsnah. Dieser Vorstellung entsprechend auf jede erzählerische und damit auch unter Umständen Spannung erzeugende Komponente zu verzichten, um eben nicht gefühlsduselig zu werden, stößt schnell an ihre Grenzen.
Die Antwort auf den Umstand, dass es volle Sachlichkeit nicht gibt, ist dann aber nicht „volle Power Emotion“ — wir habe ja gerade oben gesehen, wie verleitend Angst (als eine emotionale Komponente) ist. Daher empfiehlt sich ein Mittelweg: Geschichte zu vermitteln, kann oft sehr datenlastig und trocken sein. Das Infotainment etwa des ZDFs zeigt hier einen Kompromiss: Eine Teilinszenierung macht die Figuren der Historie verständlich und bedient eine für die Geschichtsforschung wichtige Zielsetzung: zu sehen, was Menschen gemacht haben, was sie dachten und fühlten, um nicht dieselben Fehler zu begehen … Hier haben wir es mit einer Wahrheit im oben genannten, abstrakteren Sinn zu tun. Zudem wird deutlich das die Ignorierung von Gefühlen und das Ideal der Rationalität wenig sinnhaft sind — schließlich kann auch Sachliches emotionalen Wert ahben bzw. würde durch eine teilweise emotionale Aufbereitung gewinnnen: Die Europa-Kritik der letzten Jahre vergisst nämlich regelmäßig im Reden von Unabhängigkeit die friedensstiftende Wirkung der engen Vernetzung und den menschlichen Austausch innerhalb der Union.
Insofern werden auch um Objektivität und Neutralität bemühte Werke immer von zahlreichen Faktoren, unter ihnen eben der Autor/die Autorin, geprägt. Das heißt natürlich nicht, dass damit jedes Streben nach Objektivität sinnlos ist oder Journalisten keine Verantwortung für ihre Werke tragen. Hier soll verdeutlicht werden, dass Mechanismen innerhalb des Einzelnen/der Einzelnen und insbesondere in der Kommunikation komplexer sind, als es einfache Forderungen oft verlangen (Mehr dazu hier — Text in Arbeit).
Und das heißt ebenfalls nicht, dass Fakten nicht existieren — auf das Konzept „alternativer Fakten“ kommen wir nun endlich zu sprechen. Die Benutzung des Begriffs ist ein unverhohlene Preisgabe der Absicht des ihn Benutzenden: Nicht Fakten, sondern etwas, das ausschließen den eigenen Zielen nützt, soll vermittelt werden — ein Beispiel: Da gab es etwa die Behauptung — so eine durch den Autor dieses Textes beobachtete Kommunikation in den sozialen Medien — da und dort sei für „verwöhnte“ Asylanten ein Haus renoviert worden. Es sei piekfein her- und eingerichtet, neue Möbel erworben worden. Wie der Autor dieses Texte wenige Tage vorher zufällig selbst feststellen konnte, war der betreffende Plattenbau verweist, befand sich gelinde gesagt in einem heruntergekommenen Zustand. Der Inhalt des mit viel Wut über die angebliche Bevorzugung der Flüchtlinge geteilten Beitrages war nicht zu bestätigen, das Gebäude auch Jahre später der angeblichen Nutzung nicht zugeführt worden.
Fakten sind also etwas anderes als die sogenannten Alternativen: Ob es nämlich regnet oder nicht ist, ist im Grunde nicht diskutabel. Vielleicht wäre zu klären, ob der Regen reicht oder nicht — das sind erste Interpretationsversuche!
Fakten haben also nur indirekt etwas mit Wahrheit zu tun. Die Auslegung von Fakten kann variieren, Wahrheiten können auf Fakten basieren. Gleichsam stellt sich die Frage, wie sehr Medien einer Wahrheitspräsentation überhaupt verpflichtet sind. Meist sind Medien Abbild von Meinungen oder Instrument, selbige zu vermitteln. Das heißt nicht, dass es keine durch Medien erreichte Aufdeckungen und Kontrollfunktionen gibt: Zahlreiche Skandal sind ja durch Journalisten an die Öffentlichkeit geraten — denke Sie nur an Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.
Hinsichtlich des oben genannten Konzepts der Meta-Ebene kann schließlich eine Annahme als bestätigt gelten — die Annahme, dass auf einer Meta-Ebene Medien, ob klassisch oder angeblich alternativ, alle einander ähnlich sind. Selbst die Reichweite klassischer Medien und sozialer Formen ist kaum zu unterscheiden — Millionen von Fernsehzuschauern und Zeitungslesern. Im Zuge eines umfassenden Paradigmenwechsels — eines Umbruchs in den 1970/80er Jahren, der bis heute anhält — sind aus wenigen Anbietern viele geworden. Zumindest gibt es — u. a. durch neue Techniken (Kabel, später das Internet) — diverse Angebote für ebenso viele Zielgruppen. Letztere können sich nun ausdrücken und müssen nicht länger versteckt leben (weil etwa ihre Lebensmodelle anderen nicht passten). Dass sich jedoch eine ganze Nation vor einer bestimmten Sendung versammelt, ist heute die Ausnahme — kleine, aber immer noch Millionen umfassende Quoten sind nun die Regel. Gleichzeitig haben einzelne Youtuber oder Blogger bzw. Post/Tweets auf sozialen Medien — was Abrufzahlen angeht — heute eine „Quote“, welche den aktuelleren Zuschauerzahlen in klassischen Medien kaum nachsteht, sie gar übertrifft.
Trotz dieser Gemeinsamkeiten wollen nicht auch wir alles über einen Kamm scheren — es gibt deutliche Differenzen zwischen seriösen und die eigene fragliche Meinung fokussierenden, ob klassisch oder „neu“:
Grenzen der Vereinfachung in den Medien — ein hoffnungsvoller Exkurs, aber auch Wehmut
Unterschiede offenbaren sich in der Qualität wie mit Medienformen, (anderen) Meinungen und Fakten sowie der eigenen Weltsicht umgegangen wird: So geht es insbesondere in klassischen Medien darum, Sachverhalte zu interpretieren, Perspektiven anzubieten: Weltbilder und (auch einander widersprechende) Meinungen aufzubereiten und zu präsentieren. So kann es sein, dass bei ein und demselben Anbieter verschiedene politische Kolumnen Platz finden und sich deren Autoren Wortgefechte liefern. Von Manipulation im Sinne einer steten Einseitigkeit kann nur sehr bedingt die Rede sein.
Solche differenten Perspektiven anzubieten, ist natürlich eine Gratwanderung — oft wird dabei eben auch gesagt, was der/die Leser/innen nicht so gerne hören wollen. Zum mündigen Medienumgang gehört aber, mehrere Perspektiven zu kennen. Selbstverständlich gehören auch Blogs in das Feld von Meinungsangeboten, selbstverständlich kann auch ein und derselbe Blog verschiedene Ansichten in sich aufnehmen. Allerdings ist der (Recherche-)Aufwand oft durchaus groß und das Mehraugenprinzip, also der Blick anderer Autoren oder Redakteure auf einen Text, gewinnbringend — derartiges können vor allem klassische Medien leisten. Nochmal: Ein Einzelner oder eine Gruppe von Bloggern kann das natürlich aus leisten — keine Pauschalisierung beabsichtigt.
Meinungsangebote — etwa als Kolumne, als Kommentar, als Essay — werden, und das ist wichtig hinsichtlich des Manipulations- oder Einseitigkeitsvorwurfs, in seriösen Medien als solche gekennzeichnet: Sie tun nicht so, als seien sie Nachrichten, sie sind Kommentare und Co. D. h. nicht, dass Kritik an diesen Texten, weil ja Meinungen, ausgeschlossen ist. Selbstverständlich kann man mit der dargelegten Ansicht, der Argumentation hinter selbiger etc. nicht übereinstimmen.
Ein zweitgeteiltes Problem lässt sich aber in diesem Zusammenhang erkennen: Zum einen, wie gut kennen sich die Leser/Zuschauer mit den Konzepten von Kolumne und Co. überhaupt aus? Wie gut können sie es bzw. solche Formate und deren „Spielregeln“ interpretieren? Wie ausreichend oder ungenügend ist die Medienerziehung (siehe auch hier — Text-Serie in Arbeit), also das Vertrautsein mit diesen Spielregeln? Zum anderen: Ist die Markierung der Textart durch die Medienmacher wirklich deutlich genug? Sollten sie sich vielleicht eine eingängigere Praxis zur Markierung einfallen lassen (dazu hier mehr — Text zur Antwort auf Populismus ist in Arbeit)?
Im Zuge einer redaktionellen Betreuung und journalistischer Standards sollten Medienwerke (weitgehend ≈ die menschliche Komponente etc.) frei von erfundenen Meldungen sein und Beleidigungen eine Ausnahme bleiben. Anders als mit dem Begriff „alternativer Fakten“ werden Sachverhalte in solch redaktionell geprägten Medien überprüft. Im Anschluss an das tödliche Verbrechen an einem Deutschen durch einen oder mehrere Flüchtlinge in Chemnitz eskaliert die Situation in der Stadt. Ausländer/ausländisch wirkenden Menschen wurde durch Chemnitz getrieben — auch hier darf nicht pauschalisiert werden: Es waren natürlich beileibe nicht alle Chemnitzer Bewohner beteiligt. Aber zweifellos war die Szenerie keine Werbung für die Stadt. Doch der Begriff „Hetze“ und das entsprechende Videomaterial wurden ausgerechnet vom damaligen Chef des Bundesverfassungsschutzes angezweifelt. Für seine Behauptung (links-)politischer Manipulation konnte er keinerlei Beweise liefern. Dieses Verhalten und das erneut verschwörungstheoretische Mutmaßen über eine linkspolitische Einflussnahme kosteten ihn zunächst seinen Job und später auch die als Resultat des „Weglobens“ ergatterte nächste Stelle.
Natürlich fallen solche Behauptungen auf den fruchtbaren Nährboden entsprechender Lager — die Hetze wurde sodann (noch mehr) angezweifelt. Als „Gegenmaßnahme“ hat sich etwa RTL dazu entschieden, ihrer Analysearbeit — das Überprüfen des die Hetze zeigenden Videomaterials — im Hauptprogramm zu erläutern. Etwaige Zweifel konnte — theoretisch (dazu ebenfalls im Text zur Antwort auf Populismus mehr) — deutlich ausgeräumt werden.
Wir wollen hier natürlich klassisch-redaktionelle Medien nicht über jeden Zweifel erhaben machen: Manch ihrer Aussagen sind gelinde gesagt eine Gratwanderung — vielleicht ist das auch das Resultat immer heftigerer Debatten, das Ergebnis wachsenden Einflusses radikaler Agitatoren, eine Reaktion auf Anfeindungen? Dergleichen wurde in diesem Text mehrfach angedeutet — in einem weiteren Beitrag werden wir etwaige Gegenstrategien beleuchten (Text in Arbeit).
Meines Erachtens sind allerdings entsprechende Tendenzen zu beobachten … aber auch hier wäre eine Pauschalisierung unangebracht. Jedenfalls ist Gleiches mit Gleichem zu bekämpfen nicht wirklich klug, wenn auch menschlich, aus einer reflexartigen Reaktion heraus zunächst nachvollziehbar. Nochmal: Medien können zweifelsohne professionelle Werke sein und ihre Macher ebensolche Profis, die in Bildung und Kompetenz nicht hinter Berufen wie Juristen, Ingenieuren etc. liegen. Medien entstehen aber nicht in abstrakten („die Medien“) oder stereotypen Räumen („die Lügner“/„die Wahrheitsfinder“), sondern sind Einflüssen ausgesetzt, ihre Macher sind Menschen. Vielleicht auch im Zuge einer eventuellen Betriebsblindheit laufen selbst professionelle Medienunternehmen Gefahr, von einem Bemühen um Objektivität (siehe dazu oben) abzugleiten. Ggf. sind es schlicht auch ökomische Interessen: Fox News in den USA macht mittlerweile ganz klar Werbung für bestimmte Politiker und wird zum verlängerten Arm einer entsprechenden Politik — sicherlich auch um unter dieser Administration eine bessere geschäftliche Position einzunehmen.
Populistische Strategie III — Geschwindigkeit
Eine Ausdrucksform dieser Strategie haben wir schon oben behandelt, nämlich die des Neuen. Obschon Populisten aller Extremismen auf angeblich bedrohte oder vergangene Werte verweisen, beinhalten sie immer auch eine Zukunftsperspektive: wie oben gesehen die furchtsame Zukunft, in der alles noch schlimmer wird, wenn man sich den jeweilige Bewegungen nicht sofort anschießt; die „glorreiche“ Zukunft — das was versprochen, aber doch niemals erreicht wird (Siehe dazu oben Serialität!). Auf Grund wohl nur bedingt vorhandenen Vorwissens (Extremismus von rechts, aber auch links scheint aus dem Zeitgeist heraus bisweilen „lang“ zurückliegend) wird die provokante Rhetorik als neuartig interpretiert. Wie bereits erwähnt ist das natürlich keine Entschuldigung, denn die hinter etwaigen Verzerrungen liegende Absicht könnte auch ohne dieses Wissen identifiziert werden. Aber in diesem Blog-Eintrag wird ja versucht, eine denkbare Erklärung für die unreflektierte Begeisterung etwaiger für solche extremen Bewegungen und ihre Wortwahl anzubieten …
Das Schnelligkeit fokussierende Vorgehen zeigt sich aber insbesondere darin, erstens Themen zu besetzten, damit sich „verdorben“ sind. Und diese Form der dritten Strategie äußert sich in verschiedenen Varianten — zunächst: Wir haben ja schon in den vorhergehenden Abschnitten angedeutet, dass gemäßigte Kräfte sich leider von radikaler Rhetorik beeinflussen lassen. Folglich reagieren sich in ähnlicher Weise, wie es die Populisten tun bzw. in einer Weise, die sie als Gemäßigte eigentlich ablehnen. In diesem Sinne bildet sich bisweilen ein sehr einfaches Feindbild aus bzw. es entsteht auch bei gemäßigten eine Art von radikal aufgeladener Habitus: „Mit denen [und ihren Themen] wollen wir nichts zu tun haben!“ Insofern ist nicht nur von einer heterotopen Beziehung zwischen Radikalen und ihrem Feindbild auszugehen. Es gibt auch in Teilen eine — wie gesagt bedauerliche — einfach-heterotope Wechselwirkung zwischen Gemäßigten und deren Feindbildern.
Selbst dieser gesamte Beitrag macht sich in Ansätzen dieses Vorgehens schuldig — mindestens indem er nur von Populisten und Radikalen spricht. Aber: Bereits oben ist angedeutet worden, dass natürlich die konkreten Motive etwaiger (Partei-)Flügel oder Einzelner hier nicht ausführlich behandelt werden können und nicht zu arg pauschalisiert werden sollen!
Diese hier vorgenommene Vereinfachung geschieht aber unter zwei Prämissen: Der Fokus dieses Blog-Beitrags soll auf den Strategien Extrem-Denkender, einem Schwarz-weiß-Denken liegen und zeigen, wie schnell solch eine „Denke“ um sich greift. Um besagte Prägnanz des ohnehin längeren Blog-Eintrags zu bewahren, müssen wir auf einige Vertiefungen verzichten.
Fatalerweise wird mit solch einer (sicherlich oft auch unbewussten) Annäherung an radikale Kräfte Unentschlossenen gegenüber eine Hemmschwelle gesenkt: „Wenn sich schon die Gemäßigten so blöd verhalten, können wir auch gleich zu den richtig Polternden gehen!“
Äußert man sich als Gemäßigter nun zu den von diesen Bewegungen besetzten Feldern, wird man mit „denen“ in Verbindung gebracht/gar mit ihnen gleichgesetzt — ein „Makel“, den man sich nicht gerne antut. Das hat ein Habitus nun mal an sich — befolgt man ihn nicht, drohen u. U. Einschränkungen. Dadurch — zweitens — besteht die Gefahr, dass oft wichtige Themen allein den Populisten überlassen werden. Diese gewinnen folglich die Deutungshoheit über Felder wie Zuwanderung oder Fragen nach dem, was wir als Gesellschaft sind oder sein wollen. Sie haben zumindest das erste Wort in diesen Feldern — bisweilen sogar das letzte: eben weil man sich nicht dazu äußern kann/will. Und diese Strategie wird natürlich genutzt, um solche Themen zu radikalisieren …
Radikale Kräfte machen sich das ihnen entgegengebrachte „Igittigitt“ also zu nutze — die ihnen entgegengebrachte Feindseligkeit wird zum Instrument: Sie inszenieren sich, als biete keiner für diese angeblichen Problemfelder eine Lösung an — außer ihnen natürlich. Dann erklären sie sich zusätzlich kurzerhand selbst zum Opfer. Die eigenen Provokationen ignorierend bzw. bewusst übertünchend, behaupten sie einfach, man verbiete ihnen den Mund und die Meinungsfreiheit. Angriff scheint also — aus Sicht Radikaler/der Populisten — die beste Verteidigung: insbesondere, wenn man sich zumindest dem Eindruck nach nicht als Aggressor, sondern als Opfer darstellt.
Die Opferrolle macht die Gruppe intern stärker, aber auch für Sympathisanten attraktiver — entsprechend der Anziehungskraft eines „Underdogs“, der scheinbar die Wahrheit sagend nur angefeindet wird … Im Umgang mit Extremisten bedarf es also zumindest bisweilen einer Feinfühligkeit, sodass sich nicht unbeabsichtigt eine reflexartige Reaktion einstellt, welche ebenso unbeabsichtigt eine (weitere/interne) Stärkung nach sich zieht.
Diese Opferrolle ist natürlich blanker Hohn für all jene, die etwa Fremdenhass ausgesetzt sind — denn Menschen, die sich umfassend abwertend äußern, behaupten auf einmal bzw. vorauseilend, sie selbst seien benachteiligt. Hier wird erneut die Idee der Meinungsfreiheit ausgehöhlt: Diese sieht im beleidigenden Fall ihre eigene Begrenzung vor — Ziel der Idee der Meinungsfreiheit ist es ja, Menschen ein gemeinsames Leben in Sinne eines Kompromisses, Akzeptanz, mindestens Toleranz zu ermöglichen.
Populistische Strategie IV — Öffentlichkeit und der offenbare Widerspruch als Charakteristik
Viele Aspekte dieser Strategie haben wir bereits behandelt — etwa die öffentlichkeitswirksamen Provokationen, das Besetzen entsprechender Themen. Worauf aber zurückzukommen ist, sind die „alternativen Fakten“: Denn ganz unverhohlen wird, durchaus historischen Phänomenen der deutschen Geschichte ähnlich, mit diesem Begriff eine innere Überzeugung und durchaus ein hierarchisches Verständnis innerhalb der eigenen Gruppen/der abwertende Umgang mit den eigenen Leuten zum Ausdruck gebracht — für alle sichtbar!
Oben wurde seitens des Autors dieses Blog-Beitrags verdeutlicht, dass keine pauschale Beurteilung etwaiger Motive oder Weltsichten aller in/unter etwaigen Gruppen Zusammenkommender zu fällen ist — Pauschalisierung sind ja schließlich nicht nur eine Verkürzung, sie können bisweilen eine fatale Vereinfachung sein. Mit dem Begriff „alternative Fakten“ wird trotzdem eine Haltung deutlich bzw. deutlich wie einige Nutzer beider Worte denken: Sie zählen sich selbst zu einer Élite (der jeweiligen Gruppen), die gezielt mit diesem Wortkonstrukt arbeiten, welches letztendlich (wie im vorhergehenden Abschnitt gezeigt) nicht weiter aussagt als: „Das gibt es eigentlich nicht!“
Dieser Ausruf wird zuerst gegenüber Fakten und denen sie Vertretenden, die ja mit der angeblichen Alternative als falsch bzw. Lügner abgestempelt werden sollen, zur Anwendung gebracht. Wir haben ja gesehen, dass Fakten durchaus eine Basis darstellen, die nicht unbegrenzt interpretierbar ist: Es wird also auch gegenüber den eigenen Anhängern — quasi für alle sichtbar — mit Ausgedachtem gearbeitet. Man könnte auch sagen, es wird den eigenen Anhängern gegenüber gelogen!
Solch ein — interner — Eliten-Gedanke steht übrigens im Kontrast dazu, wie man sich selbst der Öffentlichkeit bzw. potentiellen oder den eigenen Anhängern gegenüber präsentieren will: nämlich als gerade nicht zu diesen Eliten, einem Establishment gehörend! Aus Sicht etwaiger Bewegungen seien diese etablierten Kräfte ja vor allem darum bemüht, nichts zu ändern und ihrer Status was Finanzkraft und gesellschaftlichen Einfluss angeht sogar zu festigen. Überraschend ist nur, dass sich die radikalen Kräfte selbst durchaus aus diesen etablierten Bereichen rekrutieren. Mindestens sind sie — wie viele Frustrierte und sogenannte Wutbürger — weit weniger tatsächlich benachteiligt oder in ihrer Existent absehbar bedroht: Sie fürchten sich vor etwas, das nicht greifbar ist — das haben wir oben bereits beschrieben …
In diesem Sinne kann »überraschend« zurück genommen werden: Mit Blick auf serielle Formen des Typus I wird im Elitedenken also trotz stetig neuer Feindbilder auf der Stelle getreten …
Zudem wird mit dem Begriff »Etablierte« auch deutlich, dass erneut ein eigentlich zukunfts- und gesellschaftsrelevantes Thema durch radikale Kräfte mindestens wesentllich belastet wird: Es wäre im Angesicht eines immer größer werdenden Anteiles Älterer in der Bevölkerung und einer steigenden Lebenserwartung dringend zu diskutieren, wie etwa die Rente finanziert werden sollen — Doppelbelastung für jetzige Einzahler bei langer Arbeitszeit und absehbar niedriger eigener Rente. Es wäre auch hinsichtlich universitärer Forschung zu hinterfragen, warum so viele Professuren auch dynamischer, sich schnell entwickelnder Forschungsfelder (z. B. Soziologie, Medien) dauerhaft mit älteren Herren besetzt sind. Während der akademische Mittelbau schlecht bezahlt wird und sich von Zeit- zu Zeitvertrag hangelt.
In der Rhetorik wird der Begriff „alternative Fakten“ ein Oxymoron genannt: das „Nichtgehende-Gehende“, wenn man so will. Das „es geht“, zeigt die Reaktion der Anhänger solcher Bewegungen — eigentlich müssten sie bei einer solch unverhohlen Erklärung, dass man sie „belügen“ will, doch davon laufen … Schließlich wird mit dem Begriff doch gesagt, „die meisten unserer (potentiellen) Gefolgsleute merken gar nicht, was wir hier machen und mit dieser [und anderen im Text skizierten] Strategien erreichen wollen! Oder sind die gar nicht in der Lage, unseren Absichten inhaltlich zu folgen … ? Egal, hauptsache sie wählen uns!“
Dieser unverhohlene Widerspruch — statt einer Gemeinschaft Gleicher, eine starke Hierarchie zu leben — ist vielleicht sogar selbst Strategie: Eine entsprechende Form haben wir schon gesehen — nämlich Angst und Sicherheit gleichzeitig zu nutzen. Denn der offene Widerspruch soll — ohne diese strikte und fragwürdige Machtstruktur zu betonen — womöglich den Eindruck erzeugen, viele Meinungen werden vertreten/die jeweilige Organisation sei für viele offen. Auch hier liegt der Unterschied zu gemäßigten Gruppen — auch Sicht des Autors dieses Blog-Beitrags — darin, dass in gemäßigten Bewegungen stark vom Gruppengeist abweichende Meinung wirklich toleriert oder akzeptiert werden, es Kompromisse gibt, die nicht unbedingt in der Hierarchie/durch deren Entscheidungen untergehen …
Ist das alles nun ein Grund zur Sorge — aus Sicht des Autors dieses Beitrags: jein! Diese Strategien zu kennen, kann helfen, sie besser zu verstehen oder ggf. die dahinter stehenden Absichten etwaiger Bewegungen zu deuten. Dieses Wissen kann zudem einen Beitrag leisten, die offenbare Angst vieler Sympathisanten zu untersuchen. Es müssen Wege gefunden und genutzt werden, die Komplexität, das scheinbare Chaos der Welt zu vermitteln, Ängst zu nehmen — ohne Feindbilder zu schaffen! Und dazu gehört auch zu überlegen, wie mit diesen Bewegungen umzugehen ist — dazu im zweiten Teil mehr!